Das kommt nicht alle Tage vor: Die Tourist-Information der Stadt Radolfzell hat während des Kräuterfestivals an einem Tag fünf Besucher registriert, die sich über die Preise des neuen Selbstbedienungs-Biergartens auf der Mole beschwerten. Auf der Preistafel sind die Ausschläge so ausgefallen wie der Name für den Biergarten der „Lakeside-Collection“ ungewöhnlich ist: Für einen Espresso zahlt man 3,10 Euro, in der Café-Pizzeria und Eisdiele Da Toni ein paar Schritte weiter Richtung Bahnhof kostet der kleine Schwarze 2,20 Euro. Mit Bedienung am Tisch.

Am See sorgt die große Preistafel für Erstaunen. In den sozialen Medien hat die Lakeside-Preisgestaltung für ein kleines Beben gesorgt. Und die Kritiker dieser Marktpolitik äußern sich nicht nur im Internet oder in der Touristinformation. Selbst OB Simon Gröger hat die Preise im Gemeinderat als „nicht angemessen“ bezeichnet.

Das könnte Sie auch interessieren

Geschäftsführer Daniel Stütz vom Pächter Lakeside-Collection GmbH in Lindau, der den Biergarten und später die Gastronomie auf der Mole betreibt, hat auf unsere Fragen nur sehr allgemein geantwortet: „Dass wir als neue Betreiber an diesem so exklusiven Ort unter starker Beobachtung stehen, war und ist uns bewusst.“ Die konkreten Fragen lauteten, wie es zur Preisgestaltung für den Biergarten-Kiosk gekommen sei und ob es nicht sportlich sei, für einen Espresso 3,10 Euro zu verlangen oder dass es mehr als für Radolfzeller Verhältnisse üblich sei, 4,40 Euro für eine Weinschorle aufzurufen. Wohlgemerkt alles unter dem Vorzeichen der Selbstbedienung.

Besondere Preise an besonderem Platz?

Geschäftsführer Stütz antwortet: „Uns ist klar, dass wir nicht billig sind. Das wollten wir mit Zustimmung aller anderen Parteien an diesem besonderen Platz auch nie sein. Unser Ziel ist es, preiswert zu sein, und dieses Ziel werden wir auch in Zukunft weiter verfolgen.“

Was preiswert ist und was nicht, das liegt im Auge und im Geldbeutel des Bezahlenden. Noch gibt es preiswertere Alternativen und eine liegt direkt am Aufgang aus der Bahnunterführung. Doch die Tage der bestehenden Café-Pizzeria und Eisdiele Da Toni sind gezählt. Das Ufer wird neu gestaltet, der Vertrag mit der Stadt läuft noch bis Oktober, danach soll die Ladenzeile an der Rückseite von Gleis sechs für eine Neugestaltung des Uferbereichs abgerissen werden. Es gibt einen Konkurrenzausschluss für die Mole-Gastronomie in diesem Bereich, den die Stadt mit dem Eigentümer des neuen Mole-Gastronomiegebäudes, der Bodensee-Hafengesellschaft, vertraglich festgelegt hat.

Die günstigere Konkurrenz muss weichen

Der Protest der Betreiberfamilie Nadile, die mit einer Unterschriftenliste gegen die Vertreibung von dem seit nahezu 25 Jahren angestammten Platz ankämpft, zeigt Wirkung. Befeuert durch die Preisgestaltung der Mole-Gastronomie haben Stadträte ihr Herz für die Eisdiele entdeckt. Norbert Lumbe (SPD) spricht sich dafür aus, einen anderen Platz zu finden, der ähnlich attraktiv sei. Das sei ein richtiges und wichtiges Thema: „Wo kann man am Seeufer eine Eisdiele unterbringen?“

Helmut Villinger (CDU) bereut, dass niemals im Gemeinderat über den Eispavillon diskutiert worden sei: „Wenn jemand 25 Jahre solch einen Eispavillon betreibt, ist es wichtig, dass man eine Lösung findet.“ Selbst Siegfried Lehmann (FGL) glaubt: „Das Angebot hat an einer anderen Stelle durchaus seine Möglichkeit und seinen Platz.“

Das könnte Sie auch interessieren

Diese beiden Bedingungen werden nun geprüft. Auch OB Gröger sieht die Wertschätzung der Radolfzeller Bevölkerung für den Eispavillon der Familie Nadile. Aber der Rückbau sei aufgrund des Planungsverfahrens für die Neugestaltung dieses Bereichs und die vertraglichen Bestimmungen mit der Bodensee-Hafengesellschaft nicht mehr rückgängig zu machen. Für die Suche nach einem neuen Standort gibt Gröger zu verstehen, dass nicht automatisch die Familie Nadile den Zuschlag bekommen würde: „Wenn wir einen neuen Standort finden, müssen wir das ausschreiben.“

Experte soll Einschätzung abgeben

Zuerst will der OB aber eine Einschätzung von einem Gutachter, wie viel Gastronomie das Seeufer in Radolfzell verträgt – „auch unter Betrachtung der Altstadt“. Diese Expertise sei bereits in Auftrag gegeben. Ob in dieser fachlichen Einschätzung dann auch etwas zu ortsüblichen Espresso-Preisen steht, bleibt abzuwarten. Geschäftsführer Daniel Stütz will ungeachtet dieser Diskussion und mit Verweis auf die Herausforderungen und gestiegenen Preise in der Gastronomie mit seinem Team von der Lakeside-Collection GmBH auf der Mole alles daran setzen, „unseren Gästen an diesem wunderschönen Platz, etwas Besonderes zu bieten“.

Das könnte Sie auch interessieren

Bodensee-Hafengesellschaft verweist bei der Preisgestaltung auf den Pächter

Zur Situation auf der Mole Radolfzell und dem Baufortschritt dort hat Josef Siebler als Pressesprecher der Stadtwerke Konstanz und der Bodensee-Hafengesellschaft (BHG) auf unsere Fragen geantwortet.

Pressesprecher Josef Siebler (Archivbild).
Pressesprecher Josef Siebler (Archivbild). | Bild: Buchholz, Michael

Herr Siebler, warum hat die BHG auf einen Konkurrenzausschluss für den Pächter auf der Radolfzeller Mole bestanden?

Das aus einer umfangreichen Bürgerbeteiligung resultierende Gesamtkonzept der Stadt Radolfzell zur Uferneugestaltung, welches nur einen Gastronomiestandort auf der Mole vorsah, war wesentliche Grundlage der Investitionsentscheidung der BHG an dieser Stelle. Das Konzept sah von Beginn an keinen weiteren Gastronomiebetrieb im Umfeld vor, sondern den ersatzlosen Abbruch der bestehenden Gebäude wie Eisdiele/Pizzeria, BSB-Fahrkartenschalter und WC-Anlage. Dies war auch Basis für den von der BHG ausgelobten Planungswettbewerb für den Neubau, der ein diesem besonderen Standort gerechtes Ergebnis mit hoher Qualität brachte. Danach werden der Fahrkartenschalter und die öffentliche WC-Anlage in den Neubau der BHG auf der Mole integriert. Unsere erheblichen Investitionen, die aufgrund der aktuellen Baukostensteigerungen inzwischen deutlich über den ursprünglich kalkulierten Kosten liegen, erfordern im Gegenzug entsprechende Gastronomieumsätze.

Das könnte Sie auch interessieren

Hinzu kommt, dass die relevanten Grundstücke im Umfeld bislang fast durchweg der BHG gehören und insofern die Zulassung von konkurrierenden Nutzungen dort schon weitgehend unserer Entscheidung obliegt. Auf ausdrücklichen Wunsch der Stadt Radolfzell werden viele Flächen nach Inbetriebnahme der neuen Molengastronomie der Stadt zur Nutzung als öffentliche Verkehrs- und Grünflächen übereignet. Die Konkurrenzschutzklausel dient insofern der künftigen Sicherung der bisherigen Belange auf aktuell noch in unserem Eigentum stehenden Grundstücken.

Hat die BHG Einfluss auf die Preisgestaltung des Pächters? – Der Espresso kostet 3,10 Euro, die Weinschorle 4,40 Euro.

Die Preisgestaltung in der neuen Gastronomie obliegt im Rahmen des vereinbarten Gastronomiekonzeptes wie üblich dem Pächter.

Das könnte Sie auch interessieren

Wann ist mit einem Bezug des Cafés zu rechnen und wie ist der aktuelle Stand der Bauarbeiten?

Am Hauptgebäude wird aktuell der Holzbau aufgerichtet. Die Holzbinder werden aufgestellt und gleichzeitig die vorgefertigten Fassaden- und Dachmodule eingebracht. Damit wächst das Gebäude Achse um Achse von Norden nach Süden. Der Innenausbau beginnt mit den Trockenbauarbeiten und den Rohinstallationen. Der Fenster- und Glaseinbau erfolgt ab Anfang Juni. Im Juni wird auch die Blecheindeckung erstellt, so dass im Juli die PV-Anlage errichtet werden kann. Fertigstellung ist wie gehabt für Herbst 2022 vorgesehen. Danach beginnt der Innenausbau des Pächters. Die Arbeiten an den übrigen Freiflächen starten nach der Saison Mitte Oktober. Voraussetzung ist, dass es zu keinen Lieferschwierigkeiten kommt. Nach aktuellem Stand eröffnet die Gastronomie zum Saisonstart im Frühjahr 2023.