Wolff Voltmer, Chefarzt der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie am Krankenhaus Radolfzell, ist erleichtert. Befürchtungen gab es viele in der ersten Hälfte des Jahres. Seit dem 1. April gibt es nachts und an Wochenenden keine Operationen mehr in der chirurgischen Ambulanz. Die größte Sorge war, dass die Bürger ihr Vertrauen in die Ambulanz verlieren würden, nachdem dies öffentlich wurde.

Diese Befürchtung ist so letztlich nicht eingetreten. Die Zahlen beweisen es: acht Fälle weniger als 2016 gab es 2017 in der Unfallchirurgie, der Unterschied ist kaum nennenswert. Zu Beginn seien die Krankenhausmitarbeiter allerdings tatsächlich häufig gefragt worden, ob die Ambulanz noch existiere, berichtet Voltmer. Die nächtliche OP-Bereitschaft ist eingestellt worden, nachdem die Geburtenstation geschlossen wurde. Die wenigen Operationsfälle, die nachts hätten erfolgen müssen, wären ohne die Kaiserschnitte nicht mehr wirtschaftlich darstellbar gewesen.

Inzwischen hat sich auch die Zusammenarbeit mit dem Rettungsdienst neu eingespielt. Bei jedem Notfall übernehme der Notarzt die Verantwortung, ob ein Bruch sofort operiert werden müsse oder ob der Eingriff warten könne. Bei offenen Brüchen müsse man sofort operieren, erläutert Voltmer, diese Patienten werden, wenn sie aus Radolfzell stammen und der Unfall nachts passiert, ins Krankenhaus nach Singen oder Konstanz gebracht, je nach Kapazität. Auch bei Schenkelhalsfrakturen sei Vorsicht geboten. Um ein gutes Ergebnis zu erzielen, müsste die Fraktur innerhalb von ein bis zwei Tagen operiert werden. Komme ein Patient mit dieser Verletzung also freitagnachmittags in die Ambulanz, werde er weiter nach Singen verwiesen.

Dass die Koordination gut funktioniere, bestätigt Patrik Lauinger, Geschäftsführer der DRK-Rettungsleitstelle in Radolfzell. Sehr häufig komme es gar nicht vor, dass sofort operiert werden müsse. "In einem halben Jahr hatten wir fünf bis sechs Fälle, die nach Singen gebracht wurden", sagt er. Bei sehr schweren Verletzungen wie etwa einem Schädel-Hirn-Trauma nach einem Unfall seien die Betroffenen auch früher in ein größeres Krankenhaus gebracht worden.

Alle anderen Patienten, bei denen kein operativer Eingriff nötig ist, können auch nachts in Radofzell versorgt werden. In der Notfallambulanz wird dann entschieden, ob der Patient stationär aufgenommen werden muss oder ob man ihm anders helfen kann. "Jeder Patient darf weiterhin zu uns kommen", sagt Voltmer. Die Statistik zeige, dass dies gut funktioniere. Von 60 Noteinsätzen in einem Monat seien 39 Patienten nach Radolfzell gebracht worden, die übrigen nach Singen. Auch die Kommunikation hält Voltmer für einen wichtigen Faktor. Häufig melde sich der Rettungssanitäter telefonisch, so könne man abklären, ob die nötigen Geräte bereitstünden, sollte etwa ein CT benötigt werden. Die digitalen Kommunikationskanäle erwiesen sich dabei als hilfreich.

Und manchmal sind es die Kleinigkeiten, die bei den Patienten gut ankommen. Stefan Bermel aus Gottmadingen etwa hatte seinen Finger in einer Maschine eingequetscht, ein Arbeitsunfall. Die Wunde wurde in der Ambulanz genäht und ist bisher gut verheilt. "Ich bin schnell drangekommen und alle waren sehr nett", berichtet Bermel. Daher gehe er auch gern zum Verbandswechsel in die Ambulanz nach Radolfzell, obwohl der Weg für ihn weiter sei als nach Singen.

 

Zur Klinik

  • Spezialisierung: Entscheidend für das Überleben kleinerer Krankenhäuser seien Spezialgebiete, erläutert Wolff Voltmer. In der Chirurgie habe sich Radolfzell auf Fußchirurgie spezialisiert, das werde durch die Diabetologie sehr gut ergänzt. Künftig will man einen weiteren Schwerpunkt bei Leistenbrüchen bilden.
  • Ambulanz: Die Notfallambulanz am Radolfzeller Krankenhaus ist weiterhin rund um die Uhr für Patienten geöffnet. Am Wochenende und nachts finden seit 1. April keine Operationen mehr statt.