Der Ernst des Lebens ist zurück: Nun werden wieder die Schulbänke besetzt, die Klassenzimmer regelmäßig gelüftet und die Luftfilter angeworfen – sofern vorhanden. Denn am Montag hat das neue Schuljahr begonnen. Es ist das mittlerweile dritte Jahr unter Corona-Bedingungen. Viele Schüler, Eltern und Lehrer werden hoffen, dass kein weiterer Lockdown kommt, dass der Präsenzunterricht erhalten bleibt und dass Fern- oder Wechselunterricht der Vergangenheit angehören.
Doch nach zwei pandemiegeprägten Schuljahren und steigenden Inzidenzwerten stellt sich zu Beginn des Schuljahres die Frage: Wie sind die Radolfzeller Schulen vorbereitet? Mit welchen Erwartungen gehen die Eltern in das Schuljahr? Und was bedeutet es für Schüler, dass das Schuljahr in Präsenz beginnt?
Besorgte Blicke auf Inzidenzwerte
Markus Zähringer, Schulleiter des Berufsschulzentrums Radolfzell, sagt: „Wir Lehrer sind in angespannter Erwartungshaltung. Die Pandemie ist noch nicht vorbei.“ Vor allem mit Blick auf die aktuelle Infektionswelle seien er und seine Kollegen angespannt. „Wenn man die Inzidenzwerte von vor den Sommerferien mit den aktuellen Zahlen vergleicht, macht man sich schon seine Gedanken“, sagt er.
„Jetzt starten wir erst einmal mit dem Präsenzunterricht und fahren weiter auf Sicht.“ Er gehe nicht davon aus, dass die aktuelle Corona-Verordnung die letzte sei. Stattdessen ist er sich sicher: „Die Landesregierung wird bei den Regelungen im Laufe der kommenden Monate immer wieder nachsteuern.“ Oft hatten Schulleiter kritisiert, dass Verantwortliche des Ministeriums oft kurzfristig die Informationen zu neuen Verordnungen verschickt hätten.
Doch mit Kritik an dem oft gescholtenen Kultusministerium hält sich Zähringer zurück. „Das Kultusministerium konnte immer erst reagieren, wenn eine neue Verordnung raus war und sich die Ministerpräsidenten geeinigt haben.“ Es war klar, dass eine Verordnung nicht davor an uns geschickt wird.
Schulleiterin: Schulen können nach wie vor Hotspots sein
Gabriele Wiedemann, Rektorin der Gerhard-Thielcke-Realschule, geht dagegen mit einem guten Gefühl in das neue Schuljahr. „Wir freuen uns, dass das Schuljahr in Präsenz beginnt und hoffen, dass uns das erhalten bleibt.“ Sie fände es gut, dass die Politik vieles daran setzte, den Präsenzunterricht für die Kinder und Jugendlichen zu ermöglichen. „Die Schüler brauchen das.“
Was die Vorbereitungen auf das neue Schuljahr angehe, wolle sie daher ein Lob an das Kultusministerium aussprechen, sagt sie. „Bereits zwei Wochen vor Schulstart haben wir Informationen erhalten, was die Regelungen für den Schulstart sind.“ Während der vergangenen anderthalb Jahre sei das anders gewesen, sagt sie. „Da haben wir oft erst am Wochenende die Informationen erhalten.“
Aber kehrt nach den Sommerferien Ruhe in den Schulen ein? Nein, glaubt Wiedemann. „Ich glaube, dass uns die Infektionszahlen bald einholen“, sagt sie mit Blick auf die vierte Corona-Welle. „Die Schulen können nach wie vor Hotspots für Infektionen sein.“ Auch die Thematik rund ums Testen und Impfen sei in der Elternschaft ein potenzielles Reizthema, sagt sie. „Wir pflegen einen guten Kontakt zur Elternschaft, doch solange wir Test- und Impfgegner haben, werden wir an unserer Schule Konfliktthemen haben.“
Kritik für Kultusministerium
Anders blickt Ulrike Heller, Schulleiterin des Friedrich-Hecker-Gymnasiums, auf den Schulstart. „Ich gehe mit gemischten Gefühlen in das Schuljahr“, sagt sie und begründet: „Laut RKI sind wir bereits in der vierten Welle. Wir müssen sehen, wie sich das entwickelt.“ Lehrer und Schüler hofften, dass Schulschließungen vermieden werden. „Ein Lockdown ist für die Schüler problematisch, nicht wegen des Wissensstandes, sondern wegen ihrer psychischen Gesundheit.“ Viele Schüler seien deshalb wegen Depressionen, Essstörungen oder anderer Verhaltensauffälligkeiten in Therapie. Doch Heller glaubt, dass dies nur die Spitze des Eisbergs sei.
Die Schulleiterin kritisiert zudem, dass sich die Informationspolitik des Kultusministeriums nicht geändert habe. „Am Mittwoch vergangener Woche haben wir eine Vorab-Information zur Corona-Verordnung erhalten, die ab Montag in Kraft treten sollte.“ Darin bleibe aber unklar, wie sie anzuwenden sei. Sie sagt: „Es geht genauso weiter, wie es vor den Ferien geendet hat.“ Bei neuen Corona-Verordnungen habe sie sich durch die Dokumente und vergangenen Verordnungen gearbeitet. „Das war kompliziert und dauerte lange, bis ich das verstanden habe.“ In den vergangenen anderthalb Jahren konnte sie daher als Pädagogin kaum in Erscheinung treten, sagt sie. „Ich war vielmehr Verwalterin und Krisenmanagerin.“
Viele Eltern sind nach durch die Pandemie „echt am Ende“
Antje Groll, Gesamtelternbeiratsvorsitzende der Radolfzeller Schulen, wünscht sich, dass die Schulen nicht mehr so kurzfristig vom Kultusministerium über Änderungen informiert werden. „Oft wurde ihnen damit der Schwarze Peter zugeschoben“, kritisiert sie. „Von der Radolfzeller Stadtverwaltung wünsche ich mir eine gute Kommunikation und, dass Bedürfnisse schnell und unkompliziert umgesetzt werden.“
Sie hoffe vor allem, dass Homeschooling vermieden werde. „Viele Kinder haben psychisch extrem unter der Pandemie gelitten“, sagt sie. Auch viele Eltern sind nach dieser Zeit „echt am Ende“. „Wir sollten daher zur Normalität zurückkehren und schauen, wie sich das an Schulen entwickelt. Für die Kinder ist es für das kommende Schuljahr wichtig, gemeinsam zu lernen und Sozialkompetenz zu erwerben. Wir müssen mit der Situation leben und weiter vorsichtig sein. Ich denke, die Mischung macht es.“
Schülerin: Hoffnung auf viel Präsenzunterricht
Aber wie blicken die Radolfzeller Schüler auf das kommende Schuljahr? Paula Kempter, Schülerin der Ratoldus-Gemeinschaftsschule und Mitglied des Jugendgemeinderats, zeigt sich bei der Frage optimistisch. Doch die 14-Jährige weiß: „Es kann alles passieren und es können noch weitere Virusvarianten auftreten.“ Der Neuntklässlerin habe in den vergangenen Schuljahren vor allem der Präsenzunterricht gefehlt.
„Die Ungewissheit und die wechselnden Regelungen waren nervig und sehr anstrengend.“ Außerdem habe sie im Online-Unterricht nicht gut lernen können, erklärt sie. Für sie sei daher Kontinuität beim Lernen wichtig. „Ich mache in zwei Jahren meinen Schulabschluss, da finde ich es wichtig, in Präsenz zu lernen.“