Antonio Nadile betreibt seit 24 Jahren einen gastronomischen Betrieb an der Radolfzeller Mole, der spätestens mit Ende des Jahres 2022 der Vergangenheit angehören soll. Dann nämlich soll seine Pizzeria und Eisdiele „Da Toni“ endgültig der Vergangenheit angehören. Die Entscheidung darüber haben andere getroffen. Die Stadt Radolfzell und die Bodensee Hafengesellschaft (BHG) Konstanz, eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Stadtwerke Konstanz, haben gemeinsam beschlossen, dass Radolfzeller Ufer an dieser Stelle neu zu gestalten.
Die Hafengesellschaft verkaufte rund 22 500 Quadratmeter entlang des Radolfzeller Seeufers an die Stadt, die Stadt Radolfzell veräußert eine Fläche von rund 500 Quadratmeter an die Hafengesellschaft auf der Mole. Die BHG baut derzeit auf der Mole ein neues gastronomisches Angebot und die Stadt Radolfzell plant ihrerseits auch eine Neugestaltung des Seeufers. Und dies ohne die Pavillons der Pizzeria und Eisdiele „Da Toni“. Für Nadiles bedeutet es das wirtschaftliche Todesurteil. Denn eine Möglichkeit seine Pizzeria und Eisdiele weiterzuführen, wurde ihm laut eigener Aussage von Seiten der Stadt nicht eingeräumt.
Nach zwei Stunden 250 Unterschriften
Nun hat der 58-jährige Gastronom zum Gegenangriff geblasen. Mithilfe einer Petition und Unterschriften-Sammlung möchte er erwirken, dass der Prozess der Umgestaltung noch einmal überdacht wird. Dass er damit vermutlich viel zu spät beginnt, begründet er mit der Tatsache, dass in den vergangenen Jahren die geplante Seetorquerung eigene Pläne vor Ort verhindert haben. Der rege Zuspruch, den er von Passanten und Fußgängern auf der Seeseite des Eisenbahn-Schienenstrangs seit Beginn der Unterschriftensammlung bekommt, bestärkt ihn. „Wir hatten schon nach zwei Stunden über 250 Unterschriften“, berichtet sein Neffe Damiano Nadile.

Besonders verärgert zeigen sich die beiden über die Tatsache, dass niemand aus der Verwaltung mit ihnen Kontakt aufgenommen hat, um über die Planungen aufzuklären. „Ich habe immer erst alles über die Zeitung erfahren“, berichtet Antonio Nadile. Dazu gehört neben dem Aus der Seetorquerung auch die geplante Neueröffnung eines Gastronomiebetriebes, nur einen Steinwurf von seinem entfernt. Die geplante Entwicklung der Seetorquerung – das Projekt wurde im Januar 2020 für beendet erklärt – habe seinen Betrieb seit mehr als zehn Jahren blockiert. Er habe seit dem Jahr 2009 Pläne für einen Um- und Ausbau seines Betriebes vor Ort in der Tasche, die in der Verwaltung nach Vorlage jedoch nie Beachtung gefunden hätten.
Anmerkungen der Stadtverwaltung verärgern Betreiberfamilie
Den Gipfel der Ungerechtigkeit sieht die Familie Nadile in einigen Anmerkungen der Stadtverwaltung, die nach ihrer Ansicht einen Protegismus des künftigen Gastronomiebetriebes bedeuten. So findet sich in den Sitzungsunterlagen für den Ausschuss Planung, Umwelt und Technik folgendes: „An der Nordseite (jetziger Standort der Pizzeria, Anmerkung der Redaktion) noch etwas anzubieten werde eher schwierig, da auf den erworbenen Flächen der BHG keine Konkurrenz geschaffen werden darf. Er (der Vorsitzende, Anmerkung der Redaktion) habe der BHG weitergegeben, dass es sinnig wäre, wenn das Personal, dass bzgl. des Fahrkartenverkaufs anwesend ist, einen Eisverkauf oder ähnliches mit anbietet“. Die Familie Nadile liest diese Sätze wie eine Zusage an den künftigen Gastronomiebetreiber, die Konkurrenz fern zu halten.
Seinen Protest lässt sich Antonio Nadile durchaus einiges kosten. Er lässt seinen Betrieb trotz möglicher Einnahmen an den letzten schönen Spätsommertagen geschlossen, um möglichst viele Unterschriften für sein Begehren zu Sammeln. Die Mitarbeiter bezahlt er in dieser Zeit trotzdem. Die Stadt habe ihm nun ein Angebot gemacht, die geplante Schließung im kommenden Frühjahr noch einmal um ein Jahr zu verschieben, weil die neue Gastronomie auf der Mole bis dahin noch nicht wie geplant fertig gestellt sein wird. „Dann müsste ich den Schlüssel am 15. Oktober 2022 abgeben“, sagt er. Doch nun hat der 58-jährige keine Lust mehr, klaglos das Feld zu räumen. „Wir haben nichts mehr zu verlieren. Ich ziehe das jetzt durch“, gibt er sich kämpferisch.
Stadt: Pächter hat von Abrissplänen gewusst
Irritiert zeigt sich die Stadt Radolfzell von der Petition des Gastronomen. Schon 2012 habe es Bürgerworkshops gegeben, in denen die Neugestaltung des Uferbereichs diskutiert wurde, schreibt der Sprecher der Stadt Radolfzell, Moritz Schade, auf Anfrage. Dort habe man den Bau eines neuen attraktiveren Gebäudes beschlossen, welches mehrere Nutzungen in sich vereinen soll. Gleichzeitig sei der Abriss der Toiletten, des Fahrkartenhäuschens und des Kiosks angeregt worden. Der Pächter sei laut Schade bei den Workshops anwesend gewesen, habe seit Jahren von den Plänen gewusst.
Der Gemeinderat habe diese Bürgerideen in den vergangenen Jahren immer wieder mit Beschlüssen bestätigt. Dass die Pizzeria und die Eisdiele ein Auslaufmodell seien, sei spätestens nach dem Gemeinderatsbeschluss 2013 klar gewesen, schreibt Schade. Im November 2020 habe der Gemeinderat den Baubeschluss für die Platzgestaltung gefasst, danach sei die Stadtverwaltung auf den Pächter zugegangen. „Die Kommunikation mit dem Pächter findet bereits seit vielen Monaten statt“, so Schade.
Protest kommt deutlich zu spät
Die angeblich versprochene Konkurrenzlosigkeit an den neuen Pächter der Molen-Gastronomie möchte die Stadt ebenfalls so nicht stehen lassen. Dass es nur eine Gastronomie an der Stelle geben solle, stehe so im Bebauungsplan. Die BHG fasse in ihrem Gebäude alle dort vorgesehenen Nutzungen zusammen, also auch den Fahrkartenschalter, die Toiletten, den Eisverkauf und die Außengastronomie. Dies habe der Gemeinderat mehrfach diskutiert und so beschlossen. „Einwendungen von Seiten des Kioskbetreibers in diesem Zeitraum sind uns nicht bekannt.
Der Kioskbetreiber hat sich unseres Wissens auch nie um eine der ausgeschriebenen Gastronomien bemüht, zum Beispiel für die Mole, Gastronomie in der Innenstadt oder aktuell etwa in den städtischen Bädern“, so Schade. Es sei verständlich, dass der Kioskbetreiber gerne alles beim Alten belassen wolle, doch der Protest komme deutlich zu spät. Jetzt gebe es Verträge und Beschlüsse, die die Entwicklung an der Mole nicht wieder rückgängig machen könnten.