Wenn es um den Theater-Intendanten Christoph Nix geht, dann scheiden sich bekanntlich die Geister. Er wird geliebt oder gehasst. Aber gerade seiner Beharrlichkeit ist es zu verdanken, dass das Konstanzer Stadttheater trotz Corona wieder spielt. Ein ausgeklügeltes Hygienekonzept und ebenso ausgetüftelte Vorkehrungsmaßnahmen vor und hinter der Freiluftbühne auf dem Münsterplatz sind von ihm und seinem Team realisiert worden. Die Zuschauer freut es, denn nach vier Monaten des Verzichts sind sie ausgehungert; sie sehnen sich nach Live-Erlebnissen in Gesellschaft.

Den Theatermachern geht es ebenso. „Wir wollen das Publikum sehen und spüren und einen Abend in Gemeinschaft erleben“, sagte Chefdramaturg Martin Steffke am Samstagabend kurz vor der Uraufführung. „Es hätte eine gewisse Tragik gehabt, wenn es keinen Abschluss gegeben hätte“, verwies er nicht nur auf das Ende der Spielzeit, sondern auch auf den Abschied von Nix aus Konstanz.

Da war es noch ein kühner Plan, jetzt ist es Realität: Besprechung zur Freilichtaufführung auf dem Konstanzer Münsterplatz. Von links: ...
Da war es noch ein kühner Plan, jetzt ist es Realität: Besprechung zur Freilichtaufführung auf dem Konstanzer Münsterplatz. Von links: Chefdramaturg Martin Steffke, Schauspieldirektor Mark Zurmühle, der technische Direktor Holger Bueb, Intendant Christoph Nix und Dramaturgin Franziska Bolli. | Bild: Scherrer, Aurelia

„Es ist ein Glück, dass wir ein solches Format haben“, stellte Steffke zu den vor Jahren eingeführten Freiluftaufführungen auf dem Münsterplatz fest. Schließlich scheint laut Experten das Corona-Ansteckungsrisiko im Freien geringer zu sein. Und doch: „Es war ein Abenteuer“, sagte Steffke und ergänzte: „Weil nichts normal ist und man sich immer wieder fragen musste, ob man wirklich alles bedacht hat.“ Angefangen von der Sitzplatzplanung mit 1,5 Meter Abstand über Einlass bis hin zum Waschen der Kostüme, die von den Mitarbeitern nur mittels Maske und Handschuhen angenommen werden.

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„Es ist eine richtige Abschlussproduktion, wie man sie sich wünscht“, ist Schauspieldirektor Mark Zurmühle glücklich. „Gott sei Dank bekamen wir Unterstützung durch die Politik, und die Bevölkerung ist großartig drauf. Leute haben mit Campingstühlen an der Theaterkasse auf den Kartenverkauf gewartet. Es ist schön, dass man so etwas erleben darf. Es zeigt, dass Theater wichtig ist.“

Traurig war die Konstanzerin Irene Luz am Premierenabend. Vergeblich hatte sie sich frühzeitig bemüht, eine Karte für die Uraufführung von „Hermann der Krumme“ zu bekommen. „Ich war in jeder Freilichtaufführung. Es war immer sensationell“, stellte sie fest. „Ich habe es gerade nochmal an der Kasse versucht, in der Hoffnung, jemand würde seine Karte zurückgeben“, erzählte sie. Sie hatte kein Glück und bedauerte: „Ein Live-Erlebnis ist nicht zu ersetzen. Diese Energie!“ Trotzdem verließ sie den Münsterplatz nicht, sondern setzte sich auf eine Bank, um der Aufführung zumindest lauschen zu können.

Statt nur einem gibt es vier Eingänge zu den Münsterfestspielen. Die Besucher werden gruppenweise eingelassen.
Statt nur einem gibt es vier Eingänge zu den Münsterfestspielen. Die Besucher werden gruppenweise eingelassen. | Bild: Scherrer, Aurelia

„Cool, dass es ein Open air gibt“, stellte Konrad Schächtle fest. „Ich bin dankbar und glücklich“, sagte der Konstanzer, der Karten bekommen hatte. „Ich bin Hochrisikopatient und fühle mich bei der Veranstaltung sicher. Alles ist super organisiert, alles wurde bedacht.“ Er ist – wie viele andere Zuschauer – froh über die Aufführung. „Zwölf Wochen war ich daheim eingesperrt und habe die Tapete bewacht“, meinte er, glücklich, die letzte Vorstellung des Intendanten erleben zu können.

„Wir sind richtig ausgehungert nach Kultur und wollen von Herrn Nix Abschied nehmen“, sagte Randi von Stechow, die mit ihrer Familie zur Uraufführung kam. „Natürlich hatten wir auch schöne Fernseherlebnisse, aber Live-Aufführungen sind alternativlos.“ Sorge, sich infizieren zu können, hat sie nicht: „Die Infektionsrate ist in Konstanz bei Null, und hier auf dem Münsterplatz ist alles sehr gut organisiert.“ Bewundernswert findet sie die Leistungen des Theaters. Die Lockerungen seien genau zum richtigen Zeitpunkt gekommen, sodass sich mehr Leute das Schauspiel ansehen können. „Christoph Nix hat gespürt, dass man es unbedingt machen muss“, meinte sie.

Christoph Nix, scheidender Intendant des Theaters Konstanz.
Christoph Nix, scheidender Intendant des Theaters Konstanz. | Bild: Scherrer, Aurelia

„Es geht um einen Reichenauer. Deswegen sind wir da“, formulierte es Karl Wehrle, Tourismus-Chef von der Insel Reichenau. Er erinnert sich daran, wie sich Nix vor gut zwei Jahren bei ihm informierte, „was Hermann für ein Kerle war“. Karl Wehrle ist aber ein wenig „hin- und hergerissen“, denn: „Es gibt vieles, was wir gerne gemacht hätten, es aber nicht tun. Aber ich finde es mutig, es trotzdem zu wagen und anzugehen“, sagte er. „Das Vor und das Danach und die Diskussionen in der Pause gehören zu einem Theaterabend. Das fehlt“, stellte er fest. „Dafür konzentriert man sich auf den Kernpunkt“, befand seine Frau Aniceta Wehrle.

„Die Beharrlichkeit von Nix ist das Tolle an ihm“, laudierte Claus-Dieter Hirt. „Es ist genial und perfekt gelöst. Er war vorbereitet, und die Rechtsverordnung gibt es her. Ich fühle mich sicher, und die Abstandsregelung finde ich von Vorteil.“ Die Menschen hätten ein großes Bedürfnis, endlich wieder etwas gemeinsam erleben zu dürfen. Dazu noch regionale Geschichte, die zudem mit den aktuellen Ausgrabungen des Galgenackers in Allensbach korrespondiere, das sei ein geniales und spannendes Highlight.

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„Ich bin begeistert. Es war toll, wie sie das Virus, ,das die Welt verwüstet‘, in das Stück integriert haben“, zitierte Bärbel Wiedemann aus der Aufführung. „Es hat so gepasst. Ich finde es bemerkenswert, wie eine große Botschaft so einfach rübergebracht wurde. Es hat mir alles aus der Seele gesprochen“, sagte Wiedemann, die auch die „tolle organisatorische Leistung“ lobte. „Ich fand es eigentlich sehr angenehmen, wenn man nicht so beengt sitzt. So war man nicht abgelenkt, konnte sich besser konzentrieren und hatte mehr Bezug zu den Schauspielern. Es war sehr passend und intensiv. Was für ein Geschenk!“ Ihr Mann Jürgen Wiedemann hatte Freude an den „vielen kleinen Bonbons, die Nix reingepackt hat“, womit er auf die Seitenhiebe gen Stadtspitze abzielte.

Vier Zugänge sowie vier Wartebereiche wurden zu den Freiluftfestspielen des Theaters Konstanz auf dem Münsterplatz eingerichtet.
Vier Zugänge sowie vier Wartebereiche wurden zu den Freiluftfestspielen des Theaters Konstanz auf dem Münsterplatz eingerichtet. | Bild: Scherrer, Aurelia

Oberbürgermeister Uli Burchardt hatte die Spitzen nicht nur mit Gelassenheit genommen, sondern war vomTheater beeindruckt. „Es war ein Erlebnis. Es freut mich, dass es Nix gelungen ist. Meines Wissens war es die erste große Theateraufführung in Deutschland“, so Burchardt, der anfügte. „Unter diesen schwierigen Bedingungen hat das Stück eine besondere Rolle gespielt. Wenn man monatelang nichts Derartiges gesehen hat, dann bekommt es eine eigene Alleinstellung.“