Der Novemberwind treibt nicht nur die Surfer auf den Zeller See und hinüber nach Moos, in der Mittagszeit treibt es viele in der Stadtmitte aus dem Büro, um sich an der Radolfzeller Seepromenade eine steife Brise um die Nase wehen zu lassen oder mit einem Fitzelchen der ohnehin spärlichen Novembersonne das Gesicht aufwärmen zu lassen. Doch Ach und Weh, gerade auf der Mole schiebt sich ein mächtiges Bauwerk vor die tief stehende Novembersonne.

Das neue Gastronomiegebäude der Bodensee-Hafengesellschaft dürfte einer amateurhaften Einschätzung nach kurz vor der Fertigstellung stehen und bekommt schon jetzt sein Fett weg, bevor überhaupt der Bauzaun abgeräumt ist.

Wo ist die Sicht auf den See?

Die Kritik der architektonisch wie landschaftlich interessierten Spaziergängerinnen und Spaziergänger – so sie zu zweit sind – wird eher laut als halblaut in die öffentliche Flaniergesellschaft getragen. Das Volumen des Gebäudes wird zur Kenntnis genommen: „Aha, und wo ist jetzt die Sicht auf den See?“ Genau so wie das Leitbild „alte Speicherhalle“, das für den Siegerentwurf im Architektenwettbewerb als Motiv genannt worden war.

Der Vergleich mit den alten Güterhallen

Die Holzlattenverkleidung muss Spott ertragen: „Der Schuppen passt auch auf jeden Gemüseacker auf der Höri.“ Oder auf eine der vielgeliebten Streuobstwiesen. Noch böser sind diejenigen, die das Bauwerk mit den abgerissenen Güterhallen von früher auf der anderen Seite der Bahnlinie vergleichen: „Hat man die jetzt auf der Mole wieder aufgebaut?“

Vom Scheffelhof aus gesehen: Das ehemalige Bahngebäude (links) und die Güterhallen rechts sind im Jahr 2016 für die mittlerweile als ...
Vom Scheffelhof aus gesehen: Das ehemalige Bahngebäude (links) und die Güterhallen rechts sind im Jahr 2016 für die mittlerweile als Projekt wieder gestrichene Seetorquerung abgerissen worden. | Bild: Jarausch, Gerald

Mit diesem Gedanken sind die Kritiker ganz bei der Idee der Erbauer. Denn das neue Wirtschaftsgebäude auf der Mole sollte auch die Tradition der Stadt aufnehmen. Denn der Gedanke „wo Halle, da Gastronomie“ ist nicht alleine diesen modernen Zeiten vorbehalten.

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In den Güterhallen pflegte die Bahnkantine einst eine gutbürgerliche Küche, die sogar für einen Lausbubengeldbeutel in den Siebzigerjahren erschwingliche Gerichte in der Auslage hatte. Keine zwei Mark für einen Schübling mit Kartoffelsalat.

Gibt es wieder Kartoffelsalat mit Schübling?

Was das Gericht in der neuen Molen-Halle wohl kosten wird? Zehn, zwölf, über 18 Euro? Wer diesen Sommer erfahren hat, was für Preise der Pächter der Hafengastronomie im bereits eröffneten Mole-Kiosk aufgerufen hat, wird in dem neuen Gastro-Hallen-Tempel vielleicht nicht Kartoffelsalat mit Schübling wählen.

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Die Neugier wird die Menschen schon in die neue Molenhafenhalle hineintreiben. Wenn der Bauzaun erst mal weg ist. Ob die Architekturkritik dann immer noch so wohlwollend ausfällt? Das hängt an diesem vielleicht nicht mehr ganz so fernen Tag davon ab, ob die Sicht von drinnen nach draußen den Blick auf den See freigibt. Schübling hin oder her, die Preise der Güterhallenbahnkantine von einst bleiben eh unerreicht.