Am Ende des Gesprächs lächelt Alireza Yaghoobi. Endlich habe er all das erzählen können, was er auf dem Herzen hat. Danke fürs Zuhören, sagt er. Alireza Yaghoobi ist 20 Jahre alt, in Afghanistan geboren und im Iran aufgewachsen. Seit vier Jahren ist der Kreis Konstanz seine Heimat.

Er hat sich über Facebook bei der Redaktion gemeldet, hat unter einem SÜDKURIER-Artikel über den 23-jährigen Jamal aus Überlingen kommentiert. Jamal berichtete, wie er aus einer Bank-Filiale verwiesen wurde. Grund dafür soll seine dunkle Hautfarbe gewesen sein.

Rassistische Beleidigungen sind Alltag

Alireza Yaghoobi kommentierte darunter: „Ja, Rassismus habe ich auch bei der Arbeit erlebt. Es gibt viele nette Menschen, doch die rassistischen Beleidigungen sind auch nicht gerade wenig.“

Nun sitzt der 20 Jahre alte Mann im Café. Der dunkle Bart ist gepflegt, er trägt ein weißes T-Shirt, Lederjacke, er hat einen brauen Rucksack dabei. Er kommt gerade aus der Berufsschule. Yaghoobi macht eine Ausbildung zum Verkäufer bei einem Discounter und arbeitet in der Radolfzeller Filiale.

Nicht nachvollziehbare Polizeikontrollen

Er selbst wohnt in Konstanz und pendelt mit dem Seehas zwischen Zuhause, Arbeit und Schule. Viele Menschen mit dunkler Hautfarbe berichten davon, besonders häufig von der Polizei kontrolliert zu werden. Wie oft musste sich Yaghoobi der Polizei seine Papiere zeigen?

Er winkt ab. „Ich kann es gar nicht zählen, wie oft mir das passiert ist“, sagt er. Einmal sei er im Seehas sogar gleich zwei Mal kontrolliert worden. Erst habe der deutsche Bundespolizist seinen Ausweis sehen wollen. Gleich danach habe eine Kollegin der Schweizer Bundespolizei exakt die selbe Kontrolle durchgeführt. Fast hätte er seine Station verpasst. „Ich verstehe nicht, warum sie das gemacht hat“, sagt der 20-Jährige.

Es bleibt die Ratlosigkeit

Solche Erlebnisse lassen Alireza Yaghoobi ratlos zurück. Er kam als minderjähriger unbegleiteter Flüchtling 2016 nach Deutschland und hat seitdem hart daran gearbeitet, in Deutschland Fuß zu fassen, sowohl beruflich als auch gesellschaftlich. Er spricht gut Deutsch, ärgert sich aber selbst noch immer über den Akzent, der seine fremde Herkunft verrät.

Er hat Freunde gesucht und gefunden. Er spielt beim TSV Konstanz Fußball, denn schon im Iran sei er ein guter Fußballer gewesen, erzählt er. Yaghoobi hat seit über einem Jahr eine feste Freundin. Seine Arbeit im Lebensmittelhandel macht ihm großen Spaß, auch wenn er dort auch schon Alltags-Rassismus erfahren musste.

Als er eines Tages an der Kasse saß, so erzählt Yaghoobi, und eine Frau bat, den Korb in ihrem Einkaufswagen anzuheben, habe diese sich augenblicklich fürchterlich aufgeregt. Sie habe ihm an den Kopf geworfen, dass man so etwas vielleicht in dem Land mache, wo er herkomme, aber sicher nicht in Deutschland.

Gefühl der Erniedrigung

Der 20-jährige Auszubildende war sprachlos. „Ich habe mich so klein und erniedrigt gefühlt, ich wusste gar nicht was ich drauf antworten soll“, erinnert er sich. Die Frau beschwerte sich dann bei einer Kollegin über den jungen Mann, die ihn allerdings in Schutz nahm. Es sei eine Regel des Supermarktes, den Einkaufswagen zu kontrollieren. Gerade er als Auszubildender müsse sich streng daran halten.

Später erzählte Yaghoobi dem Filialleiter von dem Vorfall, der ihn ermutigte, sich sofort bei ihm zu melden, falls so etwas noch einmal vorkommen sollte. Die Person würde dann augenblicklich des Ladens verwiesen werden, versicherte sein Vorgesetzter. „Danach habe ich mich besser gefühlt“, sagt Yaghoobi.

Kunden ignorieren ihn einfach

Doch es seien immer wieder Dinge vorgefallen. Kunden, die er auf das Tragen eines Mund- und Nasenschutzes hingewiesen hatte – auch das Pflicht im Geschäft – hätten ihn einfach ignoriert, seien aggressiv geworden oder hätten sich später über ihn beschwert.

Auch als Auszubildender hatte Alireza Yaghoobi während der Corona-Zeit im Frühjahr kräftig mit anpacken müssen. Lange Arbeitstage ohne Pause waren notwendig zu dieser Zeit. „Ich beschwere mich nicht, es war schließlich mein Job. Aber man kann doch wenigstens respektvoll mit mir umgehen“, sagt er.

Der 20-Jährige ist sich bewusst, dass nicht alles immer auch böse gemeint ist. Doch für Menschen mit einer anderen Hautfarbe fühle sich das einfach anders an als für hellhäutige Europäer. Zum Beispiel die Frage der Herkunft. „Immer werde ich gefragt, wo ich herkomme. Die Antwort Konstanz reicht vielen nicht, sie wollen wissen, wo genau ich herkomme oder woher meine Eltern sind“, erklärt er.

Ständiges Fragen hinterlässt Gefühl der Ausgrenzung

Einmal sei er wegen einer Zugverspätung nicht pünktlich in den Unterricht gekommen und die Lehrerin habe wissen wollen, wo er denn herkomme. Statt zu erklären, dass der Zug zu spät war, habe er instinktiv Afghanistan gesagt. So wie immer. „Aber sowas unterstreicht nur, dass ich nicht hier her gehöre, dass ich fremd bin“, sagt er. Auch wenn die meisten das nur aus Interesse fragen würden, beim dunkelhäutigen Gefragten hinterlasse das ein ungutes Gefühl.

Das könnte Sie auch interessieren

In den vier Jahren, die er mittlerweile in Deutschland lebe, habe er jedoch bemerkt, dass unverholener Rassismus eher zugenommen als abgenommen habe. Auch wenn sich Alireza Yaghoobi noch nicht völlig von der deutschen Gesellschaft akzeptiert fühlt, möchte er doch hier bleiben und sich ein Leben aufbauen.

Er möchte noch besser deutsch sprechen lernen, die Ausbildung erfolgreich absolvieren und irgendwann Familie gründen. „Ich hoffe, dass ich die letzte Generation bin, die Rassismus erleben muss, ich hoffe meine Kinder werden diese Erfahrung nicht machen“, sagt er.

Das könnte Sie auch interessieren