In Konstanz muss man nicht tief graben, um auf historische Funde zu stoßen. Das wissen nicht nur Archäologen aus Erfahrung. Im kommenden Jahr steht nach langen und heißen Diskussionen im Gemeinderat und in der Bürgerschaft die Umgestaltung des Stephansplatzes an.

Darauf freuen sich die Projektbeteiligten. Nicht nur, weil es „ein fantastisches Projekt ist“, wie Wolfgang Treß vom Amt für Stadtplanung und Umwelt (ASU) sagt, sondern weil nicht nur er neugierig ist, was sich unter der Asphaltdecke verbirgt. Klar ist: Die Planung muss angepasst werden, je nachdem, worauf die Archäologen stoßen. „Das macht es aufwendig, schwierig, unüberschaubar, aber es ist toll, dass wir Spuren der Vergangenheit nach oben bringen dürfen“, findet Treß.

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Dass unter dem Stephansplatz Friedhöfe zu finden sind, steht schon lange fest. Der Platz ist nämlich „archäologisch nicht ganz jungfräulich“, merkt Caroline Bleckmann vom Landesamt für Denkmalpflege an. Im Jahr 2015 wurde entlang des Schulhofes der Abwasserkanal neu angelegt. Auf Höhe des Klavierhauses hätten sie drei Mauern gefunden sowie mit Kalk abgedecktes Knochenmaterial, sodass es sich hierbei möglicherweise um ein Beinhaus handeln könnte, so Bleckmann.

im Bereich des Klavierhauses wurden im Jahr 2015 Mauerreste entdeckt.
im Bereich des Klavierhauses wurden im Jahr 2015 Mauerreste entdeckt. | Bild: Scherrer, Aurelia

Im Bereich des Schulhofes hätten die Archäologen festgestellt, dass sich dort der Klostergarten befunden haben müsste, denn sie hätten entsprechende Keramik und Gartenerde gefunden. „Das ist der Bereich, den wir freigeben können. Das sieht ziemlich save aus. Dort können größere Maßnahmen stattfinden“, äußert Caroline Bleckmann.

Tabuzone bei der Stephanskirche

Direkt auf der Südseite der Stephanskirche ist quasi eine Tabuzone, denn darunter befindet sich der Leutefriedhof. „Wir haben eine reine Oberflächensanierung vorgesehen. Der Asphaltbelag wird herausgenommen und dann werden die Höhen aufgebaut“, erklärt Elke Bork vom ASU. Aus gutem Grund, denn: „Die Kosten einer Ausgrabung stehen in keiner Relation“, fügt Caroline Bleckmann an.

Südlich der Stephanskirche befindet sich unter dem Asphalt der Leutefriedhof. Bei der Umgestaltung des Platzes sind Eingriffe in den ...
Südlich der Stephanskirche befindet sich unter dem Asphalt der Leutefriedhof. Bei der Umgestaltung des Platzes sind Eingriffe in den Boden tabu. | Bild: Scherrer, Aurelia

Noch mehr Gebeine unter der Erde

Damit der Gebeine unter dem Stephansplatz nicht genug, denn vor der Turnhalle der Stephansschule und dem Bürgersaal in Richtung Osten gibt es einen Mönchsfriedhof. Beim Bürgersaal handelt es sich nämlich ursprünglich um eine Kirche, deren Seitenschiffe abgebrochen wurden. Sie war Teil eines Klosters. „Einst ein Nonnenkonvent, dann zogen die Franziskaner ein und bauten bis etwa 1255 eine Klosteranlage“, berichtet Historiker Daniel Groß. „Die gesamte Anlage mitsamt Mönchsfriedhof war ummauert. Allerdings gibt es nur vage Pläne. Es ist interessant, wo die Mauern wirklich liegen.“

Das findet auch Caroline Bleckmann höchst spannend. „Das Gelände ist sehr früh überbaut worden“, sagt sie. Bis auf Leitungsgräben sei nicht viel passiert. Deshalb hofft sie, die Klostermauern fassen zu können. „Das Highlight wäre natürlich die Vorgängerbebauung“, sagt Bleckmann. Die Augen der Archäologin leuchten bei dem Gedanken. „Gebäudestrukturen und Mauern sind um Längen interessanter als Gräber“, findet sie. Wenn es sich vermeiden lässt, würde die Totenruhe nicht gestört, und zwar aus Pietätsgründen, wie Caroline Bleckmann sagt.

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Bemerkenswert sei der Mönchsfriedhof, der zwischen dem Ende der Schulsporthalle bis etwa zu Beginn der Parkplatzbuchten an der östlichen Platzbebauung liegt. Auch an dieser Stelle habe es Probebohrungen gegeben. „In jedem Bohrkern haben sich Menschenknochen befunden“, berichtet Bleckmann. Deshalb ist bezüglich der künftigen Umgestaltung des Platzes klar: Im Bereich des Mönchsfriedhofs könnten lediglich „geringfügige Eingriffe in den Boden“ möglich sein.

Ergänzend zu den Probebohrungen gab es in diesem Jahr auch Bodenradaruntersuchungen, „um das Risiko schwerwiegender Zerstörung von Kulturgut“ zu verhindern, wie Caroline Bleckmann erklärt. Außerdem diene die Radaruntersuchung der Bauforschung. Sie freut sich schon auf das Projekt, denn für sie könnte es spannend werden. Sie wähnt nämlich „die Klosterumfassungsmauer direkt unter dem Asphalt“.

Zwischen Bürgersaal und Turnhalle (rechts) und den Parkbuchten auf der östlichen Platzseite (links) befindet sich der Mönchsfriedhof.
Zwischen Bürgersaal und Turnhalle (rechts) und den Parkbuchten auf der östlichen Platzseite (links) befindet sich der Mönchsfriedhof. | Bild: Scherrer, Aurelia

Es gibt Tabus bei der Gestaltung

Und was bedeuten die Erkenntnisse für die Umgestaltung des Stephansplatzes? Etwa ein Sechstel der Fläche sei eine Tabuzone, in deren Bereich keine Eingriffe in den Boden erfolgen sollen. Auf etwa einem Drittel, ungefähr in der Platzmitte, „da kann man sich austoben“, formuliert Caroline Bleckmann. Bei der Restfläche seien lediglich geringfügige Eingriffe möglich; „eher punktuell in Abstimmung mit dem Landesdenkmalamt“, bekräftigt Wolfgang Treß und bleibt dabei gelassen. Das Grundkonzept sei schließlich nicht betroffen, merkt seine Kollegin Elke Bork an. „Es geht lediglich um Details“, sagt sie.

In der Mitte der Freifläche dürfen sich die Platzgestalter austoben, sagt Caroline Bleckmann vom Landesamt für Denkmalschutz.
In der Mitte der Freifläche dürfen sich die Platzgestalter austoben, sagt Caroline Bleckmann vom Landesamt für Denkmalschutz. | Bild: Scherrer, Aurelia

Wohlwissend, dass sich viele Konstanzer Bäume auf dem Stephansplatz wünschen, macht Wolfgang Treß deutlich, dass aufgrund der Archäologie viele Bereiche dafür tabu sind, denn: „Da können wir nicht in die Tiefe.“ Das Wurzelwerk der Bäume würde sonst das Kulturgut schädigen. An der Ostseite sowie in Ergänzung des Schulhofes würden Bäume gepflanzt. Vor der Turnhalle, wo Eingriffe in den Boden kaum möglich seien, wollen Bork und Treß mit speziellen Hecken „grüne Dächer wie im Süden“ realisieren. „Ein Experiment“, so Treß.

So in etwa könnte der Stephansplatz nach seiner Umgestaltung aussehen.
So in etwa könnte der Stephansplatz nach seiner Umgestaltung aussehen. | Bild: Planstatt Senner GmbH

Und wie geht es jetzt weiter? Entwurfs- und Ausführungsplanung würden nun im Detail ausgearbeitet, so Treß. Nach Fasnacht 2026 würden die Entsorgungsbetriebe der Stadt Konstanz (EBK) zunächst Kanalarbeiten in dem Teilstück zwischen Laube bis etwa Beginn Münzgasse erledigen. Nach dem Weinfest 2026 werde damit begonnen, „von Norden nach Süden den alten Belag zu entfernen“, erklärt Wolfgang Treß, der mit einer Gesamtbauzeit für die Umgestaltung des Stephansplatzes von etwa eineinhalb Jahren rechnet.