Stahringen In den Fluren der Stahringer Grundschule ist Englisch noch präsenter als sonst – es sind Muttersprachler zu Gast. Das ist kein Zufall und soll auch in Zukunft öfter passieren – denn ein wichtiger Meilenstein für das bilinguale Konzept der Schule ist nun erreicht. Erstmals hat die Grundschule eine Schülergruppe aus England empfangen. Zehn Kinder im Alter von neun und zehn Jahren aus der Green Ridge Primary Academy in Buckinghamshire verbringen zwei Tage an der Schule in Stahringen – für einige ist es die längste Zeit, die sie bis dahin ohne ihre Eltern verreisten.
Im Lehrerzimmer treffen sich deutsche und britische Lehrkräfte zum Gespräch. Die Stimmung ist herzlich, Cadbury-Schokolade liegt auf dem Tisch – die britischen Gäste sind angekommen. Schulleiterin Petra Wieshoff, ihre Kollegin Rahel Andresen sowie die englischen Lehrerinnen Katie South, Megan Ellison und Tilly Healy geben Einblick in die intensive Planung, die hinter dem Austausch steckt. Seit 2014 verfolgt die Stahringer Grundschule ihr Motto „Fit für Europa“. Obwohl Englisch in Baden-Württemberg seit 2018 wieder erst ab der dritten Klasse unterrichtet wird, hält die Schule an Englischunterricht ab Klasse eins fest. Zudem folgt sie dem CLIL-Ansatz (Content and Language Integrated Learning), das bedeutet, Sachinhalte werden in einer Fremdsprache erlernt. So werden an der Grundschule auch Musik, Sport und Kunst auf Englisch unterrichtet. Seit 2022 besteht die Partnerschaft mit der Green Ridge Primary Academy. Über Postkarten zu Festtagen, Videobotschaften und Online-Meetings lernten sich die Schüler bereits vor dem Austausch kennen und schafften so eine Verbindung zur Partnerschule. Im Juni 2023 reisten erstmals zehn Stahringer Kinder nach England und tauchten in das britische Schulleben ein. „Die Kinder wollten nicht nach Hause, sie haben darum gebeten, die Abreise auf Freitag zu verschieben“, erinnert sich Wieshoff schmunzelnd.
Auch die Lehrkräfte lernten sich bereits vor den Schülerreisen gegenseitig kennen. Wieshoff und Andresen besuchten die britische Partnerschule im Februar 2024, die englischen Lehrerinnen kamen im Oktober nach Stahringen. Frau Wieshoff erklärt, dass es wichtig gewesen sei, die Orte davor kennenzulernen, zu verstehen, wie zum Beispiel der Nahverkehr aufgebaut ist, und sich über Unterkunftsmöglichkeiten zu informieren. Katie South ergänzt: „Ein Grundschulaustausch ist anders. Ältere Schüler haben Handys, können sich selbst orientieren. Mit Grundschülern muss man immer dabei sein – für diese Tage ist man ihre Familie.“
Während ihres Aufenthalts in Stahringen erleben die britischen Schüler einen abwechslungsreichen Schulalltag. Am ersten Tag erkunden sie die Schule und treffen bei einer Schatzsuche durch Stahringen auf die Kinder, die zuvor in England waren. Am zweiten Tag stehen Unterricht und ein Ausflug zum See in Ludwigshafen auf dem Programm – inklusive einer spannenden Führung zu einer Biberburg mit einer Nabu-Mitarbeiterin.
Für die Lehrerinnen beider Schulen hat ein Grundschulaustausch besondere Vorteile. So erläutern sie, dass die Kinder weniger Scheu haben und versuchen, mit ihren Mitteln ins Gespräch zu kommen. Wieshoff ergänzt: „Sie merken, dass sie die Sprache wirklich nutzen können. Es ist nicht nur Schule, sondern ein ganzes Erlebnis.“
Das zeigt sich auch auf dem Schulhof: Die Stahringer Schüler Tilda und Ferdinand, die im Herbst selbst nach England reisen, freuen sich über die neuen Spielkameraden. Fangenspielen mit den Engländern gefällt Tilda gut. Ferdinand ergänzt, dass das Fußballspielen zwar chaotischer sei, aber auch lustig. Austauschschülerin Grace beobachtet auch schon die ersten Unterschiede zwischen den Schulen: Die Schule in Stahringen gebe sehr viel Freiraum und die Kinder seien sehr selbstständig. Ihr fällt auf, dass die Schüler alleine Klassenzimmer wechseln und im Unterricht die Aufgaben zeitlich flexibler erledigt werden dürfen. Gleichzeitig merkt sie aber an, dass das mitunter an der unterschiedlichen Größe der Schulen liegen müsse. Während die Akademie rund 600 Schüler hat, ist Stahringen mit 62 ein ganz anderes Erlebnis. Grace hofft nun, dass die Schulen Brieffreundschaften einführen können und sie ihr Deutsch weiter verbessern kann.
Die Fortsetzung des Austauschs ist bereits geplant: Im Herbst reist die nächste Gruppe Stahringer Schüler nach England. Die Finanzierung solcher Programme ist nach dem Brexit herausfordernder geworden, doch durch Förderungen – unter anderem von der UK-German Connection und der Werner-Messmer-Stiftung – konnte der Austausch gesichert werden. Für Wieshoff ist das Projekt eine Herzensangelegenheit: „Das größte Geschenk, das man einem Kind geben kann, ist es, eine Sprache zu lernen.“ Und die Schüler zeigen: Es ist ein Geschenk, das sie mit Begeisterung annehmen.