„Kann jemand mal zählen, wie viele Leute das sind? Ne, das sind bestimmt zu viele zum Zählen.“ Als der Radolfzeller Historiker Christof Stadler dies sagte, war er nicht der Einzige, der jüngst vom Interesse der Markelfinger an einem Rundgang zu historischen Orten in ihrem Dorf überrascht war. Deutlich über 100 Teilnehmer aus allen Altersschichten folgten Christof Stadler bei der Einweihung des Geschichtspfads zu einigen der 30 Tafeln, die zum 1300. Dorfjubiläum an verschiedenen Stellen aufgestellt worden sind und über die Vergangenheit informieren.
Ortsvorsteher Lorenz Thum hatte ebenfalls nicht mit einem derart großen Andrang gerechnet und zu wenige Informationsblätter mitgebracht. Auch mit den von Ortschaftsrätin Martina Gleich mitgebrachten Osterhasen wurde es eng. Sie wurden zum Abschluss an die vielen Kinder verteilt, die schon während des Rundgangs fast wie die Kletten an Christof Stadler gehangen waren. Dabei musste er auch immer wieder zur Vorsicht mahnen, denn speziell im Bereich der Baustelle beim Ortsausgang Richtung Kaltbrunn kamen sich Autos, ambitionierte Freizeitradler und die Teilnehmer am Rundgang schon mal in die Quere.

Lust machen auf die neue Chronik
Ein Autorenteam hat zum Dorfjubiläum eine neue Ortschronik verfasst, auf der die Infotafeln fußen. Gewissermaßen in der historischen Chronologie begann der Rundgang im Neubaugebiet „Im Tal“, wo vor Beginn der Erschließung Spuren der römischen Besiedlung gefunden wurden. Verbindung zum Römischen Reich hat auch die katholische Laurentiuskirche, denn ihr Patron wurde von den Römern grausam ermordet, wie Stadler eindrücklich schilderte.
Zu allen Tafeln im Ort zu gehen, hätte den zeitlichen Rahmen gesprengt. So beschränkte sich der Rundgang bei der Einweihung auf den historischen Ortskern zwischen Kirche, den früheren Mühlen am Schwanenweg, dem früheren Gasthaus Kreuz und der einstigen Mühle in der Dorfmitte.
Die Zuhörer erfuhren von endlosen Rivalitäten zwischen Markelfingen und Möggingen hinsichtlich der Nutzung des Wassers. Die Mögginger hätten damit lieber ihre Felder bewässert, die Markelfinger ihre Mühlen betrieben. Diese befanden sich wie an einer Perlenkette entlang des Mühlenbaches bis fast ans Ufer des Markelfinger Winkels.

Wie sah das historische Markelfingen aus?
Stück für Stück entwickelte sich vor dem inneren Auge der Zuhörer ein Bild vom historischen Markelfingen, das mit dem heutigen nur wenig gemein hat. Vor dem Bau der Bahnlinie Mitte des 19. Jahrhunderts und der heutigen Ortsdurchfahrt als Schnellverbindung Radolfzell-Konstanz spielte sich das Leben im Bereich der Laurentiuskirche ab. Bauernhäuser, Schmiede, Fischzucht und Weinbau erwähnte Stadler. Besonders letzteres überraschte viele Zuhörer. „Zeitweise bis zu 22 Hektar“, bezifferte der Historiker die Ausmaße und erwähnte vier Torkeln im Dorfkern, in denen die Trauben gepresst wurden.
Ausdrücklich würdigte Stadler den Einsatz mehrerer Markelfinger für den Erhalt alter Bausubstanz. Vieles ist bereits verloren gegangen. Das schmerzt auch Alfred Schwarze, der seit vielen Jahren die eigene Markelfinger Familiengeschichte erforscht. Bis ins 15. Jahrhundert sei er in aufwendiger Detailarbeit vorgedrungen, erzählte er nach dem Rundgang. Dieser hatte neben der Vermittlung historischen Wissens den Nebeneffekt, alteingesessene Markelfinger und Neubürger in Kontakt zu bringen.
Rundgang steht nun zur Verfügung
Der Geschichtspfad kann nun nach der Einweihung von interessierten Bürgern und Besuchern selbstständig abgelaufen werden. Wie Christof Stadler schon im Vorfeld berichtet hatte, müssen dabei auch nicht alle Stationen besucht werden, auch ein selektiver Rundgang sei möglich.

Entstanden ist der Geschichtspfad auf eine Initiative der örtlichen CDU hin, wie Andreas Blum eingangs erklärte. Diese hat laut Christof Stadler auch die Unkosten für die 30 Stationen übernommen – allerdings hätten sich am Anfang des Rundgangs alle anwesenden Kandidaten aller Fraktionen kurz vorstellen dürfen, die Veranstaltung sei deshalb auch eine offene gewesen.