Neun Jahre nach dem ersten Anlauf, die Lettow-Vorbeck-Straße in Radolfzell umzubenennen, ist es nun gelungen. Die Straße im Altbohl, einst von den Nationalsozialisten nach dem vermeintlichen „Kriegshelden“ Paul von Lettow-Vorbeck benannt, soll künftig Magnolienstraße heißen.
Auf diesen Namen konnten sich die meisten Anwohner der Straße einigen. In einem demokratischen Prozess gab es drei Namen zur Auswahl: Magnolienstraße (33 Stimmen), Schlehenstraße (sieben Stimmen) und Akazienstraße (sechs Stimmen). Der erst angedachte Name Ahornstraße wurde wegen der Ähnlichkeit zum Ahornweg in Böhringen verworfen.
Die Stadträte lobten während der jüngsten Gemeinderatssitzung die Bereitschaft der Anwohner, diesen Prozess zu begleiten und mitzugestalten. „Es ist ein wunderschöner Name, vielen Dank an alle für diese demokratische Vorgehensweise“, sagte Derya Yildirim (SPD). Und Christof Stadler bekräftigte noch einmal den Wunsch, das Gewächs, nach der die Straße neu benannt wird, auch dort anzupflanzen. Oberbürgermeister Simon Gröger versprach, im Altbohl bald Magnolien pflanzen zu lassen.
Zu Lettow-Vorbeck und dem Völkermord
Ein blumiger neuer Straßenname, ein transparenter Beteiligungsprozess, zufriedene Stadträte – besser geht‘s nicht, könnte man meinen. Doch Thilo Sindlinger, Freie Grüne Liste, warf mit einem befremdlichen Antrag einen Schatten auf die Sitzung. Er schlug vor, die Lettow-Vorbeck-Straße in den „Tra-La-La-Weg“ umzubenennen. Gründe dafür nannte er nicht.

Auch eine Rückfrage des SÜDKURIER an Stadtrat Sindlinger vor einer Woche, was er mit dem Antrag bezwecken wollte, blieb unbeantwortet. Die FGL-Fraktion hatte überhaupt erst den Antrag auf Umbenennung gestellt, die meisten Stadträte unterstützten den Vorschlag. So schien es, dass auch seine Fraktionskollegen von Sindlingers-Solo-Antrag irritiert waren. OB Gröger brachte dessen Vorschlag ohne großen Kommentar zur Abstimmung, bis auf Sindlinger stimmten alle Räte dagegen.
Nur Bernhard Diehl, Fraktionssprecher der CDU, platze im Anschluss der Kragen. „Ich bin sehr bestürzt von den Äußerungen von Thilo Sindlinger“, sagte Diehl. Dieser Antrag sei eine Missachtung der Bürger und des Gemeinderates, die sich alle um einen konstruktiven und demokratischen Prozess bemüht hätten.
Diehl hinterfragt das Gedankengut solch einer Aussage
„Ich will gar nicht wissen, welches Gedankengut hinter solch einem Antrag steht, aber es berührt mich emotional sehr und ich verstehe es nicht“, fasste Diehl seine Gefühle zusammen. Der OB versuchte die Wogen zu glätten und sagte diplomatisch: „Ich habe bisher einen sehr konstruktiven Gemeinderat erlebt und lade jeden ein, sich diesem Weg weiter anzuschließen.“
Schon in den vergangenen Sitzungen hatte sich Sindlinger stets gegen die Umbenennung der Straße ausgesprochen. Aus seiner Sicht sei es eine Geschichtskorrektur, den Straßennamen zu ändern. Er empfände es als überheblich, die heutigen Werte auf die damalige Zeit übertragen zu wollen.
Gutachten sei „viel Blabla“
Auch dem Gutachten der Konstanzer Historikerin Heike Kempe, welches erstmals 2013 angefertigt und 2021 noch einmal ergänzt wurde, stellte Sindlinger ein schlechtes Zeugnis aus. „Viel Blabla und wenig Konkretes zur Person Lettow-Vorbeck“, sagte er während einer Gemeinderatssitzung im Dezember. Schon damals zeigten sich einige Stadträte über die wenig respektvolle Wortwahl ihres Kollegen Sindlinger irritiert.

Norbert Lumbe fasste in seinem Beitrag die Bedeutung dieser Straßenumbenennung zusammen: „Das ist nicht nur ein lokales Thema, es ist ein nationales Ereignis.“ Viele Städte würden derzeit mit historischer Aufarbeitung kämpfen und der Radolfzeller Weg sei dabei ein Beispiel, wie das mit der Beteiligung der Einwohner geklappt habe. Für die Anwohner gibt es eine Aufwandsentschädigung von 50 Euro pro erwachsener Person.
Auch die Stadträte zeigten sich engagiert, bei etwaigen Adressänderungsprozessen die betroffenen Anwohner zu unterstützten. Für die Bewohner der Straße solle es keine Nachteile durch die Umbenennung geben. Sollten Kosten entstehen, die die Aufwandsentschädigung übersteigen, so würden diese ebenfalls erstattet werden. Die Informationstafel, die über das Leben von Lettow-Vorbeck aufklärt, soll in der Straße stehen bleiben.