Die Kunden der Radolfzeller Stadtwerke müssen sich auf eine drastische Preiserhöhung ihrer Energiekosten einstellen. Spürbar wird das spätestens zur nächsten Abschlussrechnung im kommenden Jahr. Das hat ein Gespräch des SÜDKURIER mit Stadtwerke-Geschäftsführer Andreas Reinhardt ergeben. „Man kann von einer Verdopplung der Preise ausgehen“, sagte er im Gespräch.
Darauf, diese nicht gerade vergnügungssteuerpflichtige Nachricht zu verkünden, hätte Reinhardt gerne verzichtet. Doch die Entwicklungen auf dem Weltmarkt lassen ihm keine andere Wahl. Denn der Krieg in der Ukraine lässt die Preise der weltweit gehandelten Energieträger in schwindelerregende Höhen steigen.
Aktuelle Entwicklungen bereiten Sorgen
Wohl dem, der sich einst das Angebot der Stadtwerke Radolfzell gesichert hat, den Preis für Gas auf mehrere Jahre festzuschreiben. Andreas Reinhardt treibt angesichts der kriegerischen Auseinandersetzungen in der Ukraine jedoch noch etwas ganz anderes um.
Er und seine Berufskollegen bei den lokalen Energieanbietern in der Region machen sich derzeit viele Gedanken darüber, wie eine weitere Verknappung der fossilen Energieträger sich letztlich auf die gesamte Gesellschaft auswirken wird. Die Folgen für die Bürger sind aktuell noch nicht vollständig absehbar.

Deutschland ist von Russland abhängig
Doch Deutschland steckt in jedem Fall in einem Dilemma. Es ist nach Aussage Reinhardts massiv von russischem Gas (rund 55 Prozent), russischer Steinkohle (rund 50 Prozent) und russischem Öl (über 40 Prozent) abhängig. „Das wird jetzt von Putin strategisch ausgenutzt“, stellt er fest.
Umso mehr freut sich Reinhardt über die Geschlossenheit Europas gegen den Krieg in der Ukraine. Dennoch stellen die Maßnahmen und Reaktionen auf den Krieg ein Risiko dar. Egal ob Deutschland und der Rest Europas jetzt russische Energieträger mit einem Embargo versehen oder Putin den Hahn zudrehen – das Ergebnis werden extreme Folgen sein.
Stadtwerke-Chef gibt etwas Entwarnung
Bis hin zu einer echten Verknappung der Energieträger. Dennoch betonen die Stadtwerke Radolfzell, dass die Versorgung weiterhin sichergestellt ist. Durch eine langfristige Einkaufspolitik hätten nicht nur Preissteigerungen abgemildert werden können, sondern auch die nötigen Mengen garantiert werden.
„Niemand muss sich Sorgen machen, dass demnächst kein Strom mehr aus den Leitungen kommt oder die Wohnzimmer kalt werden“, sagt Reinhardt.
Die Entwicklungen haben auch eine gute Seite
Wenn man so will, haben die aktuellen Preisentwicklungen sogar eine positive Seite. „Das beschleunigt die Energiewende. Wir werden eher von den fossilen Brennstoffen wegkommen“, ist sich der Stadtwerke-Geschäftsführer sicher. An eine Laufzeitverlängerung der drei noch in Deutschland verbleibenden Atomkraftwerke glaubt er nicht.
Allerdings wird sich der Ausstieg aus der Kohle nach seiner Ansicht dadurch auf das Jahr 2038 verschieben und nicht vorgezogen werden können. In Radolfzell gibt es jetzt schon Nutznießer und Gewinner der früh eingeleiteten Energiewende.
Wer auf Alternativen zurückgreift, hat Glück
Vor allem die Bewohner der Ortsteile Möggingen und Liggeringen dürften angesichts der aktuellen Preissteigerungen ihre Entscheidung nicht bereuen, sich an die örtliche Holzhackschnitzel-Heizungsanlage (Möggingen) oder die Solaranlage (Liggeringen) angeschlossen zu haben.

In Möggingen hatte man den Anschlusswilligen einst vorgerechnet, dass sich der Anschluss bei einem Ölpreis von über 65 Cent pro Liter lohnen würde. Derzeit beträgt der Preis 200 Cent pro Liter.
Ein Wunsch
Angesichts solcher Zahlen und dem sich voraussichtlich beschleunigten Umbau der Energiegewinnung spricht Andreas Reinhardt von einer „echten Zeitenwende“, wie er sagt. Gleichwohl hat der Stadtwerke-Geschäftsführer derzeit nur einen echten Wunsch angesichts des Krieges in der Ukraine und der Folgen für die gesamte Welt: „Ich hoffe, dass sich das wieder beruhigt“, sagt er.
Die Energiepreissteigerungen werden die Stadtwerke Radolfzell noch in diesem Jahr zum Anlass nehmen, die Preise für ihre Verbraucher anzupassen. Dabei will man mit Rücksicht auf finanzschwächere Haushalte die Steigerungen möglichst stark abfedern. Grundsätzlich rät Geschäftsführer Andreas Reinhardt allen Kunden, „Geld für das nächste Jahr zurückzulegen.“