„Wir befinden uns im Wettbewerb mit anderen Städten in Deutschland“, stellte OB Uli Burchardt jüngst bei der Versammlung der Händlervereinigung Treffpunkt Konstanz fest, bemerkte allerdings: „Konstanz braucht nicht mehr Sichtbarkeit.“ Über das Seenachtfest sagte er: „Mein persönlicher Rat: Verkleinern. Das sieht die Hälfte der Bevölkerung wie ich.“
Treffpunkt-Vorstandsmitglied Stefan Niethammer entgegnete jedoch: „Wir stehen in Konkurrenz und müssen uns sichtbar machen. Lieber ein schönes Seenachtfest als eine leere Innenstadt.“ Kontra bekommt der OB auch vom Stadtverband der Jungen Union, der sich in einer Mitteilung „entschieden gegen die Verkleinerung des Seenachtfestes und die Abschaffung des Feuerwerks“ ausspricht.
Neben der kulturellen Bedeutung der „beliebten und identitätsstiftenden Veranstaltung“ profitiere auch „der Haushalt der wirtschaftlich angeschlagenen Stadt Konstanz enorm vom Seenachtfest“. Das Fest „dient als beste Werbung, um neue Besucher“ zu gewinnen, so die JU, die den Gemeinderat auffordert, das Seenachtfest in der bisherigen Form zu erhalten.

„Bewusst geschäftsschädigende Einstellung“
Benjamin Güller, Vorsitzender des Konstanzer Tourismusfördervereins Kontour, ist fassungslos: „Wie kommt man auf die Idee, eine funktionierende Traditionsveranstaltung, die Geld bringt, infrage zu stellen?“ Gegenüber dem SÜDKURIER spricht er von einer „bewusst geschäftsschädigenden Einstellung des OB“. Die Stadt, die nicht in Geld schwimme, solle glücklich sein, dass die Veranstaltung, die sich zwischenzeitlich auf unter 40.000 Besucher eingependelt habe, funktioniere.

Für die Verwendung der Marke Seenachtfest erhält die Marketing und Tourismus Konstanz GmbH (MTK) vom Veranstalter eine Lizenzgebühr, bestätigt MTK-Pressesprecherin Isabelle Klauser. „Der Betrag ist gestaffelt nach der Besucherzahl beim Seenachtfest: Grundbetrag 2.500 Euro im Jahr, also pro Veranstaltung. Bei über 32.000 zahlenden Besuchern fällt zusätzlich ein Euro pro weiterem Besucher an.“ Die KLE Seenachtfest GmbH als aktuelle Veranstalterin zahle zudem „zehntausende Euro Genehmigungsgebühren an die Stadt Konstanz und das Landratsamt“, wie Thommy Spörrer von KLE berichtet.
Die Bodensee-Schiffsbetriebe als städtischer Tochterbetrieb profitiere ebenfalls, so Benjamin Güller. „Die Einnahmen aus dem Seenachtfest betragen rund 9,5 Prozent der Umsatzerlöse aus dem Rund- und Ausflugsverkehr und sind daher eine unverzichtbare Einnahmequelle der BSB“, schreibt die Pressestelle der Stadtwerke. Ein Wegfall des Konstanzer Feuerwerks bedeute für die BSB „einen Umsatzrückgang von nahezu 100.000 Euro“.
Das Seenachtfest ist für die Bodenseeregion von Bedeutung. Es „ist für die Vorarlberg Lines ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor, gerade in schwierigen Zeiten wie diesen“, schreibt Alexandro Rupp von der AR Schifffahrtsholding GmbH in Bregenz auf SÜDKURIER-Anfrage.
„Sollte Konstanz auf dieses Feuerwerk verzichten, gerade in diesen nicht gerade rosigen Zeiten, wäre dies für die Gesellschaft ein absolut schlechtes Zeichen, eine Freude einfach zu streichen. Denn die Mehrheit der Bevölkerung steht sicher hinter dem Ereignis“, ist Rupp überzeugt. „Für uns wäre es der Verlust des umsatzstärksten Tages der Saison“, so Rupp, der konkretisiert: ein „hoher fünfstelliger Betrag allein für die Schifffahrt und dasselbe für die Gastronomie, Musiker und sonstige Partner“.
Wichtige Einnahmequelle für Vereine
Auch Vereine verdienen an diesem Fest. „Im Rahmenprogramm binden wir immer viele Konstanzer Akteure ein, oft kriegen die Vereine in den Sommerferien aber auch einfach ihre Leute nicht zusammen“, berichtet Elke Cosmo, Pressesprecherin von KLE Seenachtfest GmbH.
„Es ist eine ganz große Einnahmequelle für uns“, stellt Claudia Dannecker, Vorsitzender des Narrenvereins Konstanzer Seegeister, fest. „Wir machen an drei bis vier Stellen die Kasse und weisen am Döbele Busse ein“, schildert sie. „Für uns ist das gut verdientes und sicheres Geld, ohne viel Aufwand“, sagt sie.

Einen Stand bei einem Fest zu betreiben, sei hingegen sehr aufwendig, kostenintensiv und mit Wetterrisiko verbunden. Einnahmen brauche der Verein, der auch zu Narrentreffen fahre. „Ein Bus ist etwa ein Drittel teurer geworden als vor Corona“, schildert Dannecker, die anfügt: „Ich bin mit dem Seenachtfest groß geworden. Ohne Feuerwerk ist es für mich unvorstellbar. Und die Besucher muss Konstanz verarbeiten können“, zumal es früher viel mehr Gäste gewesen seien.
Der Musikverein Allmannsdorf ist seit Jahrzehnten Bestandteil des Unterhaltungsprogramms in der Seestraße, wo es „viel lokales und regionales Publikum gibt“, so deren Vorsitzende Simone Strauf. Für den Musikverein sei es einer von mehreren bezahlten Auftritten. Allerdings gibt es „immer weniger Gelegenheiten, Unterhaltungsmusik gegen Geld zu machen“, so Strauf. „Viele denken, weil wir ein Verein sind, müssten wir umsonst spielen.“

Kult-Event hat besondere Bedeutung
Nach dem Konzert blieben die meisten Musiker in der Seestraße, um sich das Feuerwerk anzuschauen, berichtet Simone Strauf. „Das Feuerwerk scheint nicht mehr so zeitgemäß zu sein, andererseits gehört es dazu. Es ist natürlich das Highlight“, so Strauf, die überlegt: „Ob der Verzicht der entscheidende Beitrag zum Klimaschutz wäre, weiß ich nicht.“
„Wer soll den Klimaschutz finanzieren, wenn es keine florierende Wirtschaft gibt?“, fragt sich Benjamin Güller. Er kommt auf die von der Stadt genehmigten neuen Hotelbauten zu sprechen, die seiner Ansicht nach nicht dem vom Gemeinderat beschlossenen Tourismus-Konzept entsprechen, da alle in der gleichen Kategorie rangierten.
In Anbetracht solch einer Erhöhung der Bettenkapazitäten, komme dem „Kult-Event“ Seenachtfest „mit einem der größten Seefeuerwerke Europas“ eine wesentliche Bedeutung zu, denn, so Güller: „Diese Strahlkraft braucht es, sonst werden wir vergessen. Wenn wir nichts machen, wird Konstanz zur Rentnerstadt.“