Es ist kurz vor 21 Uhr am Samstagabend. Der Zähringerplatz in Konstanz ist in Blaulicht gehüllt. Ein Polizeiauto parkt vor dem Eingang des Seerhein Centers. Drei Polizisten stehen an der Treppe zum Einkaufszentrum. Auf dem Boden liegt ein Mann, der mit Handschellen fixiert ist. Um ihn herum liegen Glasscherben. Es riecht nach Alkohol.

Samstagabend, 2. September, gegen 21 Uhr: Die Polizei Konstanz (Bildmitte) wird zu einem Einsatz gerufen. Ein Mann randaliert vor dem ...
Samstagabend, 2. September, gegen 21 Uhr: Die Polizei Konstanz (Bildmitte) wird zu einem Einsatz gerufen. Ein Mann randaliert vor dem Seerhein Center. | Bild: Steinert, Kerstin

Ein zweites Polizeiauto mit weiteren Beamten rückt an. Der Mann wird abgeführt. Die Menschentraube, die sich um die Szenerie gebildet hat, löst sich aber noch nicht auf. Es wird gemurmelt. „Das war krass. Er hat mit Flaschen geworden“, sagt ein Heranwachsender. „Ich hab ihn noch gefragt, ob das sein muss“, sagt eine Frau, die ein T-Shirt des Kauflandes trägt.

Wie Katrin Rosenthal, Pressesprecherin des Polizeipräsidiums Konstanz auf SÜDKURER-Nachfrage bestätigt, hat an jenem Samstagabend, 2. August, ein stark alkoholisierter 40-jähriger Obdachloser mit Flaschen vor dem Seerhein Center um sich geworfen. Eine Mitarbeiterin des Kauflandes habe daraufhin die Polizei alarmiert. „Solche Einsätze kommen vor, aber von ‚regelmäßig‘ würde ich hier nicht sprechen“, ordnet die Pressesprecherin den Vorfall ein.

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Tatsache ist aber auch, dass der Zähringerplatz immer wieder in Pressemitteilungen der Polizei Konstanz als Tatort auftaucht – zuletzt am 8. August. Damals schlug ein Unbekannter einem 30-Jährigen unvermittelt mit der Faust ins Gesicht und verschwand. Ende Juli attackierte ein Raucher dort einen jungen Mann, nachdem er mit diesem in einen Streit über eine weggeworfene Kippe geraten war. Im Juni griff ein Mann mehrere Passanten an und bedrohte sie mit einem Messer.

Ganz so schlimm kommt es jedoch am Samstagabend nicht. Trotzdem gehen einige Passanten mit einem mulmigen Gefühl einkaufen, zum Bus oder nach Hause. Dieses Gefühl herrscht an diesem Samstagabend vor, tagsüber zeigt sich der Platz aber in einem anderen Licht.

Was sagt der Kioskbetreiber über den Zähringerplatz?

Sinan Mora steht in seinem Kiosk direkt am Zähringerplatz neben der Haltestelle Richtung Stadtmitte. Die Kunden kommen und gehen. Kaufen Getränke, Süßigkeiten, Zeitungen und Fahrkarten. Es werden Witze gemacht, kurz über das Wetter geplaudert. Die Stimmung ist entspannt und gelöst.

Sinan Mora betreibt den Kiosk am Zähringerplatz. Sieben Tage die Woche steht er in dem Verkaufshäuschen und hat alles im Blick.
Sinan Mora betreibt den Kiosk am Zähringerplatz. Sieben Tage die Woche steht er in dem Verkaufshäuschen und hat alles im Blick. | Bild: Steinert, Kerstin

„Dass hier viel passiert, ist ein Klischee“, sagt der Kioskbetreiber. Sieben Tage die Woche stehe er in den kleinen Verkaufshäuschen. Er hat einen guten Überblick über das Geschehen auf dem belebten Platz. „Hier gibt es ein gutes Miteinander. Zwischen Jung und Alt“, sagt er.

Er schätzt auch sehr den Mix der verschiedenen Nationalitäten an diesem Platz. „Alle gehen sehr respektvoll miteinander um“, sagt er. Unsicher fühle er sich nicht. Da kommt schon die nächste Kundin an seinen Kiosk und will ein Päckchen Zigaretten. „Wirst du jetzt berühmt“, scherzt sie Richtung Sinan Mora, der gerade fotografiert wird.

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Und wie schildert eine Anwohnerin ihre Eindrücke?

Gute Laune hat auch Martina Braun. Sie wohnt seit über zehn Jahren über dem Einkaufszentrum und möchte es nicht missen. Die langjährige Anwohnerin hat dort schon einige Geschichten erlebt. Unsicher fühlt sie sich dennoch nicht, nur sei es manchmal etwas laut. „Früher war es hier schlimmer“ sagt sie und klimpert mit dem Haustürschlüssel in der Hand.

Im Gespräch mit dem SÜDKURIER filtert sie zwei Probleme raus, die es am Zähringerplatz ab und zu mal gibt. Zum einen die Gruppe, die meist aus Männern bestehe, die am Eingang vor der Apotheke sitzen und Alkohol trinken. Zum anderen, dass Fahrräder manchmal nur eine kurze Verweilzeit Zähringerplatz fristen.

Am Zähringerplatz ist immer viel los. Tagsüber gehen die Menschen dort einkaufen oder nutzen den Platz zum Umsteigen in die Busse.
Am Zähringerplatz ist immer viel los. Tagsüber gehen die Menschen dort einkaufen oder nutzen den Platz zum Umsteigen in die Busse. | Bild: Steinert, Kerstin

Und immer wieder verschwinden Fahrräder am „Zähri“...

In der Vergangenheit seien ihr schon fünf oder sechs Fahrräder geklaut worden. „Mittlerweile nehmen wir alle Räder hoch in die Wohnung“, sagt Martina Braun. Sie erinnert sich an eine Begebenheit. „Vor zwei oder drei Jahren habe ich einen Jugendlichen beobachtet, der systematisch an den Schlössern von Fahrräder gerüttelt hat. Ich habe ihn gefragt, was das solle. Er meinte nur, brauche halt ein Fahrrad“, erzählt sie und schüttelt leicht den Kopf. „Aber wie gesagt, das ist schon ein paar Jahre her“, ergänzt sie nochmals.

Auch Silvana Neres ist etwas besorgt um ihr Rad. Mit einer dicken Kette schließt sie ihr Rad am Nachmittag ab. Aber nicht an den offiziellen Fahrradständern beim Eingang zur Apotheke, sondern beim Eingang zum japanischen Restaurant. „Ich fühle mich unwohl bei den offiziellen Fahrradständern“, sagt Neres und nickt in die Richtung der Radständer. Warum? „Wegen der Menschen, die den ganzen Tag dort sitzen und trinken“, rückt sie schließlich mit der Sprache raus.

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Wahrscheinlich sind diese Gruppen schon vielen Besuchern und Anwohnern am Zähringerplatz aufgefallen. Sinan Mora kennt sie ebenfalls. Er tritt aus seinem Kiosk heraus, blickt hinüber. Dann winkt er ab. „Das ist eine nette italienische Männergruppe, die sich hier öfter zum Kaffeeplausch trifft“, sagt er.

Dann deutet er zu zwei Männern, die etwas abseits sitzen. Sie haben Bierflaschen in der Hand, einer liegt auf dem Rücken. Er wirkt weggetreten. Einer der zwei Männer wird der Mann sein, der am Abend von der Polizei abgeholt wird. „Das ist eine andere Gruppe. Die mischen sich nie“, sagt er. Er vermutet, die Männer seien obdachlos.

Sinan Mora, Kiosk-Betreiber, kennt die verschiedenen Gruppen, die sich am Zähringerplatz treffen.
Sinan Mora, Kiosk-Betreiber, kennt die verschiedenen Gruppen, die sich am Zähringerplatz treffen. | Bild: Steinert, Kerstin

„Eingeschworene Gruppe“ trifft sich hier zum Austausch

Das trifft allerdings nicht auf die vierköpfige Männergruppe zu. Von ihnen schallt Gelächter über den Platz. Sie verwandeln den Zähringerplatz in eine italienische Piazza. Einer von ihnen ist Giovanni Bergamasco, der (ganz im italienischen Stil) mit seiner Vespa gekommen ist. Bergamasco entpuppt sich als so eine Art Sprecher des Quartetts. „Wir sind eine eingeschworene Gruppe“, sagt er.

Wenn das Wetter schön sei, so wie an diesem Samstagnachmittag, ziehe es sie an den Zähringerplatz. Mal seien es vier oder fünf Freunde, mal ein paar mehr. Nicht täglich, aber oft würden sie sich dort treffen und sich austauschen. Natürlich auf italienisch!

Vito Polina (von links), Giovanni Bergamasco, Franco Deliso und Markus Rägler genießen das Flair am Zähringerplatz. Alle Männer haben ...
Vito Polina (von links), Giovanni Bergamasco, Franco Deliso und Markus Rägler genießen das Flair am Zähringerplatz. Alle Männer haben italienisches Blut in sich und verwandeln den Zähringerplatz in eine Piazza. | Bild: Steinert, Kerstin

„Wir treffen uns lieber hier als in einer Gaststätte“, sagt Giovanni Bergamasco. Sie mögen das Flair an diesem Platz einfach. Es sei zwar nicht Italien, aber ein Ort, an dem sie sich wirklich wohlfühlen.