Um aktiv gegen das Artensterben vorzugehen, wollen sich mehrere Gemeinden zusammentun und eine gemeinsame Biotopverbundplanung beginnen. Das Land Baden-Württemberg hat sich mit der Novellierung des Naturschutzgesetzes zum Ziel gesetzt, bis 2030 auf 15 Prozent des Offenlandes einen funktionalen Biotopverbund zu realisieren. Dafür erstellen die Gemeinden für ihr Gebiet Pläne auf Grundlage des Fachplans Landesweiter Biotopverbund.
Neben Orsingen-Nenzingen werden die Gemeinden Hohenfels, Eigeltingen und Mühlingen Teil des Gebietes sein. Hohenfels tritt außerdem dem Landschaftserhaltungsverband Konstanz (LEV KN) bei. Sven Gebhart vom LEV KN informierte die Gemeinderäte der einzelnen Gemeinden über die Chancen, Möglichkeiten und Kosten. So verliefen die Diskussionen in drei Sitzungen:
- Hohenfels: Seit geraumer Zeit beschäftigten sich auf Initiative von Bürgermeister Florian Zindeler mehrere räumlich zusammenhängende Gemeinden aus dem Verwaltungsraum Stockach mit einer gemeinsamen Biotopverbundplanung, welche der LEV KN begleiten wird. Die Gemarkungen der Gemeinden Hohenfels, Eigeltingen, Mühlingen und Orsingen-Nenzingen grenzen aneinander an.

So können Biotopräume auf dieser Fläche gut untersucht werden und bilden eine entsprechende Größe, um bei einer Ausschreibung der Leistungen interessant genug für Planungsbüros zu sein. Die Gemeinde Hohenfels wird federführend für alle vier Gemeinden den Antrag für den Biotopverbund an den LEV KN stellen. Die Kosten werden zu 90 Prozent gefördert werden, so die Zusage des Geschäftsführers des LEV KN, Thilo Herbster. Der Landschaftserhaltungsverband Konstanz zählt bisher 58 Mitglieder: 23 Kommunen, 20 Vereine und Verbände, 14 Landwirte oder Unternehmen und eine Privatperson.
In der Gemeinde Hohenfels gibt es einige Lebensräume für seltene Arten. Diese Biotope befinden sich in der ehemalige Kiesgrube Bischoff, dem Waltere Moor, beide bei Selgetsweiler, und dem Feuchtgebiet Ehrlenloh bei Liggersdorf – um nur ein paar zu nennen. Und so waren die Hohenfelser Gemeinderäte auch schnell begeistert, sowohl vom Beitritt der Gemeinde Hohenfels zum LEV KN als auch von der anstehenden Biotopverbundplanung. Karlheinz Lehmann (FUW) formulierte es so: „Man kann Flächen schaffen, wo dann Artenvielfalt herrscht.“ Ralf Sigmund (BLH) war zwar zunächst besorgt, ob Grundstücksbesitzer eventuell durch den Biotopverbund negativ betroffen sein könnten. Hier konnte ihn jedoch Tilo Herbster beruhigen: „Wir gehen ja nicht übers Land und machen Vorschriften“.

Nach Paragraph 22 des Naturschutzgesetzes sind Gemeinden künftig verpflichtet, eine Biotopverbundplanung zu erstellen. Von 15.000 Euro Gesamtkosten für die Gemeinde Hohenfels wird damit eine Summe in Höhe von 13.500 Euro gefördert werden. Der Eigenanteil der federführenden Gemeinde läge bei 1500 Euro.
- Orsingen-Nenzingen: Sven Gebhart vom LEV KN erklärte im Gemeinderat von Orsingen-Nenzingen: „Für die Planung versuchen wir, Räume zusammenzufassen, die einigermaßen gleich groß sind. Stockach war Modellkommune und verfügt schon über einen Biotopverbundplan, Singen ebenso.“ Die Gemeinde Hohenfels werde federführend als Antragsteller für die vom Land mit 90 Prozent geförderte Planung sein, so Gebhart. Die anteiligen Kosten richteten sich nach der jeweiligen Verbundfläche der Gemeinde. Auf Orsingen-Nenzingen entfielen rund 18 Prozent. Damit käme auf die Gemeinde eine Eigenleistung von rund 2000 Euro zu.
Bei der Biotopverbundplanung gehe es nicht um intensiv genutzte Flächen, sondern maßgeblich um Sonderstandorte. „Wir wollen Randstrukturen nutzen und so Verbindungen schaffen“, erklärte Gebhart. Ein Biotopverbund sei förderlich für das Image einer Gemeinde und auch die Landwirtschaft werde dadurch nicht benachteiligt, sondern könne daraus durchaus Nutzen ziehen, weil Grenzertragsstandorte, verbuschte oder verbrachte Flächen wieder geöffnet würden. So entstünden neue Flächen, die bewirtschaftet werden könnten.

Antonie Schäuble (FWV), selbst Landwirtin, wollte wissen, wie und zu welchem Zeitpunkt man mit der Landwirtschaft zusammenarbeite. Sven Gebhart antwortete, es gebe mehrere Öffentlichkeitstermine, einen gleich am Anfang. „Da können sich alle Interessierten einbringen. Die Landwirtschaft spielt eine entscheidende Rolle innerhalb der Planung.“
- Eigeltingen: Die Gemeinde hat unter den beteiligten Kommunen den größten Flächenanteil. 445 Hektar sind vom Biotoptyp trocken, 1240 Hektar mittel, 670 Hektar feucht und 806 Hektar Biotopverbund Gewässerlandschaft. Insgesamt hat der zu überplanende Biotopverbund Offenland und Gewässerlandschaften 4562 Hektar.
Einige betroffene Flächen sind im Besitz der Gemeinde, manche aber auch in Privat- oder Landesbesitz. Daher bedarf es großer Gesprächsbereitschaft. Es gibt viele Umsetzungsmöglichkeiten über Ökokonto, Ausgleichsmaßnahmen, Pachtverträge, Flurneuordnung und anderes mehr. Vor allem bei intensiv landwirtschaftlich genutzten Flächen gilt es Wirtschaftlichkeit und Maßnahmen gut gegeneinander abzuwägen. Gemeinderätin Katja Hertell befand: „Das ist ein spannendes Projekt. Wie viel landwirtschaftliche Fläche wird gebraucht?“ Sven Gebhardt antwortete: „In Baden-Württemberg sind es rund neun Prozent und dann auch eher für Landwirtschaft unattraktive Flächen.“ Es gehe um „Trittsteine mit Strahlwirkung“.
Umsetzung wird eine große Aufgabe werden
Obwohl die Vernetzung der Biotope auf trockenen, mittleren und feuchten Standorten im Sinne der Biodiversität logisch ist, wird die Umsetzung eine große Aufgabe werden. Denn viele betroffene Besitzer und Pächter müssen an einem Strang ziehen, um Korridore zu schaffen, die Biotope, die in der Planung Kernräume genannt werden, verbinden. Denkbar wären hier beispielsweise Hecken auf landwirtschaftlich genutzten Flächen oder man lässt historische Nutzungs- und Bewirtschaftungsformen wie Wanderschäferei, Streunutzung, Mahd mit dem Balkenmäher wieder aufleben.
„Das Artensterben ist wissenschaftlicher Konsens“, betont Sven Gebhardt. Die Biodiversität von Lebensräumen, Genen und Arten werde durch Landnutzung, Klima, Nähr- und Schadstoffe, Übernutzung sowie invasive Arten beeinflusst. So sind beispielsweise vier von fünf Pflanzenarten in der EU ganz oder teilweise von der Bestäubung durch Insekten abhängig. Wichtig wäre darum die Durchwanderbarkeit für Pflanzen und Tiere, auch und speziell für die langsamen.
Land fördert die Maßnahme zu 90 Prozent
Aktuell gibt es für die Biotopverbundpläne 90 Prozent Förderung vom Land. Eigeltingen rechnet mit einem Kostenanteil von 80.000 Euro, von dem die Gemeinde zehn Prozent tragen muss. Der Biotopverbund bringt vor allem für zukünftige Generationen viele Vorteile. So wird die Landwirtschaft und Tourismus positiv beeinflusst. Naherholungsgebiete, Image sowie Wohn- und Lebensumfeld aufgewertet und die räumliche Ästhetik sowie das Meso- und Mikroklima wiederhergestellt.
- Mühlingen: Die Gemeinde hatte bereits im November 2021 den Beitritt zum Landschaftserhaltungsverband Konstanz beschlossen. Die Entscheidung des Rats fiel auch positiv zum Biotopverbund aus.