Fahrtziel Gottmadingen? Was ist jetzt schon wieder auf Linie 400 los? Die Eltern, die am frühen Donnerstagmorgen an der Haltestelle Torkelplatz in Orsingen die Schüler koordinieren, sind verwirrt. Auf dem Schulbus, der angefahren kommt, steht tatsächlich die Aufschrift „Gottmadingen“. Keine Liniennummer. Nur das eine Wort. Dieses Mal eilt aber ein Mitarbeiter des Landratsamts zur Hilfe, der dem Bus an diesem Morgen hinterher fährt und dabei viele Probleme feststellen muss.

Falsche Aufschrift, richtiger Bus: Am Donnerstagmorgen gibt es zwar Verwirrung an der Haltestelle Torkelplatz in Orsingen, aber ein ...
Falsche Aufschrift, richtiger Bus: Am Donnerstagmorgen gibt es zwar Verwirrung an der Haltestelle Torkelplatz in Orsingen, aber ein anwesender Landratsamt-Mitarbeiter erklärt allen, dass dieser Bus die Orsinger Grundschüler an die Grundschule nach Nenzingen bringt. Rechts steht eine der Mütter, die hier jeden Tag nach dem Rechten schaut. | Bild: Löffler, Ramona

„Der hält an der Grundschule!“, ruft er Eltern und Schülern zu. Es folgen Erleichterung und ein längeres Gespräch, in dem sich deutlicher Frust über die Situation mit den Schulbussen auf beiden Seiten zeigt. Eigentlich sollte auf dem Bus „Stockach über Nenzingen Schule“ stehen, erklärt der Mann, der seinen Namen nicht nennen möchte, da er angefeindet werde, obwohl er nichts für die Situation könne. Warum sich das am Bus nicht umstellen lässt, weiß er nicht.

Bus hält nicht für Ausstieg an

Mehrere Eltern stehen jeden Morgen am Torkelplatz und sorgen dafür, dass die Grundschüler wirklich im richtigen Linie 400-Bus sitzen, der sie zur Nenzinger Grundschule fährt. Der Montag sei immer besonders chaotisch, erzählen sie. Und vor allem ein Vorfall am vergangenen Montag entsetzt alle: In Orsingen sagte der Busfahrer auf Nachfrage, dass er zur Grundschule fahre – aber in Nenzingen hielt er weder an der Grundschule, noch am Bahnhof. Nachdem die Kinder gerufen und geschrien hatten, dass sie raus müssen, ließ er sie am Gasthof Auer am Ortsausgang aussteigen.

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Mutter Eva Glöckler, die nach Stockach zur Arbeit fuhr und deshalb sicherheitshalber dem Bus folgte, sah die Kinder im Bereich des Bahnübergangs. „Sie sind im Pulk über die Straße gelaufen“, erzählt sie. Das Problem: Es ist eine vielbefahrene Straße, es war dunkel und die Kinder kannten sich an dieser Stelle nicht aus.

Kinder zeigen Fahrern den Weg

Nicht einsteigen, erst fragen – das schärfen die Eltern ihren Kindern ein und sorgen dafür, dass alles klappt. „Wir können die Kinder nicht alleine lassen“, sagt Marion Cybulski, deren Tochter in die erste Klasse geht. Die Busse seien nicht richtig beschriftet oder viele Busfahrer könnten kein Deutsch. Eine andere Mutter ergänzt, dass die Fahrer teilweise nicht wüssten, wo die Grundschule in Nenzingen ist. Sie selbst sei schon mit dem Auto hinterher gefahren, um den Bus zu lotsen. Oder es komme auch vor, dass die Kinder dem Fahrer zurufen, wo genau er abbiegen muss, weil dieser es nicht weiß.

Ein Mitarbeiter des Landratsamts (links), der namentlich nicht genannt werden möchte, und mehrere Eltern kommen an der Haltestelle ins ...
Ein Mitarbeiter des Landratsamts (links), der namentlich nicht genannt werden möchte, und mehrere Eltern kommen an der Haltestelle ins Gespräch, nachdem die Kinder sicher im richtigen Bus sitzen. | Bild: Löffler, Ramona

Die Eltern sind überrascht, aber froh, dass am Donnerstag jemand vom Landratsamt vor Ort ist und sie persönlich schildern können, was vorgeht. Der Mitarbeiter, der sich wegen Änderungen auf der Strecke alles anschauen wollte, konnte an diesem Morgen selbst schon Unglaubliches erleben. Er erzählt, dass er den Bus in Steißlingen anhalten und zurückfahren lassen musste, weil er an Haltestellen vorbeigefahren war. In Orsingen klappt immerhin alles – bis auf die Verwirrung mit der Aufschrift „Gottmadingen“.

Was das Landratsamt sagt

Auf die Frage der Eltern, wie es nun weitergehen soll, kann der Landratsamt-Mitarbeiter noch keine Antwort geben. Er schildert, dass er zum Beispiel an diesem Morgen von unterwegs bereits mit dem Fahrleiter der Firma Klink gesprochen hat. „Ich verstehe den Frust. Das ist mir während meiner langjährigen Berufstätigkeit im ÖPNV noch nicht passiert“, sagt er.

Das Landratsamt erklärt auf eine Presseanfrage zum aktuellen Vorgehen, dass es in ständigem Kontakt mit dem Verkehrsunternehmen Klink stehe und auf die Einhaltung der vorgegebenen Fahrpläne bestehe. Dabei sei das Landratsamt auf Hinweise und Beschwerden der Fahrgäste angewiesen: „Diese werden aufgenommen und unmittelbar an den Verkehrsunternehmer weitergeleitet mit der Aufforderung, den jeweiligen Missstand zu beheben. Außerdem überprüft das Landratsamt fortlaufend die Einhaltung der vertraglichen Verpflichtungen durch Revisoren.“

Anpassung für kleine Verbesserung

Der Mitarbeiter spricht mit den Eltern vor Ort auch noch über eine zeitnahe Änderung. Es fahren gegen 7.30 Uhr insgesamt drei Busse. Er will nun versuchen, den Fahrplan so anzupassen, dass einer der Gelenkbusse früher fährt, sodass es im normal großen Bus, der als einziger der drei an der Grundschule Nenzingen vorbeifährt, nicht so eng wird.

Rainer Klink, Geschäftsführer der Stadtbus Tuttlingen Klink GmbH, hatte in der vergangenen Woche davon gesprochen, dass zwei Busse an der Grundschule vorbeifahren sollen. Laut Fahrplan und den Eltern hält dort aber nur einer. Rainer Klink, Geschäftsführer der Stadtbus Tuttlingen Klink GmbH, war am Donnerstag telefonisch für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Viel Frust, bisher wenig Besserung

Dem großen Frust stehen bisher nur wenige Verbesserungen entgegen. Die Eltern sehen, dass sich die Verspätungen und Überfüllungen der Busse inzwischen reduziert haben. Aber sie haben dennoch Angst, dass der Busfahrer die Kinder nicht dorthin bringt, wo sie hin sollen. Deshalb sagt Mutter Birgit Unger auf die Frage, wie lange die Eltern morgens an der Haltestelle sein werden: „So lange bis es funktioniert.“ Marion Streicher fügt hinzu, dass alle sicherstellen wollen, dass die Kinder gut ankommen. Sie musste ihr Kind anfangs selbst mal zur Schule fahren, weil der Bus überfüllt war.

Manchmal fahren Busse vollkommen ohne Anzeige – dies ist eine Szene an der Haltestelle am Orsinger Kindergarten.
Manchmal fahren Busse vollkommen ohne Anzeige – dies ist eine Szene an der Haltestelle am Orsinger Kindergarten. | Bild: Löffler, Ramona

Irgendwann während des Gesprächs kommt noch eine beruhigende Nachricht: Eva Glöckler, die auf dem Weg zur Arbeit wieder hinter dem Bus hergefahren ist, schreibt einer anderen Mutter per Whatsapp, dass die Kinder an der Grundschule angekommen sind.

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Der Mitarbeiter des Landratsamts nimmt am Ende noch zwei Anregungen der Eltern mit: Wenn ein Zelt am Torkelplatz steht, kann er Bus dort nicht halten. Und wenn es wieder Änderungen bei den Haltestellen gibt, will er sich mit Bürgermeister Bernhard Volk absprechen, wie das gut an die Bürger kommuniziert werden kann. Denn Eltern hatte nur durch Zufall entdeckt, dass Busse ganz neu wieder an der Hauptstraße halten.

Wie geht es nun weiter?

Inzwischen steht im Raum, dass der Kreis einen eigenen Verkehrsbetrieb gründen und den Busverkehr von der Stadtbus Tuttlingen Klink GmbH übernehmen will. Der Kreistag entscheidet darüber am 10. Februar. Was würde das für Linie 400 und auch allgemein bedeuten? „Sollte es zur Übernahme des Betriebs durch den Landkreis kommen, hätte das Landratsamt beziehungsweise die kreiseigene GmbH unmittelbaren Einfluss auf die Einhaltung der Fahrpläne“, so die Antwort des Landratsamts. „Oberste Priorität hätte dazu die Gewinnung zuverlässiger Fahrer und deren intensive Schulung insbesondere hinsichtlich der Orts- und Streckenkenntnis. Auch dies könnte man unmittelbar selbst steuern.“