Der Weg zur neuen Grundsteuer war für viele steinig, doch ab ab 1. Januar 2025 gilt sie. Unabhängige Gutachter legten im Vorfeld Bodenrichtwerte fest, Eigentümer gaben ihre Erklärung für die Grundsteuer ab und das Finanzamt erließ Bescheide für den Grundsteuerwert. Um die Grundsteuer final berechnen zu können, fehlte noch eine Zutat: die Entscheidungen über die konkrete Höhe der Hebesätze in den Kommunen.

Nun stehen diese auch in Öhningen fest. Der Gemeinderat legte in seiner jüngsten Sitzung den Hebesatz der Grundsteuer A für die ansässigen Betriebe der Land- und Forstwirtschaft auf 383 Punkte, den der Grundsteuer B für Grundstücke auf 124 Punkte fest. Der Hebesatz für die Gewerbesteuer bleibt unverändert bei 350 Punkten.

So wird die Steuer berechnet

Die Grundsteuer B macht in Öhningen den zweitgrößten Teil der Realsteuern für den Haushalt aus. Ihre Bemessung liegt deutlich über dem Vorschlag aus dem Transparenz-Register für eine aufkommensneutrale Steuerreform. Denn die Gemeinde Öhningen sieht sich mit potenziell erfolgreichen Widersprüchen konfrontiert, die die Planung künftiger Haushalte torpedieren könnten. Warum?

Darum gibt es Vorschläge aus dem Transparenz-Register

Die Grundsteuer wurde Ende Juni 2019 im Bundestag reformiert, weil das Bundesverfassungsgericht die bisherige Bewertung für verfassungswidrig erklärt hatte. Die Reform sollte aber aufkommensneutral sein, um zu verhindern, dass Gemeinden eine Steuererhöhung durch die Hintertüren beschließen, sagte Natalie Gugenheimer vom Gemeinde-Verwaltungsverband Höri (GVV Höri) im Gemeinderat.

Die Einnahmen für die Gemeinden sollten durch die neue Grundsteuer also genauso hoch bleiben wie im Vorjahr, erklärte sie das Modell. Im Fall Öhningen handelt es sich dabei um kommunale Einnahmen in einer Höhe von rund 600.000 Euro allein durch die Grundsteuer B.

Warum weicht Öhningen nach oben ab?

Eine Besonderheit ist die Bemessung des Hebesatzes. Denn der liegt in Öhningen nun um 18 Punkte höher, als es das Transparenz-Register für einen aufkommensneutralen Haushalt vorschlug. Damit balanciert Öhningen bereits im Vorfeld das Risiko potenziell erfolgreicher Widersprüche der größten Steuerzahler haushalterisch aus. Hätte sich die Gemeinde an den Vorgaben des Transparenz-Registers orientiert, würde ihr im Haushalt durch Widersprüche ein potenzieller Verlust in Höhe von 200.000 Euro drohen, argumentierte die Verwaltung.

Die Berechnung des Hebesatzes B in der Gemeinde war somit komplizierter als angenommen. Für die Verwaltung war die Aufkommensneutralität dahingehend intransparent, weil unklar war, wie viele Fälle in welcher Höhe wegfallen würden und wie viele Änderungen es geben könnte. Zwar wären nach den ersten Berechnungen mithilfe des Transparenz-Registers zwei Drittel der Steuerpflichtigen entlastet worden (insgesamt 1529 Fälle), doch 657 Fälle würden 100 Euro und mehr zusätzlich an Steuern zahlen.

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Nun verschieben sich die Entlastungen und Lasten gegenüber den Berechnungen aus dem Transparenz-Register mit 106 Punkten nochmals. Die Veränderung auf einen Hebesatz von 124 Punkten werde den Einzelnen nicht viel stärker belasten, so die Verwaltung. Dennoch habe sie in ihrer Gesamtheit einen stabilisierenden Einfluss auf den Gemeindehaushalt.

Zehn Steuerzahler machen ein Viertel der Einnahmen aus

Problematisch für die Gemeinde sind die oberen zehn Grundsteuerzahler B mit großem Grundbesitz. Sie trugen mit 47.300 Euro am Aufkommen in der Gemeinde bei. Nach der Reform im Sinne des Transparenz-Registers hätten sie eine Last von 125.000 Euro zu tragen. Das ist in etwa ein Viertel des gesamten Grundsteuer-Aufkommens in Öhningen. Wobei die drei größten Grundbesitzer zusammen 57.000 Euro mehr Steuer zahlen würden. Öhningen geht davon aus, dass diese drei den Bescheid rechtlich anfechten werden.

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„Das Finanzamt hat es sich bei seinen Bemessungswerten einfach gemacht“, sagte Bürgermeister Andreas Schmid. Bei der Vielzahl der Fälle hätten sie die Grundstücksflächen großer Anwesen einfach hochgerechnet. Dadurch kämen Grundstücksflächen mit Werten von 20 bis zu 40 Millionen Euro zusammen – ungeachtet dessen, dass bei vielen der betroffenen Grundstücke Bereiche im Außengebiet oder im Landschafts- und Naturschutzgebiet liegen würden oder Wasserflächen seien. Das würde im Landkreis selten vorkommen.

Legen nun beispielsweise die 20 größten Steuerzahler Widerspruch ein, so würden der Gemeinde 100.000 bis 200.000 Euro an Grundsteuern fehlen, sagte Bürgermeister Schmid. Und wenn die Messbeträge noch nach unten gesetzt würden, sehe die Gemeinde alt aus.

So reagierten die Gemeinderäte

Für René Zimmermann (CDU) ist die Festsetzung der Hebesätze anhand des Transparenz-Registers ein „Blindflug“. Gehe es nach dem Register, so entstehe ein Risiko für die Gemeinde in Höhe von 200.000 Euro, sagte Thorsten Otterbach (IGW). Anstelle der vom Register vorgeschlagenen Höhe von 106 Punkten schlug die Fraktion IGW einen Hebesatz von 117 Punkten für die Grundsteuer B vor.

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Markus Eiglsperger (FBL) sah besonders eine Gefahr bei den Widersprüchen der beiden größten Grundstücksbesitzer für die Gemeinde. Für ihn waren die Richtwerte aus dem Transparenz-Register zu optimistisch angesetzt.

Andrea Dix (Netzwerk) fragte nach dem Ziel der Steuerreform: Sollte ein Ausgleich oder eine Gerechtigkeit geschaffen werden oder sollten Besitzer, die in Öhningen einen Beitrag mit schönen Landschaften leisten und pflegen, bluten? Diese Landschaften seien für sie ein Vermögen für die Allgemeinheit. Deren Besitzer in die Tasche zu greifen, sei für sie nicht nachvollziehbar.

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Bürgermeister Andreas Schmid ging aber ohnehin davon aus, dass diese Bescheide nach unten korrigiert werden. Das würde eine beachtliche Mindereinnahme für die Gemeinde bedeuten. Er sieht in der Reform zudem auch einen potenziellen Regelungscharakter: Dass leer stehende Grundstücke im Ort oder nicht bebaute Grundstücke in den Neubaugebieten nun bebaut werden.