Viele prominente Leute, die bei der Redaktion des SÜDKURIER im Konstanzer Oberlohn zu Gast waren, haben diesen Tisch bewundert. Der SÜDURIER war für sie fortan „die Zeitung mit dem großen alten Konferenztisch“. Seine Platte ist so dick wie eine Hand breit und kann selbst von zwei starken Männern nicht von ihren Betonsockeln gehoben werden. Das Eichenholz ist einfach zu schwer. Und es steckt voller Geschichte.
Altes Spital stammt aus dem Mittelalter
Vermutlich ein paar Jahrhunderte war das Holz im Konstanzer Spital zum Heiligen Geist verbaut. Das Gebäude selbst stammt aus dem Jahr 1225. Damals stellten die Hohenstaufen den deutschen König und Kaiser.

Viele Jahrhunderte später war das Gebäude Sitz von Verlag und Redaktion der „Konstanzer Zeitung“, danach der NSDAP-Zeitung „Bodensee-Rundschau“, im Volksmund „Bo-Ru“ genannt.
Es geht bergauf
Nach Kriegsende entstand dort die französische Besatzungszeitung „Nouvelles de France“ und seit September 1945 auch der SÜDKURIER, der in der Druckerei am rückwärtigen Fischmarkt über die Rotation lief. Genauso schnell und gut liefen auch die Geschäfte der Wirtschaftswunderjahre, so dass Verleger Johannes Weyl 1958 einen großen Umbau in die Wege leitete.

Dazu gehörte – neben dem Bau einer modernen Druckerei – die Sanierung und Modernisierung des verwinkelten alten Spital-Gebäudes. Dabei wurden die mittelalterlichen Fresken in der früheren Kapelle freigelegt. Heute ist der Raum das Wartezimmer einer urologischen Praxis.

Zum Alten stieß zu SÜDKURIER-Zeiten das Neue. Weyl hoffte damals, es sei gelungen, „aus Vergangenheit und Gegenwart eine überzeugende Einheit zu bilden“.
Nicht auf die Müllkippe
Auch der alte Dachstuhl des einstigen Spitals musste damals erneuert werden. Dabei wurde Eichengebälk entfernt, das man mit Blick auf Alter und historischen Wert nicht auf die Deponie fahren wollte. So wurde einem Schreiner der Auftrag erteilt, aus mehreren Eichenteilen einen neuen Konferenztisch zusammenzufügen.
In den folgenden drei Jahrzehnten sah das alte Holz nicht nur die tägliche Konferenz und viele Aschenbecher, in die die vorwiegend männlichen Teilnehmer ihre Kippen und Zigarrenstummel drückten, sondern auch prominente Bundespolitiker wie Hans-Dietrich Genscher (FDP), damals Außenminister der Koalition unter Helmut Kohl (CDU).

Immer wieder kam auch der Ministerpräsident von Baden-Württemberg an den Bodensee – und dann auch meist zu Besuch in die Redaktion des SÜDKURIER an die Markstätte.

Auch „Cleverle“ Lothar Späth (CDU), bis 1991 Regierungschef in Stuttgart, kam in den 80er-Jahren gerne zu längeren Gesprächen in die Redaktion der Zeitung.

Als die Redaktion die Marktstätte 1993 verließ und in das neue Verlagsgebäude im Oberlohn umzog, nahm man auch den Tisch aus der früheren Kapelle des Spitals mit. Er schlug die optische Brücke zu den Gründervätern des SÜDKURIER und den Wurzeln in der Geschichte der Stadt. Der neue Konferenzraum hieß nun auch „Kapelle“, und lange Jahre hing dort ein großes gerahmtes Foto von den alten Fresken des einstigen Spitals.
Ein Umzug im Oberlohn
Am Oberlohn musste der schwere Tisch nur einmal umziehen – vom Nord- in den Südflügel, wo er seit rund 15 Jahren steht und weiter geladene Gäste aus Politik und Wirtschaft sieht. Vor allem landespolitische Prominenz stellt sich gerne zum Gespräch ein.

Nach fast sieben Jahrzehnten hat sich auf seiner Oberfläche trotz der Härte der Eiche der Zahn der Zeit bemerkbar gemacht und die historische Patina mit zahlreichen Kratzern und Spuren von Wassergläsern durchsetzt. So wurde – 80 Jahre nach Gründung des SÜDKURIER – das Handwerk einbestellt.
Möbelschreiner Eric Levo von der Konstanzer Firma Sandmann hat fast einen ganzen Tag gebraucht, um die 4,50 Meter lange und 1,20 Meter breite Eichenplatte mit unterschiedlicher Schleifpapier-Körnung zu behandeln. Die Arbeit hat ihm sichtlich Freude gemacht, die gelegentlichen uralten Risse im Holz, sagt er, „muss man so lassen“.

An Geschichte soll nicht mit Fugenkitt herumgebastelt werden. Am Schluss hat Schreiner Levo das Holz mit einem Hartwachs-Öl eingelassen. Das alte Schmuckstück in der „Kapelle“ des SÜDKURIER steht für neue Gäste bereit.