Die Politik hat den Zug verpasst. Dieses Eingeständnis bildete die Grundlage des Bodensee-Bahnforums, das dieser Tage unter Federführung des Bundestagsabgeordneten und bahnpolitischen Sprechers der Grünen, Matthias Gastel, im Singener Rathaus stattfand. Im Schlepptau befanden sich die Grünen-Landtagsabgeordneten Dorothea Wehinger (Wahlkreis Singen/Stockach) und Nese Erikli (Wahlkreis Konstanz/Radolfzell), Vertreter der Deutschen und Schweizer Bahn sowie Lokalpolitiker und Interessensvertreter für die Verbesserung des Schienenverkehrs.

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Für Matthias Gastel werden die Defizite des Schienenverkehrs im Grenzgebiet zur Schweiz besonders deutlich. „In der Schweiz sind die Menschen stolz auf ihre Bahn“, sagte der Bundespolitiker. Die Umwandlung Deutschlands von einem Auto- zu einem Bahnland erfordere eine von der Bevölkerung getragene Bewegung für den Ausbau der Infrastruktur. Erst durch diesen Druck lasse sich in der verfahrenen Situation etwas bewirken.

Das Bodensee-Bahnforum, so die Vorstellung von Matthias Gastel und seiner Mitstreiter, soll parallel dazu für Transparenz der jeweiligen Planungsstände sorgen. Das erste Ergebnis der Bestandsaufnahme: Es gibt viel Soll und wenig Haben – hier die Beurteilung während des Treffens zu folgenden Strecken. 

Die Gäubahn

Der Ausbau ist beschlossen, aber für eine verlässliche (und im Idealfall schnellere) Verbindung von Singen nach Stuttgart sieht‘s eher schlecht aus. Ein Grund: Durch die Bauarbeiten an der Infrastruktur wird es über Jahre zu Verzögerungen bis hin zu Stilllegungen kommen.

„Wäre die Gäubahn eine Straße, dann wäre sie längst zweispurig ausgebaut.“Matthias Gastel, Bundestagsabgeordneter und ...
„Wäre die Gäubahn eine Straße, dann wäre sie längst zweispurig ausgebaut.“Matthias Gastel, Bundestagsabgeordneter und bahnpolitischer Sprecher der Grünen. Links von ihm die Landtagsabgeordnete Nese Erikli. | Bild: Tesche, Sabine

Die Bodenseegürtelbahn

Laut Ronald Heil, dem Projektleiter für die Hochrhein- und Bodenseegürtelbahn, ist in diesem Fall „die Kosten- und Zeitschie­ne relativ klar“. Vorgesehen sind hier die Elektrifizierung und der zweigleisige Ausbau, der Teufel liegt allerdings im Detail. So sind die Kommunen an dem Projekt beteiligt, die Vielfalt der Akteure macht die Umsetzung zu einer komplexen Herausforderung. Laut Grünen-Kreisrat Siegfried Lehmann sind die Kommunen prinzipiell mit anderen Aufgaben ausreichend beschäftigt. „Es ist einfach ein Krampf, wie das Ganze aufgesetzt ist.“

Die Hochrhein-Bahn

Hier läuft‘s nach einem überschaubaren Plan. Die Infrastruktur-Verbesserungen wie die Elektrifizierung oder Bahnsteigverlängerung dürften laut Ronald Heil zwischen 2025 und 2027 abgeschlossen sein. Ein Teil der Strecke ist bereits elektrifiziert.

Der Seehas

Das Vorzeigeprojekt verdankt seine Qualität vor allem dem Umstand, dass es von der Schweizerischen Bundesbahn (SBB) betrieben wird. Allerdings bewegen sich die SBB-Züge nicht im luftleeren Raum, so haben nach Angaben des SBB-Vertreters Patrick Altenburger die Unberechenbarkeiten der Gäubahn Auswirkungen auf die Taktung des Seehas – was auch bei der bevorstehenden Sanierung der Bahnübergänge zwischen Allensbach und Radolfzell der Fall sein dürfte. Während der geplanten 49-tägigen Sperrung der Strecke müssen die Fahrgäste auf dem betreffenden Abschnitt auf Busse umsteigen.

„Ich gebe nicht mehr viel auf Zusagen von Politik und Bahn. Die Privatisierung der Bahn war einfach ein Fehler.“Bernd ...
„Ich gebe nicht mehr viel auf Zusagen von Politik und Bahn. Die Privatisierung der Bahn war einfach ein Fehler.“Bernd Häusler, Oberbürgermeister von Singen | Bild: Tesche, Sabine

Die Ablachtalbahn

Die Kluft zwischen den seit Jahren erhobenen Forderungen für den Ausbau des Schienenverkehrs und der tatsächlichen Entwicklung verdeutlichte Meßkirchs Bürgermeister Arne Zwick am Beispiel der Ablachtalbahn. „Wenn man die Fahrgastzahlen verdoppeln will, dann müssen auch irgendwo die Züge fahren“, so seine Argumentation zur besseren Erschließung des Bodensee-Hinterlands. Auch bei der Ablachtalbahn (in Verlängerung des Seehäsles von Radolfzell nach Stockach bis nach Mengen) gibt es viele Akteure. Von den sechs betroffenen Gemeinden ziehen laut Arne Zwick derzeit nur vier Kommunen an einem Strang.