Ob der Sportpark Mettnau einen zweiten Kunstrasenplatz bekommt, scheint noch mit vielen Fragezeichen behaftet. Der Platz soll am Weg zum Turnerheim und Bootswerft Martin und in Teilen auf Flächen der Technischen Betriebe angelegt werden. Zumindest hat der Gemeinderat Radolfzell mit deutlicher Mehrheit bei fünf Gegenstimmen und drei Enthaltungen der Aufstellung eines Bebauungsplans zugestimmt und damit die grundsätzliche Möglichkeit für den Bau eines zweiten Kunstrasenplatzes dort ermöglicht.
Kunstrasenplatz und Klimakrise
Nicht die geschätzten Baukosten von knapp 1,7 Millionen Euro für den Kunstrasenplatz trüben die Aussichten auf eine Verwirklichung ein, sondern die ökologischen und politischen Rahmenbedingungen. Zumindest die Vertreter der Freien Grünen Liste (FGL) haben bei der Beratung deutlich gemacht, dass sie bei diesem Projekt die klimapolitischen Grundsätze der Stadt Radolfzell berücksichtigt sehen wollen. Der Grundsatzbeschluss vom Juli 2019 lautet: „Der Gemeinderat sieht in der Klimakrise eine Existenzbedrohung für die gesamte Menschheit und erkennt damit die Eindämmung der Klimakrise und ihrer schwerwiegenden Folgen als Aufgabe von höchster Priorität an.“
Gisela Kögel-Hensen (FGL) erklärte mit Blick auf die neuen Klimaziele: „Umweltschutz darf nicht immer bei anderen anfangen, sondern muss es bei uns.“ Für ihre Fraktionskollegin Anja Matuszak war der Plan „indiskutabel“. In Verbindung mit dem geplanten Hallenbau der Bootswerft Martin hielt die Stadträtin fest: „Wir haben nicht nur ein Klimaproblem, sondern auch ein Artenschutzproblem.“ Sie sehe keine Möglichkeit, in diesem Bereich auch mit Blick auf das Naturschutzgebiet Markelfinger Winkel einen Kunstrasenplatz zu verantworten, die Tiere dort bräuchten eine Landverbindung. Ähnlich argumentierte Fraktionssprecher Siegfried Lehmann. Er warnte mit Blick auf den Naturschutz vor Beschlüssen, „aus denen wir nicht mehr herauskommen“. Die Freie Grüne Liste stehe dazu, dass ein „zweiter winterfester Platz“ für den Fußballbetrieb in Radolfzell kommen müsse. „Er muss aber verantwortbar sein“, schränkte Lehmann ein.
Norbert Lumbe (SPD) erkannte in diesen Beiträgen die „erste Grundsatzdiskussion unter dem Diktat des Klimawandels“. Damit werde man aber dem Thema nicht gerecht. „Mit Verlaub, das, was hier vorgebracht wird, war schon vor einem halben Jahr bekannt.“ Lumbe wiederholte: „Wir brauchen die Flächen unbedingt für den Sport, unter dem Aspekt der Gesundheit sind wir auf der Mettnau an der richtigen Stelle.“ Ob das Projekt dort gelinge und genehmigungsfähig sei, müsse die Prüfung der Behörden ergeben. Derya Yildirim (SPD) hatte überhaupt keine Probleme mit dem Standort: „Natur und Mensch kann man dort gut vereinbaren.“
Fußballvereine brauchen Trainingsmöglichkeit
Axel Tabertshofer als Vorsitzender der Interessengemeinschaft (IG) Sport warb noch einmal für den Bedarf eines zweiten Kunstrasenplatzes: „Die Radolfzeller Fußballvereine haben rund 3000 Mitglieder und die Hälfte davon sind aktiv.“ Die Umweltproblematik sehe er natürlich auch. Aber alternative Standorte seien schon geprüft worden. Für die Mettnau habe man sich entschieden, weil dort die Infrastruktur schon da sei. „Wenn wir nur einen der vorhandenen Plätze umbauen, haben wir nichts gewonnen, weil wir zusätzliche Trainingskapazität brauchen“, erläuterte Tabertshofer. Im Winter habe die IG Sport ohnehin Probleme, die Sportvereine in den Hallen unterzubringen: „Die Alternative wäre, gar nicht zu trainieren“, sagte Tabertshofer.
Schauen, was die Behörden sagen
Eine neue Standortsuche hielt OB Martin Staab zum jetzigen Zeitpunkt für falsch: „Die wirft uns nur zurück.“ Er erinnerte an das Versprechen, das der Gemeinderat dem Sport gegeben habe: „Wir haben einem zweiten Kunstrasenplatz die erste Priorität eingeräumt.“ Nach dem Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan könnten die Behörden die naturschutz- und umweltrechtlichen Belange prüfen: „Dann sehen wir im Januar oder Februar, ob es geht oder nicht“, sagte Staab.
Mit Dringlichkeitsstufe eins im Sportentwicklungsplan
Die Interessengemeinschaft Sport und die Fußballvereine in Radolfzell drängen auf einen zweiten Kunstrasenplatz
- Dringlichkeit: Im Sportentwicklungsplan der Stadt hat der Gemeinderat einstimmig bereits im Oktober 2018 den Bau eines zweiten Kunstrasenplatzes als zusätzliche Spielfläche für alle Fußballvereine im Sportzentrum Mettnau beschlossen und mit dem Dringlichkeitsmerkmal „Priorität eins“ versehen. Michael Jentsch vom SV Markelfingen koordiniert den Fußballstammtisch der Radolfzeller Vereine: „In diesem Gremium haben wir an der Standortfrage für diesen zweiten Kunstrasenplatz gearbeitet“, sagt Michael Jentsch. Dort habe man sich bis auf eine Gegenstimme (Nordstern Radolfzell) auf einen „zentralen Platz“ geeinigt. Schon seit der Inbetriebnahme des ersten Kunstrasenplatzes auf der Mettnau sei klar, dass dieser bei Weitem nicht für den Trainingsbetrieb aller Vereine ausreiche.
- Kosten: Die Kosten für den neuen Kunstrasenplatz hat Wolfgang Keller von der Stadtverwaltung Radolfzell im Oktober mit knapp 1,7 Millionen Euro angegeben. Dazu kommt die Umgestaltung der Lagerflächen der Technischen Betriebe sowie die Verlegung der Zufahrt Richtung Bootswerft mit rund 560.000 Euro Kosten. Die Sanierung und Verkleinerung des Rasenplatzes gegenüber des Mettnaustadions sowie die Schaffung von Naturschutzflächen als Ausgleich für die Umwandlung des bestehenden Grünbestands wird mit 730.000 Euro angegeben. Diese drei Posten machen zusammen knapp drei Millionen Euro und wären bei der Umsetzung fällig. Der Bau eines Umkleide- und Sanitärgebäudes (eine Million Euro) und die Sanierung des bestehenden Kunstrasenplatzes (400.000 Euro) sollen geschoben werden.
- Flutlicht: Für den abendlichen Trainings- und Spielbetrieb ist ein Flutlicht erforderlich. Die neue Technik sei heute auch auf ökologische Anforderungen ausgelegt: „Die Strahler haben keine Hitzeentwicklung mehr und können so ausgerichtet werden, dass sie nicht in den Grünbereich hineinstrahlen“, so Axel Tabertshofer von der IG Sport.
- Kork statt Plastik: Die Stadt werde die Kunstrasenhalme nicht mit Gummigranulat auffüllen, so Wolfgang Keller von der Bauverwaltung. Die EU will den Einsatz von Mikroplastik verbieten, sie wird als umweltgefährdend eingestuft. Stattdessen soll ein Korkgemisch auf dem zweiten Kunstrasenplatz eingestreut werden.