Das geplante Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) beim Krankenhaus in Stockach bewegt die Gemeinden im Raum Stockach. Nun haben nach Hohenfels und Eigeltingen auch die Räte in Orsingen-Nenzingen und Mühlingen über eine finanzielle Beteiligung entschieden. Dabei kamen viele Fragen auf.

Die Gemeinde Orsingen-Nenzingen erwirbt zwei Prozent der Gesellschafteranteile. Das MVZ soll zum 1. Juli gegründet werden. Das Gründungskapital wird etwa 600.000 Euro betragen, sodass die Gemeinde Kosten von rund 12.000 Euro tragen wird. Fünf Prozent wären das Maximum pro Gemeinde.

Stärkung des ländlichen Raums

Michael Hanke, Geschäftsführer des Krankenhauses Stockach, warb in der jüngsten Gemeinderatssitzung in Orsingen-Nenzingen für eine Beteiligung und beschrieb die Vorteile eines MVZ. Er war auch in anderen Ratssitzungen zu Gast. Ziel sei es, nicht nur ein weiteres Standbein der medizinischen Grundversorgung für die Bevölkerung in und um Stockach zu etablieren, sondern auch ein stabilisierender Faktor für den Erhalt und die Bereicherung der niedergelassenen Ärzte im Verwaltungsraum Stockach zu sein. Er betonte: „Uns ist eine gute, vernünftige Versorgung der Patienten über die ganze Fläche wichtig.“

Neben dem Krankenhaus und einigen Praxen im MVZ sei ein ambulanter Operationssaal geplant, der Anfang 2023 den Betrieb aufnehmen werde. Auch Kurzzeitpflege sei für die Zukunft wichtig und eine teilstationäre Tagesklinik wäre eine gute Ergänzung, so Hanke. Er beschrieb die Vorteile des neuen Versorgungszentrums: „Patienten können dort behandelt werden, wo sie hingehören – ambulant oder stationär. Unnötige Doppeluntersuchungen werden vermieden.“ Arztpraxen im MVZ könnten die Infrastruktur des Krankenhauses nutzen. Das bringe einen deutlichen Kostenvorteil. Auch Personal könne hin- und hergeschoben werden.

Flexibler Umgang mit dem knappen Fachpersonal

Medizinisches Fachpersonal sei eine sehr knappe Ressource und das größte Problem, das alle stationären und ambulanten Leistungsanbieter hätten. Mit einem Konstrukt wie dem beschriebenen könne man viel flexibler reagieren. „Die Region gewinnt zusätzlich an Attraktivität, wohnortnahe Arbeitsplätze werden gesichert und die Wohnraumbeschaffung für neue Arbeitskräfte ist vielleicht leichter als in Ballungsgebieten“, so Hanke weiter.

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Hanke machte klar: „Wir lassen uns hier nicht auf finanzielle Risiken ein. Das MVZ wird sich in sechs Jahren amortisiert haben.“ Eine Beteiligung der Ortsgemeinden sei keine Kapitalanlage, sondern eine strategische Entscheidung und ein deutliches Signal, den ländlichen Raum zu stärken und Mitsprache bei der medizinischen Versorgung zu haben. Er sagte: „Wir können im weiteren Einzugsgebiet wachsen. Mit dem MVZ werden wir niemandem Patienten wegnehmen, weil dort hauptsächlich die behandelt werden, die von uns operiert wurden.“

Wie steht es um Hausbesuche und Zweigstellen?

Christine Leithe (FWV) fragte, ob die Ärzte des MVZ auch Hausbesuche machen werden. Michael Hanke erwiderte, man müsse möglichst viele anstellen, dann könne das möglich sein. „Es muss sich entwickeln und ist auch für junge Ärzte ein attraktives Angebot.“ Roman Roth (FWV) zeigte sich skeptisch: „Warum verkauft das Krankenhaus Anteile?“ Man wolle eine stärkere Bindung an die Kommunen haben, die Versorgung komplettieren und bewusst nach außen darstellen, dass es ein Angebot für die Raumschaft Stockach sei, erläuterte Michael Hanke.

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Für Antonie Schäuble (FWV) war wichtig zu wissen, ob ein Arzt aus dem MVZ auch tageweise in Orsingen-Nenzingen sein könnte. Schließlich gebe es viele Patienten, die nicht mehr mobil seien. Die Option habe man, sagte Hanke. Ein MVZ könne beliebig viele Zweigstellen gründen. Nikolaus Langner (CDU) forderte, man müsse trotzdem versuchen, auch in der Gemeinde wieder eine Arztpraxis anzusiedeln. Und Ralph J. Schiel (FGL) fand die Entwicklung gut, weil sie die Resilienz der ganzen Region nach vorne bringe.

Drei bis fünf Arzt-Sitze sollen es sein

Auf das Lob von Christoph Joos (FWV), es sei ein gutes Zeichen, dass man sich bemühe, mehr Fachkräfte herzukriegen, sagte Michael Hanke, man habe ursprünglich ein rein orthopädisches MVZ gründen wollen. Inzwischen gebe es einen Konsens für ein gemischtes MVZ beispielsweise mit Hausarzt, Internist und Gelenkchirurgie/Orthopädie. „Wir müssen darauf achten, dass wir nicht überziehen. Ein MVZ mit 25 Sitzen der Kassenärztlichen Vereinigung würde unsere Möglichkeiten übersteigen. Wir denken an drei bis fünf Sitze, die gut gemanagt und bewirtschaftet sein werden.“

Sabine Hins (FGL) hakte nach: „Wie soll Fachpersonal angelockt werden?“ Laut Michael Hanke gibt es in Stockach viele altansässige Mitarbeiter, ein Generationswechsel stehe an. Man könne attraktiv sein, indem man familienfreundliche und extrem flexible Dienstplanmodelle anbiete.

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Zweiter Anlauf in Mühlingen

Der Gemeinderat von Mühlingen hat in seiner jüngsten Sitzung bereits zum zweiten Mal über das MVZ gesprochen, nachdem Hanke in der vorangegangenen Sitzung gewesen war. Der Rat sah die Lage der Gemeinde und den angrenzenden Kreisen als einen Grund. Denn alle Patienten, die den öffentlichen Nahverkehr zur Anfahrt benötigen, hätten ein Problem, wenn es in Stockach kein Krankenhaus und keine Facharztpraxen mehr geben würde. Zwischen Praxen und Krankenhaus könne es im Idealfall Synergieeffekte bei Operationen geben.

Der Rat schloss sich einstimmig den Entscheidungen aus den Nachbarkommunen an. Mühlingen beteiligt sich mit drei Prozent (18.000 Euro) an der gemeinnützigen Struktur des MVZ.

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