Das Seenachtfest soll kleiner werden, und auch das Feuerwerk wird wieder einmal infrage gestellt. Alle paar Jahre steht diese Forderung in der Diskussion. Die einen wünschen sich ein kleines Stadtfestle ohne Feuerwerk zum Schutz von Tieren und Umwelt, die anderen freuen sich über den Anlass mit dem pyrotechnischen Höhepunkt, wobei viele in der Stadt von der Veranstaltung profitieren.
Die Debatten werden vor allem emotional geführt. Ein Blick auf die Geschichte zeigt aber: Von Rekordbesucherzahlen kann längst nicht mehr die Rede sein. Das Traditionsfest hat sich schon kleiner geschrumpft und ist in den letzten Jahren regionaler geworden.
Gerade wegen des Feuerwerks kommen die Besucher zum Seenachtfest. Für Tiere ist Knallerei per se furchtbar. Aber ist es umweltbelastend? Die Feinstaubmenge von Höhenfeuerwerken, dazu zählt auch jenes beim Seenachtfest, sei nur ein Bruchteil derer zu Silvester, heißt es in einer im Dezember 2023 erschienenen Broschüre des Umweltbundesamts.
Der überwiegende Teil der von Feuerwerk verursachten rund 2.050 Tonnen Feinstaub (ein bis 2,5 Prozent des in Deutschland insgesamt ausgestoßenen Feinstaubs pro Jahr) gelange jedoch in der Silvesternacht in die Luft. Ein Feuerwerks- und Böllerverbot an Silvester ist daher sinnvoller. Auch für Tiere wäre das gut, denn diese Böllerei erstreckt sich über Tage und ist unkalkulierbar im Gegensatz zu einem zeitlich und örtlich begrenzten Profifeuerwerk.
Hohe Erwartungen und finanzielles Defizit
Das Feuerwerk ist überdies schon immer Markenzeichen des Seenachtfests, das nach dem Zweiten Weltkrieg 1949 in Konstanz wieder eingeführt wurde. 1980 kam das jähe Aus, denn es hatte Gewalteskalationen von Rockerbanden gegeben. Besucherrekorde wurden nach der Wiederauflage 1987 gefeiert, wo laut SÜDKURIER-Berichterstattung 150.000 Besucher das Ufer im Konstanzer Trichter beidseits der Grenze säumten. 1991 waren es 100.000 Besucher in der seinerzeit knapp 73.000 Einwohner zählenden Stadt Konstanz.
Die Erwartungen und Ziele (75.000 Besucher) der Tourist-Information Konstanz (Tik) als seinerzeitige Veranstalterin waren auch Anfang der 2000er Jahre hoch. Gewalttaten, Besucherschwund und finanzielle Defizite kennzeichneten jedoch das Fest. 2004 stand es auf der Kippe.
Der Gemeinderat folgte letztlich dem Wunsch der Tik, das Fest und das Risiko für die wetterabhängige Veranstaltung in die Hände privater Veranstalter zu legen. Damit fuhr die Stadt gut: Statt Defizite tragen zu müssen, verdiente sie unter anderem an Gewinnbeteiligung, Gebühren und hatte ein kostenloses Marketing-Instrument für die Urlaubsdestination Konstanz.
Nur noch ein Viertel einstiger Besucherrekorde
OB Uli Burchardt schrieb zuletzt in einer Stellungnahme zum Seenachtfest: „Ich empfehle meiner Stadt Konstanz, das Fest zu verkleinern und regionaler auszurichten.“ Dabei hat sich das Seenachtfest mit den privaten Veranstaltern schon zu einer kleineren, relativ friedlichen und dank Mehrweggeschirr überwiegend sauberen Veranstaltung entwickelt.
In den Nach-Pandemie-Jahren haben sich die Besucherzahlen auf 35.000 bis 37.000 eingependelt. Das Traditionsfest ist also mit einem Viertel der einstigen Rekordjahre bereits kleiner und das Angebot, explizit im Stadtgarten, regionaler und nachhaltiger geworden.
Die Veranstaltungsfläche zu verkleinern, ist nicht sinnvoll. Aufgrund der Weitläufigkeit kann Gedränge vermieden werden, was zur Sicherheit der Besucher beiträgt. Fällt eine Fläche heraus, dann wird es im Veranstaltungsraum enger. Da Kreuzlingen ein Feuerwerk beibehalten will, ist davon auszugehen, dass Zaungäste die Uferbereiche, auf denen kein Eintritt verlangt wird, bevölkern werden. Wer wird dort für Sicherheit sorgen? Auf jeden Fall nicht der Seenachtfestveranstalter.
Die Stadt hat wenige Events mit Strahlkraft
Noch weniger Besucher als in den letzten Jahren wird sich wohl kaum ein Veranstalter leisten können. Politik und Verwaltung sollten sich doch freuen, dass ein anderer die Verantwortung für die Traditionsmarke Seenachtfest in die Zukunft führt. Das ist wertvolles und zugleich kostenloses Standortmarketing über die Region hinaus. Vom Tourismus lebt Konstanz in der nach-industriellen Zeit schließlich größtenteils.
Das Seenachtfest ist – neben dem grenzüberschreitenden Flohmarkt und dem Weihnachtsmarkt – die einzige Veranstaltung mit Strahlkraft, der auch ein Alleinstellungsmerkmal anhaftet. Es ist eine der wenigen größeren Events für Einheimische und Touristen, von denen viele nicht nur einen Tag in Konstanz verbringen, gerne wiederkommen und hier Arbeit und Wohlstand sichern. Davon haben viele etwas. Und: Wenn Konstanz nicht mehr Tourismus gewollt hätte, hätte die Stadt ehrlicherweise auch Nein sagen müssen zum Asisi-Panorama oder zu immer neuen Hotelbauten.
Konstanz gefährdet die Rolle als Oberzentrum
Kleinere Feste für Konstanzer gibt es. Eine Stadt, die Oberzentrum ist und sein will, sollte aber größere Events als Aushängeschild pflegen. Andere Städte wären stolz und glücklich, wenn sie ein Seenachtfest hätten. Das, was wir in Konstanz noch haben, sollten wir wertschätzen, denn der Veranstaltungskalender ist um einige Besuchermagnete ärmer geworden, darunter Altstadtlauf und Oktoberfest. Konstanz als größte Stadt am See entwickelt sich mit aktuell rund 88.000 Einwohnern Richtung Großstadt. Statt großstädtischem Denken will man aber Klein-Klein.
Der Stadt stünde es gut, den Facettenreichtum an Veranstaltungen, die die Menschen zusammenbringen und den Wirtschaftsstandort stützen, zu fördern, anstatt sogar Althergebrachtes einstampfen zu wollen. Tut sie es nicht, dann wird sie sich über kurz oder lang von der oberzentralen Rolle – zugunsten von Singen? – verabschieden müssen und verkommt dann möglicherweise zur Schlafstadt.