Ohne Wasser kein glanzvolles Hausherrenfest. Über die Jahre hat der Zeller See bei der Verehrung der drei Schutzherren in Radolfzell eine bedeutende Rolle eingenommen. Weltlich wie kirchlich. Am See wird gefeiert, am Sonntagabend zieht der Gondelkorso am Ufer vorbei, am Montagmorgen pilgert die Mooser Wasserprozession über den See. Tausende von Menschen warten dann auf die Ankunft der geschmückten Boote auf der Radolfzeller Hafenmole.

Die lange Tradition des Hausherrenfestes

Hier trifft die Welt auf ein kirchliches Fest, das jedes Jahr mit den gleichen Ritualen, den gleichen Abläufen eine eigentümliche Faszination entfaltet. Gerade in diesen modernen Zeiten scheint es so, als wollten sich möglichst viele – auch außerhalb der Kirche stehende – davon überzeugen, dass die Mooser noch immer ihr Gelübde aus dem Jahr 1796 erfüllen.

Damals haben die Bauern der Höri-Gemeinde versprochen, jedes Jahr nach Radolfzell zu den drei Hausherren Theopont, Senesius und Zeno zu pilgern, falls sie von der um sie herum grassierenden Viehseuche verschont blieben.

Nina Hanstein spürt die andere Dimension des Hausherrenfests, als Geschäftsführerin der Tourismus und Stadtmarketing GmbH ist sie zuständig für die weltliche Anziehungskraft der Stadt: "Das Fest wird zelebriert." Das fängt schon bei der Anzugsordnung an. "Die Radolfzeller machen sich fein", hat Nina Hanstein festgestellt.

Nina Hanstein, Geschäftsführerin der Tourismus- und Stadtmarketing Radolfzell GmbH.
Nina Hanstein, Geschäftsführerin der Tourismus- und Stadtmarketing Radolfzell GmbH. | Bild: Jarausch, Gerald

Trotz dieses Bewusstseins, ein Radolfzeller Fest zu feiern, fühlten sich Gäste nicht ausgeschlossen, "sondern sind eingeladen mitzumachen", beschreibt Hanstein ihre Eindrücke. Bestes Beispiel ist für die Touristikerin die Mooser Wasserprozession: "Das ist nicht austauschbar mit einem anderen Fest am See."

Seit 1926, als Radolfzell das 1100-jährige Bestehen feierte, kommen die Pilger aus Moos mit dem Boot. Seit wann es den Gondelkorso am Sonntagabend gibt, darüber gibt es keine genauen Angaben. Seit den Nachkriegsjahren ist er aber fester Bestandteil des Seenachtsfestes geworden – so heißt der weltliche Teil des Hausherrenfests inoffiziell noch immer.

Gebannt folgen Zehntausende am Ufer und auf der Mole dem immer gleichen Ritual am Hausherrensonntagabend, wenn die Sonne hinter den Hegaubergen verschwunden ist und eine tiefdunkle Nacht den Kontrast zum Schauspiel auf dem See gibt. Der Gondelkorso in der ersten wirklich dunklen Stunde gilt als theatralischer Höhepunkt, wenn die Boote dicht aneinandergereiht wie Perlen an der Schnur lautlos aus dem Nichts auftauchen.

Wie sich das Fest verändert hat 

Bis vor zwei Jahren warf eine bengalische Beleuchtung ein dramatisches Licht auf die Segelboote. Doch die Achs und die Wehs erklingen nicht mehr so gebannt und ergriffen. Der Korso wirkt weniger betörend und auch nicht so rauchig wie einst, die eingesetzten LED-Lampen leuchten kalt und gerade, dem Spiegelbild im Wasser fehlt das Mystische.

Wie meist, wenn neu alt ersetzt, ist das geschmälerte Schauspiel dem Faktor Sicherheit geschuldet. Zuerst wurden die Papierlampions mit echten Kerzen durch Solarlampen ersetzt, dann das offene bengalische Feuer durch die LED-Technik. Wenigstens das Feuerwerk nach dem Gondelkorso wird noch mit echten Raketen gezündet. Martin Lang, Leiter des Kulturbüros der Stadt Radolfzell und damit verantwortlich für den weltlichen Teil des Festes, weiß, dass er mit dem Thema Sicherheit bei den Beteiligten keine Begeisterungsstürme auslöst. Seine Verhandlungspartner sind die Ehrenamtlichen in den Vereinen und die wollen mit ihren Ständen vor allem eins: Zum Fest beitragen und möglichst viel für die Vereinskasse erwirtschaften. Wie die Stadtkapelle oder der FC Radolfzell.

Doch die Welt und die Vorschriften machen vor diesem ehrenwerten Engagement nicht Halt. 2015 seien die Besucher des Hausherrenfests gezählt worden: An beiden Tagen kamen zwischen 70 000 und 80 000 Menschen auf das Festgelände, in den Abendstunden am Sonntag sei mit 6000 bis 8000 Besuchern zu rechnen, die sich ständig im Uferbereich aufhalten. "Damit sind wir für Sicherheitsfragen über einer relevanten Zahl von 5000", sagt Lang.

Bei dieser Besucherdichte müssten die Vereine nachweisen, dass ihre Stände einem Sturm mit Windstärke acht standhalten. Ein Sturm kann am See ganz schnell aufziehen. "Wir sind als Veranstalter 100 Prozent in der Verantwortung, deshalb müssen wir die Sache in Angriff nehmen." Und das bedeutet: Alle Vereine bauen Zelte auf, die ein entsprechendes Zertifikat nachweisen können. Die Stadtkapelle Radolfzell muss deshalb auf eine selbst gefertigte und seit 25 Jahren bewährte Stahlkonstruktion aus Gerüstelementen für ihren Stand verzichten.

Auch diese Veränderung wird die Stadtkapelle meistern. Ihre Mitglieder wandeln wie kaum andere ständig in diesen Tagen zwischen weltlicher und kirchlicher Welt: keine Prozession ohne Stadtkapelle mit der eingängigen Melodie des Hausherrenlieds, ohne Stadtkapelle keine Bewirtung am langen Stand vor dem Konzertsegel. Das Hausherrenfest verpflichtet, auch wenn es sich verändert.

Darüber staunt selbst Stadtpfarrer Michael Hauser immer wieder: „Radolfzell hat einen Sinn für Tradition und Beständigkeit, man kann Ostern und Weihnachten abschaffen, das Hausherrenfest und die Fasnacht nicht.“ Und Nicht-Radolfzeller mögen es kaum glauben: Für die Einheimischen sind Hochamt und Prozession durch die Altstadt am Hausherrensonntag fast wichtiger als die Mooser Wasserprozession am Montagmorgen.