Für Andreas Gossen war der Tag ein Schock, der bis heute anhält: Am Abend des 20. Dezember drangen drei maskierte Täter nach Ladenschluss in einen Discounter in Orsingen-Nenzingen am alten Sportplatz ein. Gossen ist dort seit September Marktleiter. Die Täter zwangen ihn, den Tresor zu öffnen, und erbeuteten eine fünfstellige Summe Bargeld sowie Zigaretten. Während die Ermittlungen weiterhin laufen, beschäftigt die Tat auch Gossen noch. Nun spricht der 27-Jährige darüber.
Eigentlich hatte Andreas Gossen den Arbeitstag bereits wie gewohnt beendet. Er habe gegen 22 Uhr zusammen mit einer Kollegin das Gebäude durch den Hinterausgang verlassen, berichtet er einige Wochen nach dem Überfall. Während seine Kollegin in die entgegengesetzte Richtung gegangen sei, habe sie zwei maskierte Männer bemerkt, die aus einem dunklen Fahrzeug stiegen und Gossen folgten, erzählt der Filialleiter. Sie wollte ihn warnen und schickte ihm eine Nachricht, während sie selbst auf dem Heimweg war. Doch sie habe nicht gedacht, dass er ernsthaft in Gefahr sei. Und Gossen las die Nachricht zu spät.
Zuerst hörte er Schritte hinter sich
„Ich hörte Schritte hinter mir, drehte mich um, und dann rannten zwei maskierte Männer auf mich zu“, erinnert sich Gossen. In Panik sei er zu seinem Auto gerannt, doch einer der Männer habe die Tür aufgehalten und ihn gezwungen auszusteigen, berichtet er weiter. Die Angreifer seien mit einem Schlagstock und einem Brecheisen bewaffnet gewesen und hätten zunächst sein Handy gefordert. Das habe dieser jedoch aufgegeben, als er sich weigerte, es herauszugeben, so der Filialleiter weiter. Stattdessen hätten sie ihn gezwungen, mit ihnen in das Ladengebäude zurückzukehren.

Am Hintereingang des Netto habe eine dritte Täterin mit einem Elektroschocker auf ihn gewartet. An Stimme und Statur sei erkennbar gewesen, dass es eine Frau war. „Ich musste den Alarm ausschalten und den Tresor öffnen“, berichtet Gossen weiter. Die Täter entnahmen eine fünfstellige Bargeldsumme sowie mehrere Stangen Zigaretten. „Ich durfte während der ganzen Zeit nichts machen. Ich sollte nicht an mein Handy gehen und stand die ganze Zeit unter Beobachtung“, schildert der Filialleiter die angespannte Situation.
Täter bedrohten ihn
Nach dem Raub sei er zurück zum Parkplatz gebracht und mit der Drohung, keine Polizei zu rufen, zurückgelassen worden. Die Täter hätten ihm befohlen, sich umzudrehen, während sie zu ihrem Auto liefen. „Ich war erst einmal völlig aufgewühlt und habe erst ein paar Minuten gewartet, bevor ich die Polizei gerufen habe“, so Gossen. Diese Entscheidung habe er im Nachhinein bereut. „Ich hätte sofort die Polizei rufen sollen, aber in dem Moment war ich nicht dazu in der Lage“, sagt er rückblickend.
Psychische Folgen belasten ihn bis heute
Der Überfall hat bei Gossen deutliche Spuren hinterlassen. „Ich hatte wochenlang das Gefühl, als würde mir die Brust erdrückt werden. Ich reagiere seither stärker auf leisere Geräusche und höre Phantomgeräusche“, beschreibt er die psychischen Folgen des Überfalls. Der Vorfall wurde als Arbeitsunfall gemeldet, die Berufsgenossenschaft habe ihm therapeutische Hilfe angeboten.
Nach einer dreiwöchigen Krankschreibung sei er Mitte Januar an den Arbeitsplatz zurückgekehrt. Aber: „Jedes Mal, wenn der Alarm im Laden losgeht, weil die Türe zu lange offen steht, bin ich sofort auf zack“, schildert er.
Supermarkt verstärkt Sicherheitsvorkehrungen
Auch in seinem Laden hat sich etwas verändert: Als Reaktion auf den Vorfall engagierte die Discounter-Kette für drei Wochen einen Sicherheitsdienst, der ab 16 Uhr anwesend war und das Personal nach Ladenschluss zum Auto begleitete, teilt der Filialleiter mit. „Viele hatten Angst, vor allem abends zu arbeiten, aber niemand hat sich geweigert zu kommen“, berichtet er.
Im Großen und Ganzen habe er das Erlebte mittlerweile verarbeitet, doch ein ungutes Gefühl bleibe. „Es ist keine Angst mehr, aber ein Unwohlsein bleibt, wenn ich zur Arbeit gehe“, beschreibt er.
Polizei bittet um Hinweis
Die Ermittlungen der Polizei dauern derweil weiter an. In der Pressemitteilung vom Dezember schrieb die Polizei, sie gehe davon aus, dass die Täter mit einem schwarzen Audi in Richtung Ortsmitte flüchteten. Trotz einer sofort eingeleiteten Fahndung, an der auch ein Polizeihubschrauber beteiligt war, konnten die Täter damals nicht gefasst werden.
Laut Angaben des Filialleiters traf die Polizei kurz nach seinem Anruf am Tatort ein und nahm DNA-Proben. Ob die Behörden den Tätern dadurch inzwischen auf die Spur kommen konnten, beantworten Polizei und Staatsanwaltschaft auf SÜDKURIER-Nachfrage nicht. Die polizeilichen Ermittlungen dauern laut Staatsanwaltschaft weiter an, mehr könne man derzeit nicht sagen.
Die Kriminalpolizei bittet weiterhin Zeugen, die Hinweise zur Tat oder den Tätern geben können, sich unter der Telefonnummer 07461 9410 zu melden. Nach den vorliegenden Beschreibungen der Polizei war der erste männliche Täter etwa 1,85 bis 1,90 Meter groß, hatte dunkelblonde Haare und trug eine schwarze Kapuzenjacke. Der zweite Mann sei etwas kleiner gewesen, habe ebenfalls dunkelblonde Haare gehabt und eine dunkelorange oder braune Lederjacke getragen. Die dritte Täterin sei zwischen 1,60 und 1,70 Meter groß gewesen.