„Wir sind bis zum letzten Moment geblieben“, sagt Lilja Chibatorowa. Mit ihren drei Kindern, das jüngste ein Säugling, lebt sie seit Kurzem in der Sporthalle der Zeppelin-Gewerbeschule. Geflohen ist die Kleinfamilie aus der ukrainischen Stadt Chernigov, nahe der belarussichen Grenze. „Wir wollten nicht weggehen, aber die Kinder hatten solche Angst.“
Zum ersten Mal seit dem ersten großen Flüchtlingszustrom in den Jahren 2015 und 2016 wird nun wieder eine Notunterkunft gebraucht. Immerhin ist die Sporthalle der Zeppelin-Gewerbeschule die erste Halle, die Flüchtlingen als Notunterkunft ein vorübergehendes Dach über dem Kopf bieten muss.
Leben zwischen Plastikplanen
Aktuell ist die Sporthalle mit 94 Personen belegt, alle sind Familien aus der Ukraine, die vor dem Krieg geflohen sind, erläutert Heimleiter Kevin Paulisch. Sie bewohnen mit Plastikplanen abgetrennte „Zimmer“, die es in verschiedenen Größen gibt: Sechser-, Zehner- und Zwölfer-Zimmer. Die größeren Einheiten sind für Großfamilien gedacht.

Mittagessen und Frühstück findet an Tischen mit Bierbänken auf den wenigen verbliebenen freien Flächen der Halle statt. Am Rand der Halle sind Kühlschränke aufgestellt – für jedes Zimmer einer. Es gibt Toiletten und Gemeinschaftsduschen, die normalerweise von den Schülern genutzt werden.

„Ich bin nur mitgekommen, damit meine Kinder Ruhe geben“, berichtet Iryna Berger aus Kirovograd, die nun ebenfalls in der Notunterkunft lebt. Sie wäre lieber in ihrer Heimat geblieben. Sie vertraue der ukrainischen Armee vollkommen, dass sie die Bevölkerung beschütze.
Gemeinsam seien sie zunächst nach Berlin geflohen, von dort in den Süden weiterverteilt worden. Nun also Konstanz. Wie man mit den Bedingungen in einer umfunktionierten Sporthalle lebt? „Die Umstände sind annehmbar“, sagt Iryna Berger, sie brauche zum Beispiel ärztliche Hilfe – und die bekomme sie hier.
Vermieter sind nun gefragt
Wie lange werden die Familien hier bleiben müssen? Das weiß auch Monika Brumm, Leiterin des Amts für Migration und Flüchtlinge am Landratsamt, nicht. „Wir haben allerdings einen hohen Abgang von Flüchtlingen in Anschlussunterbringungen. Deshalb hoffen wir, dass die Familien in der Kreissporthalle auch bald umziehen können“, sagt sie. Viele private Vermieter seien bereit, Kriegsflüchtlinge aufzunehmen.
Galina Gulenko, 37 Jahre alt, berichtet von schwer erträglichen Lebensbedingungen in ihrer Heimat. Sie stammt aus dem Kiewer Umland. „Dreimal täglich heulen die Sirenen, wir konnten das nicht mehr aushalten“, berichtet sie. Sie habe ein Baby und eine sechsjährige Tochter, den Kindern sei der Kriegszustand nicht mehr zuzumuten. Ganz in der Nähe ihres Heimatortes befinden sich die Orte, die inzwischen jeder als Orte von Kriegsverbrechen kennt: Irpin, Butscha, Hostomel.
Vom Wunsch nach Frieden
Gulenko spricht von Vergewaltigungen an Mädchen, von regelrechten Hinrichtungen von Zivilisten. Und trotzdem: „Ich wäre so gerne wieder zuhause“, sagt sie mit Bitterkeit. „Wir wollen, dass dieser Alptraum aufhört.“ Fürs Erste wünscht sie sich allerdings auch dringend würdige Wohnverhältnisse, dass ihre Familie eine Wohnung in Konstanz zugewiesen bekommt.
Darauf, dass die Familien bald umziehen dürfen, hofft auch die Amtsleiterin. Sollte der Zustrom an Kriegsflüchtlingen so groß bleiben, wird es irgendwann eng. Freie Wohnungen werden nicht endlos angeboten werden, das weiß Monika Brumm. „Es läuft langsam voll. Wann die Kapazitäten der Anschlussunterbringungen erschöpft sind, kann ich aber nicht sagen.“