Idee gut, Umsetzung geht gar nicht – so schaut das Urteil von Turnverein und Skiclub Radolfzell aus, nachdem der Vorstand die Teilnahmebedingungen am Vereinswettbewerb zum Corona-Testwochenende geprüft hat. Die Idee der Stadt: Jeder lokale Verein erhält für jedes Mitglied, das getestet wird, einen Euro in die Vereinskasse. Was noch mehr Geld bringt: 20 Vereine sollen prämiert werden, die sich besonders aktiv am Testtag beteiligen. Die Prämien reichen von 1000 Euro bis 75 Euro, je nach Platzierung und Größe des Vereins. Das bürokratische Vorgehen der Stadt schreckt die beiden größten Vereine Turnverein mit rund 1300 Mitgliedern und den Skiclub mit 1100 Mitgliedern ab. Kritik kommt auch aus den Reihen des Gemeinderats. Grundsätzliche Kritik am Testwochenende äußert FDP-Stadtrat Jürgen Keck, Siegfried Lehmann von der FGL hält die Umsetzung „aus Infektionsschutzgründen für sehr problematisch und kontraproduktiv“.

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Die Kritik von Keck: Das Kopfschütteln des FDP-Stadtrats ist aus jeder Zeile seiner Stellungnahme herauszulesen. „Das Testwochenende in Radolfzell hat für mich nichts mehr mit Gesundheitspolitik zu tun“, schreibt Keck. Es sei richtig, dass auch Vereine unter der Pandemie leiden und unterstützt werden müssten. „Aber ein Wettbewerb, um mehr Menschen dazu zu bekommen, sich freiwillig testen zu lassen? Der 1. April war vor drei Wochen“, rückt Keck die Aktion in Richtung Aprilscherz. Nach seiner Aussage wäre vielen Betroffenen mit einem Gemeindeimpftag wie in Moos mehr geholfen.

FDP-Stadtrat Jürgen Keck
FDP-Stadtrat Jürgen Keck | Bild: Becker, Georg

Der ist in Radolfzell erst am zweiten Mai-Wochenende. Was Keck noch mehr ärgert, ist das plötzliche Geldausgeben. Der Gemeinderat habe in unzähligen Sondersitzungen versucht, das Minus in der Kasse zu auszugleichen. „Schlussendlich wurden leider auch Musikschulbeiträge, Kinderbetreuungs- und Hallennutzungsgebühren für Vereine erhöht. Da frage ich mich schon, woher plötzlich derartige Preisgelder kommen, die man nun zur Wiedergutmachung an die Vereine ausbezahlen möchte“, ärgert sich der FDP-Stadtrat.

Turnverein lehnt Verantwortung ab: Annette Neitsch hat als Vorsitzende des Turnvereins der Stadtverwaltung die Absage des Turnvereins schriftlich mitgeteilt. Sie richte sich nicht gegen das Ziel dieser Veranstaltung: „Wir stehen zu einhundert Prozent hinter den Testtagen, aber es ist höchst fragwürdig, wie die Verwaltung uns Vereine zur Teilnahme an diesen Testtagen aufruft.“ Am Telefon nennt sie zwei Gründe, warum der Vorstand sich gegen eine Teilnahme an diesem Corona-Testwettbewerb entschieden habe. Die Vereine seien angehalten, Zeitblöcke in den Testzentren zu reservieren und in Gruppen von bis zu 30 Personen sich anzumelden. Da gebe es doch einen erheblichen Widerspruch zu den strikten Regeln der Corona-Verordnung und dem geforderten Vorgehen der Vereine.

Annette Neitsch (Turnverein)
Annette Neitsch (Turnverein) | Bild: Lange, Georg

„Wir dürfen keinen Sport in der Gruppe machen und sollen jetzt eine Gruppe für das Testwochenende bilden?“, fragt Annette Neitsch und gibt die entsprechende Antwort: „Das wollen wir so nicht verantworten.“ Zudem müsste der Turnverein – wie alle Vereine – eine „Gruppenanmeldung Vereine Testtage Radolfzell“ mit Name, Anschrift, Adresse, Geburtsdatum der teilnehmenden Mitglieder ausfüllen. „Das ist für mich datenschutztechnisch überhaupt nicht in Ordnung, vorher wurden wir in diesem Bereich so gegängelt und jetzt spielt das alles keine Rolle“, kritisiert Neitsch die Anspruchshaltung der Stadt.

Zu hoher Aufwand: Hans Jürgen Lehmann ist im Vorstand des Skiclubs Radolfzell für die Mitgliederverwaltung zuständig, das sind aktuell etwa 1100 Mitglieder. Er hätte gerne für den Skiclub Radolfzell eine Prämie eingeheimst. 100 Jahre ist der Skiclub in diesem Winter geworden, Veranstaltungen sind keine möglich, da tut jeder Euro in der Kasse gut. „Aber es geht nicht“, sagt Hans Jürgen Lehmann. Die Anforderungen der Stadt haben zum gleichen Ergebnis wie beim Turnverein geführt.

Ein Bild aus Nicht-Corona-Tagen: Der Vorstand des Skiclubs Radolfzell, ganz rechts Hans Jürgen Lehmann.
Ein Bild aus Nicht-Corona-Tagen: Der Vorstand des Skiclubs Radolfzell, ganz rechts Hans Jürgen Lehmann. | Bild: Lange, Georg

Zum einen sei die Wahl eines Zeitfensters für alle Mitglieder des Skiclubs schon ein schwieriges Unterfangen. „Zum anderen möchten wir nicht alle Mitglieder in dieses Zeitfenster einladen, wir sollen doch Ansammlungen vermeiden“, sagt Lehmann. Er versteht nicht, warum man sich nicht einfach bei den einzelnen Teststationen in eine Liste eintragen kann, zu welchem Verein man gehört: „Wir hätten das hinterher auch mit unserer Mitgliederliste abgeglichen.“ Das fände er ein praktikables Vorgehen für alle. Aber auf seine Nachfrage im Rathaus habe man ihm beschieden: „Unsere Software sieht das nicht vor und der OB habe das so verfügt.“ Nun verzichtet der Skiclub, „der Aufwand ist zu hoch“, sagt Lehmann.

Kein Schreiben der Stadt: Die Mitglieder der Stadtkapelle Radolfzell schweben im Zustand der Unwissenheit, Modalitäten wie Zeitfenster online reservieren oder ein Formblatt für eine Gruppenanmeldung liegen dem Vorsitzenden Thomas Späth nicht vor: „Wir haben kein Schreiben der Stadt bekommen“, sagt der Vorsitzende Thomas Späth.

Thomas Späth (Stadtkapelle)
Thomas Späth (Stadtkapelle) | Bild: Kupferschmid, Marina

Obwohl die Stadtkapelle sich als eingetragener Verein teilnahmeberechtigt sieht und Aussichten auf eine Prämie hegt. „Ich weiß nicht, wie erfolgreich wir sind. Aber es wäre schön, wenn wir eine Prämie bekommen würden.“ Späth sieht die Angelegenheit gelassen: „Wir lassen das auf uns zukommen.“ Er geht davon aus, dass seine Musiker sich beim Testen für die Stadtkapelle registrieren lassen können.