Die Pläne sind schon seit einer Weile bekannt: In Mühlingen soll nicht nur eine Bauschutt-Recyclinganlage, sondern auch ein Erlebniscampingplatz entstehen – beides nahe der Schwackenreuter Seen. Mit den Vorhaben beschäftigte sich auch schon der Mühlinger Gemeinderat. Doch die Planungen gefallen nicht allen. So setzt sich die Regionalgruppe Hegau-Bodensee des bundesweit agierenden Vereins Naturschutzinitiative gegen die Projekte ein und sammelt Unterschriften gegen die Bauvorhaben und für eine Festschreibung einer extensiven landwirtschaftlichen Nutzung im Flächennutzungsplan.
Befürchtete Zerstörung des Gebiets
Die Befürchtung der Naturschützer: Die Bauprojekte könnten an den Schwackenreuter Seen ein beliebtes Naherholungsgebiet und Naturschutzgebiet unwiederbringlich zerstören. Die Bauschutt-Recyclinganlage werde von riesigen Wällen umgeben werden, auf denen Lastwagen fahren und „unter großem Lärm und Staubentwicklung ihren Bauschutt abkippen“, schreibt die Initiative. „Wo heute noch die ansässige Bevölkerung ihr Naherholungsgebiet genießt und auf dem Aussichtsturm über den See schaut, werden zukünftig Lärm und Staub von der Anlage und den LKWs jeden Naturgenuss unmöglich machen.“
Und nördlich des Bahnhofs Schwackenreute werden „ein riesiger Campingplatz für bis zu 900 Gäste täglich geplant“. Der Platz solle von acht Meter hohen Wällen umgeben werden und werde den Landschaftscharakter stark verändern, beklagt die Naturschutzinitiative. „Außerdem werden die zahlreichen Gäste das Naturschutzgebiet an den Schwackenreuter Seen überlaufen.“
Schon mehrere Hundert Unterschriften
Durch die Baugebiete würden zahlreiche geschützte Tierarten ihren Lebensraum verlieren und das Naturschutzgebiet werde durch zunehmende Störungen, Lärm und Vermüllung erheblich an Wert verlieren. „Es ist unverständlich, wie in Zeiten von Klimawandel und Artensterben solch ein unnötiger Raubbau an der Natur weiterhin betrieben werden soll“, beanstandet die Naturschutzinitiative.
Wie Dagmar Hirt von der Regionalgruppe Hegau-Bodensee mitteilt, hätten bereits mehrere hundert Personen ihre Unterschrift eingereicht – nicht nur aus der näheren Umgebung, sondern auch aus anderen Teilen Deutschlands, da die Naturschutzinitiative etwa Urlauber angesprochen habe. Noch voraussichtlich bis in den November hinein sollen Unterschriften gesammelt werden, diese sollen im Anschluss der Gemeinde Mühlingen übergeben werden, so Hirt.
Unternehmer: Grenzwerte werden eingehalten
Auf der anderen Seite stehen die Unternehmer, die in dem Gebiet bauen wollen. So etwa Stefan Lämmle, Geschäftsführer der Firma Lämmle, die die Bauschutt-Recyclinganlage plant. Er verweist zum einen auf Vorteile seiner Firma: So werde mit jeder gewonnenen Tonne Recyclingmaterial eine Tonne Naturkies gespart, „der aus der Natur entnommen werden müsste“, schildert er. Und er betont, dass sich die Bauschutt-Recyclinganlage bezüglich Lärm und Staub zwingend an die Grenzwerte zu halten habe, die in der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) und der Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft), zwei Verwaltungsvorschriften, geregelt werden. Das sei über Gutachten nachzuweisen.
„Wir können hier nicht einfach hantieren wie wir wollen, und da wir bereits einige dieser Plätze betreiben, können wir auch mit guten Gewissen sagen, dass die Belastungen sehr gering sein werden“, erklärt Stefan Lämmle. Für den Standort in Schwackenreute lägen die Lärm- und Staubgutachten vor „und belegen die Einhaltung der Immissionsrichtwerte“. Außerdem solle die Recyclinganlage auch nicht dauerhaft in Betrieb sein, die Aufbereitung beschränke sich auf wenige Tage im Jahr: „Für Schwackenreute ergibt sich eine geplante Betriebsdauer der Brecharbeiten mit nur 25 Tagen im Jahr“, so Lämmle.
„Keine Probleme für heimische Tier- und Pflanzenarten“
Die Kritik an den Wällen kann Lämmle außerdem nicht verstehen. „Die Wälle sind naturschutzrechtliche Ergänzungen“, schreibt er auf Nachfrage und erklärt: „Auf diesen Wällen entwickeln sich Pflanzen heimischer Arten, und auch Tiere bewohnen diese Wälle und siedeln sich dort an, und nutzen diese Flächen als Rückzugsorte.“ Die derzeitige Wiese werde intensiv als Fettwiese genutzt, die mehrmals pro Jahr gemäht werde.

Mit dem Planungskonzept versuche sein Unternehmen, sowohl betriebliche, als auch naturschutzrechtliche Belange zu überlagern. „Ich bin der Meinung, dass uns dies durch dieses Konzept auch sehr gut gelungen ist. Das Projekt stellt aus unserer Sicht keine Probleme für die heimische Tier- und Pflanzenarten dar“, erklärt er. „Ganz im Gegenteil, insbesondere die Wälle sollen im Zuge der Rekultivierung in unterschiedlicher Dichtigkeit mit standortgerechten und naturraumtypischen Gehölzen bepflanzt werden.“ Dort entstünden Habitate für unterschiedliche Tierpopulationen.
Keine Lastwagen auf den Wällen
Auch Mühlingens Bürgermeister Thorsten Scigliano berichtet, dass die Wälle als Schutz für Tiere dienen sollen, „damit diese die gelegentlichen Bewegungen nicht wahrnehmen und auch noch zusätzlichen Rückzugsraum bekommen“. Dieser Bereich werde nach Vorgaben von Gutachten angelegt und bepflanzt. Außerdem betont auch er, dass bestimmte Vorgaben bezüglich Lärm einzuhalten seien.
Zum von der Naturschutzinitiative befürchteten Staub erklärt er zu den Plänen: „Die Zufahrt zu der Recyclinganlage wird komplett gerichtet und mit einer Tragschicht versehen, damit entspricht die Lärm- und Staubentwicklung einer ganz normalen Straße.“ Diese Fahrbahn stehe dann allen Besuchern der Seen zur Verfügung und führe zu einer Verringerung der aktuellen Lärm- und Staubbelastung. Die Anlieferung des Materials erfolge nicht auf den Wällen sondern auf dieser Straße. Stefan Lämmle ergänzt, die Fahrstraße solle im Bereich des Walls auch nicht sichtbar sein.
Campingplatz-Verfahren ruht aktuell
Die Investoren des Erlebniscampingplatzes äußerten sich auch auf wiederholte Kontaktaufnahme durch den SÜDKURIER nicht zu der Unterschriftensammlung. Dafür gibt Thorsten Scigliano Auskunft: Man begrüße als Gemeinde das Eventcamping, weil es nachhaltig umgesetzt werden soll. „Hier darf man sich auch keinen klassischen Campingplatz vorstellen“, schreibt er. Die Planung werde von namenhaften naturverbundenen Planungsbüros umgesetzt und die Inhaberfamilie sei für nachhaltige Projekte bekannt. Vor allem aber würden sich dort nicht Hunderte Menschen gleichzeitig aufhalten, das gebe Planung und Infrastruktur aktuell gar nicht her.
Er verweist auf einen Entwurf, in dem bei einer Auslastung von 80 Prozent in den Sommermonaten bei einer Belegung der 45 Wohnmobil-Stellplätze mit je zwei Gästen plus weiteren 100 Gästen bei den alternativen Übernachtungsmöglichkeiten die Rede von etwa 200 Personen ist, mit denen auf dem Campingplatz zu rechnen sei. „Was aber entstehen soll, ist ein Mehrwert für die Region und für die Ablachtalbahn eine weitere Attraktivitätssteigerung“, so Scigliano. Momentan ruhe das Verfahren jedoch von Seiten der Inhaber.