Je kleiner, desto besser: Unter anderem mit dieser Vorgabe geht die Stadt Konstanz in die Ausschreibung für das Seenachtfest ab 2026. Wer es so groß plant wie bisher – vom Yachthafen bis Klein Venedig –, erhält dabei Minuspunkte. Auch ein Feuerwerk bringt keinen Bonus, erwartet wird nur noch ein „Höhepunkt“, wobei „alternative Vorschläge für einen festlichen Abschluss“ sogar „bei der Auswahl positiv berücksichtigt“ werden, wie die Stadtverwaltung nun mitteilt.
Der Gemeinderatsbeschluss – so sagen es Teilnehmer der nicht-öffentlichen Sitzung übereinstimmend – kam erst nach einer intensiven und streckenweise ruppigen Diskussion zustande. Die Stadtverwaltung veröffentlichte im Nachgang lediglich eine Pressemitteilung, in der dazu nichts zu lesen ist.
Nach Informationen des SÜDKURIER kamen die Mehrheiten aber mehrfach nur knapp zusammen. Zugleich prallten demnach in der Sitzung grundlegend unterschiedliche Haltungen aufeinander – insbesondere zur Frage, ob mit dem Seenachtfest grundsätzliche politische Ziele wie Ökologie oder Gleichstellung verfolgt werden sollen.

Was für ein Seenachtfest wünscht sich der Gemeinderat?
Von einem einheitlichen Bild kann weiterhin keine Rede sein. Beschlossen hat die Politik laut dem SÜDKURIER vorliegenden Dokumenten mehrheitlich eine Ausschreibung, die ein Veranstaltungs-, Marketing-, Sozial- und Flächenkonzept fordert. Für jeden Bereich gibt es Punkte, die für den Zuschlag mitentscheidend sind. Das war offenbar der Kompromiss, nachdem das Thema im Vorfeld, insbesondere in einer nicht-öffentlichen Beratung am 20. März, vollends zum politischen Desaster zu werden drohte.
In Summe können Bewerbungen bis zu 100 Punkte erreichen. Wer das Seenachtfest wie bisher ausrichten will, inklusive Seestraße, Hafenstraße und Klein-Venedig, bekommt zum Beispiel zehn Punkte Abzug. Einen Malus erhält auch, wer zwar Pfandgeschirr einsetzt, aber keine Rücknahme an jedem Stand garantiert.
Positiv gewertet werden unter anderem eine Zusammenarbeit mit den Konstanzer Partnerstädten, die Schaffung von Fahrradabstellflächen, ein über die geforderten 40 Prozent hinausgehender Anteil veganer oder vegetarischer Gerichte aus regionaler Produktion oder die Einbindung regionaler Betriebe und Vereine.
Bekommt der OB nun sein gewünschtes kleineres Fest?
Das hängt von den Bewerbungen ab. Auf jeden Fall ist die Tür dafür weit offen, dass das Seenachtfest künftig nur noch im Stadtgarten und vor dem Konzil stattfindet. Das käme den Vorstellungen von Oberbürgermeister Uli Burchardt wohl am nächsten. Im Stadtgarten ist die Besucherzahl bereits auf 12.000 begrenzt. Gut möglich also, dass es ein Fest mit 25.000 oder 30.000 zahlenden Gästen nicht mehr gibt.
Was in so einem Fall an der Seestraße oder Klein Venedig passieren würde, ist unklar. Anzunehmen ist aber, dass viele Konstanzer dort hingehen würden, schon um sich das Schweizer Feuerwerk kostenlos anzusehen.

Wie viel Freiheit haben Veranstalter noch?
Grundsätzlich haben sie viele Freiheiten, solange sie die Mindeststandards der Stadt einhalten. Dazu gehörten zum Beispiel der Veggie-Anteil von 40 Prozent, die Nutzung von Mehrweggeschirr oder die Ausrichtung der drei Sommernächte-Abende vor dem Fest ohne Eintrittsgebühr.
Auf der anderen Seite trifft der nun erfolgte Ratsbeschluss auch weitgehende programmatische Festlegungen. So soll das Fest „nachhaltiger/ökologischer, regionaler, bürgernäher“ werden. Was nicht innerhalb dieses Korridors wahrgenommen wird, dürfte kaum die Chance auf einen Zuschlag haben.

Wird es genügend Bewerbungen um die Ausrichtung geben?
Das ist schwer zu sagen. Grundsätzlich geht die Bereitschaft zur Ausrichtung von Großveranstaltungen eher zurück, unter anderem wegen immer strengerer Auflagen von Behörden. Auf der anderen Seite ist „Konstanzer Seenachtfest“ eine national bekannte Marke, und mit der Ausrichtung lässt sich durchaus Geld verdienen, wie die vergangenen Jahrzehnte zeigen.
Dennoch gibt es im Gemeinderat teils Zweifel, ob die nun beschlossene Ausschreibung das Korsett zu eng schnürt und deshalb viele Interessenten nichts einreichen. Vor allem im bürgerlichen Lager, so heißt es aus der Sitzung, hätte man sich gewünscht, die Kriterien lockerer zu fassen und dem Veranstalter – der ja auch das volle finanzielle Risiko tragen muss, während die Stadt ihre Gebühren auf jeden Fall bekommt – mehr Freiheiten zu lassen.
Was ist, wenn niemand das Seenachtfest ab 2026 ausrichten will?
Im Kern genügt eine einzige Bewerbung, die die Kriterien erfüllt, dann muss die Stadt ihr den Zuschlag erteilen. Geht aber gar keine ein, oder werden die vom Rat beschlossenen Bedingungen nicht erfüllt, könnte das darauf hinauslaufen, dass 2025 erst einmal das letzte Seenachtfest stattgefunden hat. Denn für die aktuellen Veranstalter läuft der Vertrag nach dem diesjährigen Fest am Samstag, 9. August, aus.
Wie geht es mit den Schweizer Nachbarn weiter?
Hier bleibt die Ausschreibung eher vage. So heißt es nur, dass das Konstanzer Seenachtfest am selben Tag wie das Fantastical stattfinden soll – „traditionell ist dies der zweite Samstag im August“. Und während eine Kooperation mit Konstanzer Partnerstädten wie Lodi, Richmond oder Tabor ausdrücklich begrüßt wird, ist von der Stadt Kreuzlingen in den Beratungsunterlagen keine Rede.
Auch ein über die Grenze abgestimmtes Feuerwerk in gewohnter Form, mit gemeinsamem Finale, ist nicht ausdrücklich beschrieben. Zum geforderten festlichen „Höhepunkt“ heißt es in der Leistungsbeschreibung nur: „Ein hochwertiges Feuerwerk ist weiterhin möglich, jedoch sind alternative Lösungen willkommen und werden positiv in der Bewertung berücksichtigt.“
Warum lief das alles hinter verschlossenen Türen?
Mit dem abermals in nicht-öffentlicher Sitzung gefassten Beschluss hat die Stadt Konstanz ohne Bürgerbeteiligung wesentliche Festlegungen für ein zentrales Fest im Konstanzer Jahreslauf getroffen: von der Festlegung, dass es überhaupt noch stattfinden soll, über das Prinzip der Vergabe an einen gewinnorientierten Ausrichter bis zur Prämisse, dass ein kleinerer Rahmen und ein Höhepunkt ohne Feuerwerk bevorzugt werden.
Warum es darüber keinerlei öffentliche Debatte geben durfte, das verstehen auch manche Stadträte nicht. Die Stadtverwaltung begründet ihr Vorgehen wörtlich so: „Hintergrund für die vertrauliche Behandlung ist der Schutz des Ausschreibungsverfahrens: Details zu den Vergabekriterien dürfen aus Gründen der Gleichbehandlung erst mit der offiziellen Ausschreibung veröffentlicht werden.“ Dies solle „in den nächsten Wochen“ der Fall sein.