Ein angehender Jurist nimmt Drogen, um sich auf eigene Faust medizinisch zu behandeln – bis der Drogenkauf irgendwann auffliegt. Nun musste sich der 41-jährige Mann wegen versuchtem unerlaubten Erwerb von Betäubungsmitteln in neun Fällen sowie dem Besitz in einem Fall vor dem Amtsgericht Radolfzell verantworten.

Der Sachverhalt war vor Gericht eigentlich schnell geklärt, denn der Angeklagte räumte über seinen Verteidiger die ihm vorgeworfenen Taten vollumfänglich ein. Ungewöhnlich war jedoch die Begründung des Verteidigers für den Drogenkauf und -konsum seines Mandanten: Ursache dafür sei eine psychische Erkrankung gewesen. Der 41-Jährige haben sich selbst mit den Betäubungsmitteln behandelt.

Schicksalsschlag wirft ihn aus der Bahn

Doch das war nicht immer so, denn das Leben des Angeklagten geriet erst durch einen Schicksalsschlag aus den Fugen. Vor Gericht berichtete der Angeklagte, dass er mehrere Jahre lang Jura studiert habe. Doch kurz vor seinem zweiten Staatsexamen wurde seine Welt erschüttert: „Meine Schwester hat sich umgebracht“, berichtete der Mann vor Gericht. Das habe ihn aus der Bahn geworfen: „Mir war alles zu viel.“

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Daraufhin habe er 2013 sein Referendariat abgebrochen und sei an einen anderen Ort Deutschlands in die Wohnung seiner toten Schwester gezogen. Dort habe er für lange Zeit in den Tag hineingelebt. Doch dann sei er im Jahr 2018 krank geworden. Die Diagnose: paranoide Schizophrenie. Anfangs habe er nur Geräusche gehört, die eigentlich nicht da waren. Doch irgendwann habe er dann auch angefangen, Stimmen zu hören, die ununterbrochen auf ihn einredeten, schilderte der Mann.

Mann behandelt sich mit Amphetamin selbst

Es sei irgendwann so schlimm geworden, dass er in der Wohnung ausgerastet sei und sie verwüstet habe. Seitdem sei er eigentlich kontinuierlich in Behandlung, berichtete der heute 41-Jährige, das sei auch nach seinem Umzug in die Bodenseeregion vor einigen Jahren so. Da ihm die Medikamente vom Arzt aber nicht geholfen hätten, habe er angefangen, sich mit Amphetamin selbst zu behandeln.

„Wie um Himmels willen sind Sie auf die Idee gekommen, das auszuprobieren?“, fragte Richterin Ulrike Steiner den Angeklagten. Die Substanz solle gegen ADHS (Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom) helfen, erklärte der Mann, und habe nahegelegen, da er sich nicht mehr konzentrieren könne, seitdem er die Stimmen höre. Er habe sogar versucht, Amphetamin vom Arzt verschrieben zu bekommen. Doch verschiedene Ärzte hätten dies abgelehnt, deshalb beschaffte er es sich anderweitig.

Mitarbeiter fällt verdächtige Sendung auf

Doch wie waren die versuchten Drogenkäufe des Mannes überhaupt aufgefallen? Wie in der Verhandlung deutlich wurde, waren Mitte 2022 einem Mitarbeiter eines Briefzustellerdienstes verdächtige Sendungen aufgefallen, darunter auch eine für den Angeklagten. Bei einer Untersuchung der Sendung wurde Methamphetamin mit einem Bruttogewicht von rund 7,5 Gramm gefunden.

Daraufhin wurden bis September 2023 mehrere Postsendungen an den Angeklagten abgefangen. Der Inhalt: insgesamt über 200 Gramm Amphetamin und Methamphetamin, jedoch mit einem eher geringen Nettowirkstoffgehalt. In einer darauffolgenden Hausdurchsuchung seien laut Anklage knapp fünf Gramm Amphetamin in der Wohnung des Mannes sichergestellt worden.

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Tatsächlich war der aktuelle Fall auch nicht das erste Mal, dass der 41-Jährige wegen Straftaten in Bezug auf Drogen vor Gericht saß: Der Mann hat bereits zwei Vorstrafen wegen unerlaubtem Besitz und versuchtem Erwerb von Betäubungsmitteln.

Angeklagter zeigt Reue

Laut dem Angeklagten habe er nach einer ersten Hausdurchsuchung im Jahr 2020 für circa eineinhalb bis zwei Jahre keine Drogen mehr konsumiert. Doch dann sei es mit den Stimmen in seinem Kopf wieder schlimmer geworden und er sei rückfällig geworden. Er habe dann täglich ein bis zwei Gramm der Droge konsumiert. Seit der letzten Hausdurchsuchung im Herbst 2023 nehme er keine Drogen mehr. „Ich habe es eingesehen. Ich mache es nicht mehr“, erklärte der 41-Jährige.

Sein Geständnis, sein kooperatives Verhalten und die Tatsache, dass er Reue gezeigt und keine weiteren Straftaten mehr begangen habe, wertete die Staatsanwaltschaft als positiv: „Ihm ist bewusst, dass er mit einem Bein im Gefängnis steht.“

Die Staatsanwaltschaft forderte deshalb eine Freiheitsstrafe von einem Jahr, jedoch mit Option auf Bewährung. Die dreijährige Bewährungszeit sollte aber mit Auflagen verknüpft werden: So sollte der Angeklagte 2000 Euro an eine Drogenberatung zahlen, einem Bewährungshelfer unterstellt werden und über einen gewissen Zeitraum sechs Urin-Proben abgeben. Außerdem forderte die Staatsanwaltschaft eine ambulante Suchtherapie.

Letzte Möglichkeit des Angeklagten

Richterin Steiner folgte dem weitestgehend: Sie verurteilte den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten, die sie zu einer dreijährigen Bewährungsstrafe aussetzte.

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Sie reduzierte die Geldstrafe auf 1000 Euro und sah von einer verpflichtenden Therapie ab. Dies begründete die Richterin damit, den Aspekt der Selbstkontrolle unterstreichen zu wollen. „Die Überschrift lautet Selbstprogramm“, erklärte sie. Der 41-Jährige müsse begreifen, dass er es für sich selbst mache. Ulrike Steiner redete dem Angeklagten zum Schluss noch einmal ins Gewissen: „Nehmen Sie das ernst. Das ist die letzte Möglichkeit, der Zug ist fast abgefahren.“