Fehlende Leitsysteme für Blinde, zu hohe Bahnsteige, viele Treppen: Wer am Bahnhof in Radolfzell unterwegs ist, den stellt die nicht vorhandene Barrierefreiheit vor große Herausforderungen. Vor allem Reisende mit Rollator, Rollstuhl, Kinderwagen oder schwerem Reisekoffer sind betroffen. „Es muss etwas passieren und zwar unabhängig von der Seetorquerung„, sagt Constanze Werdermann, Behindertenbeauftragte der Stadt Radolfzell.

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Vieles muss besser werden

Die 39-Jährige hat eine Reihe von Verbesserungsvorschlägen: „Der Bahnhof in Radolfzell ist alles andere als touristen- und behindertengerecht. Und das als Touristenstadt am Bodensee.“ Los geht es ihrer Meinung nach schon im Eingangsbereich, wie sie bei einem Vorort-Termin erzählt. Damit spielt Werdermann auf die Treppen an, die auf das Bahnhofsgelände führen. Zwar sei an der Seite etwas nebenan eine Rampe, auf die jedoch nicht hingewiesen werde, etwa durch eine klare Beschilderung. Gerade Nicht-Ortskundige wüssten das nicht. Ohnehin wünscht sich Werdermann eine zentrale Rampe an der Treppe im Eingangsbereich, dazu ein zusätzliches Geländer in der Mitte der Unterführungs-Treppe einige Meter weiter.

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Besonders bedenklich sei die Situation bei der Behindertentoilette. Zwar gibt es am Bahnhof eine, doch diese riecht streng und ist laut Constanze Werdermann zu eng. „Sie müsste viel größer und moderner sein, denn mit dem Rollstuhl kann man sich darin so gut wie nicht drehen“, erzählt sie. Und ergänzt: „Außerdem gibt es keine Wickelmöglichkeit.“ Nach Meinung von Elke Lentzsch, Beisitzende im Behindertenrat, ist das Behinderten-WC zudem zu niedrig. Das größte Problem aber ist: die Tür des Klos ist abgeschlossen und der Schlüssel in einem Häuschen bei Gleis vier. „Wie soll ein Rollstuhlfahrer dort hinkommen, zumal es in der Regel schnell gehen muss“, fragt sich Constanze Werdermann. „Zuerst muss man auch erst mal wissen, wo der Schlüssel überhaupt ist“, ergänzt Jochen Lentzsch vom Sozialverband VdK.

Unterführung ist ein Hauptproblem

Derweil können zum Beispiel Rollstuhlfahrer, aber auch Menschen mit Rollator, die Unterführung gar nicht nutzen. Zumindest für diejenigen, die allein unterwegs sind, ist der alternative Weg beim Busbahnhof laut Constanze Werdermann zu steil. „Darüber hinaus sorgen kaputte Stellen auf dem Weg für Stolperfallen und Gefahr, vor allem während des Winters“, stellt die Behindertenbeauftragte fest. Der hintere Weg neben den Treppen in Richtung See sei ebenfalls zu steil, nicht gut ausgeschildert und mache dadurch nicht deutlich, wo er hinführe.

Für junge und mobile Menschen ist Treppensteigen kein Problem.
Für junge und mobile Menschen ist Treppensteigen kein Problem. | Bild: Singler, Julian

Stattdessen müssen gehbehinderte Menschen über die Gleise zum Zug, wenn dieser nicht auf Gleis eins abfährt. Das darf man jedoch nur in Begleitung eines Bahnmitarbeiters. „Das ist eine Zumutung und bis jemand zur Hilfe kommt, kann es teilweise ewig dauern“, sagt Jochen Lentzsch. Mit der Situation konfrontiert, schildert ein zuständiger Mitarbeiter für den Bahnhof in Radolfzell: „Der Weg ist alles andere als ideal. Schiebe ich jemanden im Rollstuhl über die Gleise, bleibt man oft stecken.“ Weiter sagt er: „Das ist eine Katastrophe hier. Ich kenne kaum einen anderen Bahnhof, der in einem solch schlechten Zustand ist.“

Den Weg über die Gleise darf man nur in Begleitung eines Bahnmitarbeiters nutzen.
Den Weg über die Gleise darf man nur in Begleitung eines Bahnmitarbeiters nutzen. | Bild: Singler, Julian

Indes weist er darauf hin, dass man den alternativen Weg nicht nur mit Rollator oder Rollstuhl in Anspruch nehmen kann. Auch, wer mit einem schweren Koffer unterwegs sei, könne darauf zurückgreifen. Beispielsweise könne beim Fahrkartenkauf um Hilfe gebeten und sich über den Service erkundigt werden. „Das wissen leider viele nicht. Deswegen trauen sich viele gehbehinderte Menschen auch schon gar nicht mehr an den Bahnhof. Immer um Hilfe bitten zu müssen, ist lästig“, so Constanze Werdermann.

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Der Weg über die Gleise wird oft ausgenutzt, sagt der Bahnmitarbeiter – von Menschen, die gar keine körperlichen Einschränkungen haben. Diese seien lediglich zu faul, die Unterführung zu nutzen. Die Lösung für die Probleme am Bahnhof ist nach Meinung von Constanze Werdermann relativ einfach: Aufzüge. Der Bahnmitarbeiter aber meint zu wissen: „Die nächsten Jahre wird in dieser Hinsicht nichts kommen.“