„Es ist eine Art Pilotprojekt“, stellt Theatermacher und Kreistagsabgeordneter Daniel Grünauer fest. „Anderswo wird gejammert und man ist im Absagemodus.“ Nicht in Konstanz. Hier legen die Kulturschaffenden nicht die Hände in den Schoß und warten auf bessere Zeiten, sondern nehmen ihr Schicksal selbst in die Hand. Alleine könnte keine der beteiligten Kultureinrichtungen ein Festival stemmen, aber gemeinsam klappt es.

Dramaturg und Theatermacher Daniel Grünauer
Dramaturg und Theatermacher Daniel Grünauer | Bild: Larissa Hamann/SK-Archiv

Die Idee wurde in der Chérisy geboren, genauer gesagt, im Zebra-Kino. „Seit fünf oder sechs Jahren machen wir immer das Zebra-Open-Air-Kino“, stellt Christoph Sinz fest. „Die Infrastruktur ist vorhanden und könnte auch anderweitig genutzt werden“, schildert Sinz seine Grundidee und suchte sofort den „Hauskontakt“ mit Benjamin Kreibich vom Kulturladen.

Kino und Konzerte im Innenhof des Neuwerks

Den Innenhof des Neuwerks nicht nur für Kino, sondern auch für Live-Konzerte zu nutzen fanden beide genial, denn keiner könnte alleine einen solchen Aufwand, gerade was Logistik und Infrastruktur anbelange, stemmen. Sie fragten beim Neuwerk, insbesondere bei Kantine-Betreiber Cornelius Hanßmann an, und „rannten offene Türen ein“.

Das könnte Sie auch interessieren

Das Team vom kommunalen Kulturzentrum K9 und Insa Pijanka, Intendantin der Südwestdeutschen Philharmonie, waren auch sofort Feuer und Flamme von der Idee und sofort mit von der Partie, schließlich sind sie alle von den Corona-Restriktionen betroffen. „Es waren die richtigen Leute zur richtigen Zeit am richten Ort“, freut sich Christoph Sinz.

Christoph Sinz (Zebra-Kino)
Christoph Sinz (Zebra-Kino) | Bild: Rau, Jörg-Peter/SK-Archiv

Daniel Grünauer ist auch dazugestoßen. „Mich hat es wegen der Rathaus-Oper interessiert“, sagt er, der die Traditionsveranstaltung mittlerweile leitet und erleichtert ist, dass er sie auch in diesem Jahr im Rathausinnenhof veranstalten kann.

Was ihn an dem buntgemischten Kultursommer-Kreativteam faszinierte, war „die unglaubliche Dynamik und der allumfassende Brückenschlag verschiedener Genres“, schließlich vereint das Festival Musik – von Klassik bis hin zu Rock, Pop und Jazz – Theater, Kino und Veranstaltungen für Kinder.

Hinter allen Kulturschaffenden liegen harte Wochen der Zwangspause. „Es ist uns allen ein Anliegen, künstlerisch auf die Krise reagieren zu können“, sagt Insa Pijanka. Gerade für die Philharmonie seien solche anderen Formate überlebenswichtig, denn „wir sind sehr raumlos gewesen“. „Wir sitzen alle in einem Boot. Der Bedarf, im Freien zu spielen, ist in Corona-Zeiten da“, so Benjamin Kreibich.

Benjamin Kreibich (Kulturladen)
Benjamin Kreibich (Kulturladen) | Bild: Timm Lechler/SK-Archiv

Freiluftveranstaltungen sind in gewisser Weise ein Rettungsanker, schließlich sind – wie Wissenschaftler festgestellt haben – Aerosole wesentlich verantwortlich für die Covid-19-Verbreitung. Für die Philharmonie beispielsweise bedeute dies, dass die Orchestermitglieder nicht nur eineinhalb Meter Abstand halten müssten, sondern Bläser sogar bis zu drei Metern. Das komplette Orchester auf diese Weise auf eine Bühne zu bringen, sprenge die Platzkapazitäten in einen Saal.

Das könnte Sie auch interessieren

„Was uns killt, sind die Abstandregeln“, stellt Insa Pijanka fest, nicht nur was Orchester anbelange, sondern auch die damit verbundenen Zuschauerbegrenzungen. Trotzdem sieht Insa Pianka in der Krise auch wieder das Positive. Sie ist begeistert von den „vielen Ensembles, die sich ad hoc“ aus dem Orchester herausgebildet haben. Der Kultursommer Konstanz sei eine wunderbare Chance, die sie nur zu gerne ergriffen hat.

Insa Pijanka (Südwestdeutsche Philharomnie)
Insa Pijanka (Südwestdeutsche Philharomnie) | Bild: privat

„Es ist eine tolle Kooperation, wo man miteinander gemeinsam Kunst macht“ und die scheinbaren Grenzen zwischen der freien Kulturszene und der sogenannten Hochkultur aufhebe. „Wir wollen spielen und jetzt spielen wir“, freut sich Insa Pijanka, die schelmisch bekennt, dass sie den kleinen Finger, den Benjamin Kreibich ihr gereicht habe, sofort ergriffen und nach noch mehr möglichen Spielterminen gefragt habe.

Das Angebot nahm er sehr gerne an, denn: „Für uns ist es nicht leicht, ein Qualitätsprogramm auf die Beine zu stellen. Einige Bands sind noch im Freeze-Modus; sie haben nicht so schnell mit Auftrittsmöglichkeiten gerechnet“, schildert er.

„Es ist eine super Gelegenheit“

Marie-Therese Gey vom Kulturzentrum K9 ist glücklich und erleichtert, dass der Kultursommer Konstanz aus der Taufe gehoben wurde. Zwar biete das K9 bereits wieder Veranstaltungen, doch nach der ersten Neugier zeigten die Besucher was Indoor-Veranstaltungen anbelange doch eher Zurückhaltung. „Regulär hätten wir jetzt dann Sommerpause, denn da kann man Veranstaltungen drinnen eh vergessen“, sagt sie, die vergnügt in die Verlängerung geht, um die Freiluftveranstaltungen im Neuwerk-Innenhof mitzugestalten.

Das könnte Sie auch interessieren

„Es ist eine super Gelegenheit, denn so kann das Theaterprojekt doch noch stattfinden“, wertet Marie-Therese Gey. Im Mai wäre die Premiere der deutschsprachigen Erstaufführung von „Ein Leben im Takt“ gewesen. Dank des Kultursommers ist das Theaterstück von und mit Arlen Konietz (Schauspiel), Ingo Putz (Regie), Daniel Grünauer (Dramaturgie) und Marie-Therese Gey (Produktion) gerettet. Der Monolog für einen Spieler und zwei Schlagzeuge findet am 28. August um 21 Uhr im Neuwerk-Innenhof statt.

Marie-Therese Gey vom Kulturzentrum K9
Marie-Therese Gey vom Kulturzentrum K9 | Bild: Scherrer, Aurelia/SK-Archiv

Neben Schaffensfreude und einem starken Willen brauchen die Kultursommer-Aktivisten auch jede Menge Mut. Die Kosten beziffert Benjamin Kreibich auf knapp 90.000 Euro. „Wenn jeder sein eigenes Ding machen würde, wär‘s teurer“, fügt Marie-Therese Gey an. Rund 15.000 Euro haben sie beisammen, da die Stadt die Zuschüsse für das abgesagte Open-See-Festival des Kulturladens und die Kurzfilm-Festspiele des Zebra-Kinos kurzerhand umgewidmet hätte.

„Mut braucht man immer“

„Die Philharmonie gibt die Einnahmen ins Budget“, so Insa Pijanka. „Wir hoffen noch auf die Unterstützung des Landes Baden-Württemberg„, fügt Daniel Grünauer an. Einen Antrag über einen Zuschuss in Höhe von 50.000 Euro sei gestellt worden; die Entscheidung falle aber erst am 17. Juli, also einen Tag nach dem Start des Kultursommers. Benjamin Kreibich bleibt trotzdem gelassen. Schulterzuckend meint er: „Mut braucht man immer.“

Das könnte Sie auch interessieren

Geld ist für die Aktivisten in diesem Fall Nebensache. Der demokratische Ansatz von Kultur sei, von einer Differenzierung über den Preis abzusehen, stellt Insa Pijanka fest, auch wenn die Politik eher dazu tendiere, „Kulturinstitutionen wie kleine Wirtschaftsunternehmen zu behandeln“. Dabei entstehe Kultur aus der Mitte der Gesellschaft heraus und solle von allen in Anspruch genommen werden können, da sind sich alle Kultursommer-Beteiligten einig.

Niedrige Preise trotz reduziertem Publikum

Ganz bewusst haben sie sich für niedrige Eintrittspreise entschieden, denn das entspreche nicht zuletzt der Neuwerk-Philosophie, wie Cornelius Hanßmann betont. „Außerdem sind die Besucher genauso betroffen von der Corona-Krise wie alle Kulturschaffenden auch. Das Geld ist einfach knapp. Wir machen es ja auch nicht aus einem kommerziellen Gedanken, sondern um ein ansprechendes Programm zu bieten, das gefällt und angenommen wird“, erläutert Benjamin Kreibich. Daniel Grünauer ergänzt: „Die meisten werden daheim Urlaub machen und können so zwei- oder dreimal eine Veranstaltung besuchen und treffen tolle Menschen.“

Das könnte Sie auch interessieren

Mit der Bestuhlung sind die Veranstalter flexibel. 130 Personen sind avisiert. Wenn Familien kämen, werden die Stühle zusammengeschoben und es hätten mehr Leute Platz; wenn hingegen nur Einzelpersonen kämen, reduziere sich die maximale Besucherzahl aufgrund der Abstandsregelung. Eine Platzreservierung vorab werde es nicht geben. Vielmehr hoffen die Veranstalter auf möglichst viele Gruppen, um so mehr Menschen glücklich machen zu können.