Kaum tritt Jaqueline Bollmann in das mit Bäumen, Ästen und Kobeln ausgestattete Gehege, das beinahe das komplette Zimmer ausfüllt, werden die Eichhörnchen aktiv. Sie wissen: Jetzt gibt es Futter! Doch dann ist Zurückhaltung angesagt, denn neben der bekannten Eichhörnchen-Adoptivmutter steht ein fremder Zweibeiner mit einer großen Kamera.

Dem rotbraunen Eichhörnchen Lisa ist das absolut suspekt. Hercules jedoch ist interessiert und posiert nach einigen Minuten extra für die Kamera. Jacqueline und Christiane Bollmann staunen. Dass gerade Hercules sich als Model erweisen würde, hätten sie nicht erwartet.

Klettern, toben, verstecken: In dem großen Gehege können die kleinen Rabauken ihre Geschicklichkeit trainieren.
Klettern, toben, verstecken: In dem großen Gehege können die kleinen Rabauken ihre Geschicklichkeit trainieren. | Bild: Scherrer, Aurelia

„Wir führen das Lebenswerk von Ute Dolle in ihrem Sinn weiter“, sagen Jacqueline und Christiane Bollmann unisono. Mehr als dreizehn Jahre lang hatte sich die als Eichhörnchenfrau bekannte Konstanzerin Ute Dolle um das Wohl der possierlichen Nager aufopfernd gekümmert und hunderten Eichhörnchen das Leben gerettet.

Einführung in die Nagerwelt

Ute Dolle war zeitlebens eine optimistische Kämpferin. Sie kämpfte um jedes einzelne Tierleben und letztlich um ihr eigenes. Aufgrund ihrer Krebserkrankung suchte sie zeitnah geeignete Nachfolger, die sich künftig um die kleinen, hilflosen Lebewesen kümmern sollten.

Ute Dolle ist vor kurzem verstorben, doch ihr Lebenswerk wird von Jacqueline und Christiane Bollmann weitergeführt. Sie wurden von der engagierten, fachkundigen und liebenswerten Eichhörnchen-Fachfrau in die spezifische Nagerwelt eingeführt.

Frühzeitig hatte sich um Ute Dolle eine Eichhörnchen-Gruppe firmiert, um sie in ihrem Engagement zu unterstützen.

Das Anfänger-Eichhörnchen Chip

Eines Morgens im vergangenen Jahr kam ein Anruf von Ute Dolle, erzählt Jacqueline Bollmann. „Sie hat gesagt, sie hätte das perfekte Anfänger-Eichhörnchen.“ Anfänger-Eichhörnchen sind jene Tiere, bei denen die Überlebens-Chancen am höchsten sind. Chip erwies sich als ideal.

„Er war vier oder fünf Wochen alt, vom Allgemeinzustand in Ordnung, nicht schwer dehydriert und hat die Milch angenommen“, berichtet Christiane Bollmann. So kamen Bollmanns zu ihrem ersten Eichhörnchen. „Und dann ging es Schlag auf Schlag“, schmunzelt Jacqueline Bollmann.

Junge Eichhörnchen werden mit einer speziellen Wildtieraufzuchtmilch aufgepäppelt.
Junge Eichhörnchen werden mit einer speziellen Wildtieraufzuchtmilch aufgepäppelt. | Bild: Scherrer, Aurelia

„Bereits drei Tage später bekamen wir drei kleine Würmchen, gerade mal zwei Wochen alt, 26 Gramm und etwa daumengroß.“ Die Frauen trugen die Minis abwechselnd am Körper, denn die Kleinen brauchen sowohl Körperwärme, als auch das Spüren des Herzschlags, und legten sie in das Wärmebett, damit sie zur Ruhe und zu Kräften kommen.

„Wir waren permanent mit Ute in Kontakt“, so Jaqueline Bollmann, denn viele Fragen ergaben sich erst in der Praxis. Sie greifen auf die Erfahrung von weiteren versierten Eichhörnchen-Spezialisten zurück, mit denen sie in engem Kontakt sind, und sind froh, dass ihnen insbesondere Tierärztin Doris Bicking ebenfalls mit Rat und Tat zur Seite steht.

Das Sorgenkind Lisa

Dann kam Lisa, das Sorgenkind. „Die ersten zwei Tage ging alles gut“, erzählt Christiane Bollmann. Aber dann hat das Tierchen plötzlich mit dem Kopf gewackelt. Es war rasch klar: Lisa ist behindert.

Viel Platz in einem großen Gehege: Lisa schaut vorsichtig, was da so los ist.
Viel Platz in einem großen Gehege: Lisa schaut vorsichtig, was da so los ist. | Bild: Scherrer, Aurelia

„Erst mit zwölf Wochen konnte sie selbst Pipi machen, normal wären sieben Wochen. Auf den Hinterbeinen sitzen konnte sie erst mit zehn Wochen, normal sind fünf“, schildert Jacqueline Bollmann. Fluchtverhalten? Ein Fremdwort für Lisa. Der Zusammenhalt unter den Hörnchen, die eigentlich Einzelgänger sind, ließ die beiden Frauen staunen. „Die anderen sind immer wieder zu Lisa hin und haben mit ihr geredet.“

Über jedes Tier wird Protokoll geführt

Jedes Pflegetier bekommt einen Namen, wird fotografiert und über jede kleine Persönlichkeit wird Buch geführt, wobei alles genau protokolliert wird. Größe, Gewicht, aufgenommene Nahrungsmenge mitsamt Uhrzeit sowie – falls benötigt – Medikamente.

Bei Luna beispielsweise sind die Protokolle lang. Drei Tage und drei Nächte kämpften die Frauen um das Leben des Tierchens, das nicht nur eine Lungenentzündung hatte, sondern auf einem Auge nichts sah. „Wir haben sie gerade so über den Berg gebracht“, stellt Jacqueline Bollmann fest und fügt an: „Mit Antibiotika haben wir sogar ihr Auge wieder hinbekommen.“

Tränen um Alf

Eben diese Erfolgsgeschichten motivieren die Eichhörnchen-Retterinnen und geben Kraft, denn nicht jedes Leben können sie retten. Alf, um dessen Leben sie eine Nacht lang gekämpft haben, hat es nicht geschafft. Noch immer steigen Tränen in die Augen von Jacqueline und Christiane Bollmann, wenn sie von Alf reden, denn ihre Herzen hängen an jedem Tier.

Groß ist aber ihre Freude, wenn die kleinen Racker ausgewildert werden können. In einem Wald außerhalb von Konstanz steht ihnen ein großes Auswilderungsgehege zur Verfügung. Hier bringen Christiane und Jaqueline Bollmann auch jede Woche zusätzliches Futter für die Ex-Pfleglinge mit.

Spenden sind dringend nötig

Auf Sach- und Geldspenden sind Christiane und Jacqueline Bollmann von der Eichhörnchen-Auffangstation dringend angewiesen, denn das Aufpäppeln der hilflosen Wildtiere ist nicht nur aufwändig, sondern auch kostenintensiv.

„Die Spezial-Wildtieraufzuchtmilch, die am besten verträglich ist, müssen wir in den USA bestellen. Allein der Transport kostet schon 70 Euro“, so Jacqueline Bollmann. 500 Kilogramm Nüsse pro Jahr sind das Mindeste, was sie benötigen; Obst und weitere Leckereien auf dem ausgewogenen Speiseplan nicht zu vergessen plus die Ausstattung für die Gehege. Für jede Hilfe sind die beiden engagierten Eichhörnchen-Retterinnen dankbar.