Unsolidarisch wurde die Idee von Radolfzells Oberbürgermeister Simon Gröger genannt, den Erzieherinnen mehr Gehalt zu geben. Und unsolidarisch finden Güttinger Eltern diese Kritik. Johannes Moser, Bürgermeister der Stadt Engen und Vorsitzender des Gemeindetags Kreisverband Konstanz, sprach da stellvertretend für alle Bürgermeister im Landkreis Konstanz, die nun Sorge haben, ebenfalls mehr Gehalt bezahlen zu müssen, wenn Radolfzell mehr zahlt. Manch‘ klamme Haushaltskasse ließe mehr Gehalt für Erzieherinnen gar nicht zu. Die Angst war da, dass Personal nach Radolfzell abwandert, weil es dort mehr Geld gebe. Und dies sei eben unsolidarisch, befand Moser.

Eltern fühlen sich nicht ernst genommen

Martha Frierdich und Tabea Honstetter, Elternbeirätinnen des Kindergartens Güttingen, sind wie alle anderen Familien in Güttingen, vom Personalmangel in den Kindertageseinrichtungen betroffen. Bei ihnen können aktuell nur ein Teil der Kinder die Betreuungszeiten in Anspruch nehmen, weil es schlicht an Mitarbeitern fehlt. Für die Familien ist dies eine große Belastung. Dass sich nun Hegauer Bürgermeister derart gegen eine Erhöhung des Gehalts für Erzieherinnen in Radolfzell stellen, ist für sie politisches Versagen. „Wir haben das Gefühl, dass gar nicht verstanden wird, wie schlimm diese aktuelle Situation für die betroffenen Familien und vor allem Kinder ist“, schreiben die beiden Elternbeirätinnen in einer Stellungnahme.

„Wir haben das Gefühl, dass gar nicht verstanden wird, wie schlimm diese aktuelle Situation für die betroffenen Familien und vor ...
„Wir haben das Gefühl, dass gar nicht verstanden wird, wie schlimm diese aktuelle Situation für die betroffenen Familien und vor allem Kinder ist.“Martha Frierich, Elternbeirätin (rechts) | Bild: Schneider, Anna-Maria

Für sie sei es nicht einfach nur eine schwierige Personallage. „Bei uns in Güttingen ist es bereits fünf nach zwölf. Der Baum brennt lichterloh“, machen sie deutlich. In diesem Fall nach Lösungen zu suchen, sei nur folgerichtig. Und Gröger habe nun den ersten Schritt getan, dem Thema mehr Öffentlichkeit und Gehör zu verschaffen.

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Das System Kinderbetreuung kollabiert früher oder später

Da hätten sich beide Elternbeirätinnen mehr Unterstützung von den Amtskollegen der Region gewünscht und erwartet. „Unser System der Kinderbetreuung in Deutschland wird früher oder später kollabieren und das muss allen Politikern bewusst werden“, schreiben sie. Dies läge nicht nur an der Bezahlung, sondern auch an den Arbeitsbedingungen, die aktuell kaum noch zumutbar seien.

Nur Klatschen bezahlt keine Rechnungen

Ähnlich wie in der Pflegebranche im Krankenhaus entwickele sich der Bereich der Erzieherinnen und Erzieher, dass immer mehr den Beruf aufgeben würden. Während der Corona-Pandemie habe man für Pflegerinnen und Pfleger auf dem Balkon geklatscht, aber davon könne niemand seine Rechnungen bezahlen. Viel passiert sei seitdem nicht und die Konsequenzen seien überall spürbar. „Dass das Gesundheitssystem kurz vor dem Kollaps steht, ist kein Geheimnis“, stellen Martha Frierdich und Tabea Honstetter fest.

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Sie erhoffen sich da eine gemeinsame Strategie der Kommunen in der Region. „Wäre es nicht viel sinnvoller, wenn sich die Politiker der Region zusammentun und gemeinsam dafür sorgen, dass der Beruf der Erzieherin attraktiver wird?“, fragen die Elternbeirätinnen. So werde auch niemandem ein Mitarbeiter abgeworben.

„Wäre es nicht viel sinnvoller, wenn sich die Politiker der Region zusammentun und gemeinsam dafür sorgen, dass der Beruf der ...
„Wäre es nicht viel sinnvoller, wenn sich die Politiker der Region zusammentun und gemeinsam dafür sorgen, dass der Beruf der Erzieherin attraktiver wird?“Tabea Honstetter, Elternbeirätin (links) | Bild: Schneider, Anna-Maria

Ein zweiter Vorschlag von OB Gröger war es, mit Sonderleistungen den Beruf des Erziehers attraktiver zu gestalten. Aktuell bietet die Stadt Radolfzell regelmäßige Fortbildungsangebote, betriebliches Gesundheitsmanagement, Zuschuss zum Job-Ticket und Hilfe bei der Wohnungssuche an.

Engen hat ebenfalls schon Sonderleistungen im Programm

Weitere Sonderleistungen müssten mit dem Gemeinderat besprochen werden, hat Gröger im SÜDKURIER-Interview erklärt. Im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst, nach dem die Erzieherinnen entlohnt werden, ist die Auszahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld enthalten. Die Stadt Engen bietet in seinen Stellenanzeigen für Erzieher bereits Bikeleasing und Zuschüsse zum Fitnessstudio.

Die Elternbeirätinnen aus Güttingen wünschen sich keine Konkurrenz im landkreis, sondern Zusammenhalt. „Gemeinsam an einem Strang ziehen, gemeinsam schnelle Lösungen finden, dass wünschen wir uns von den Politikern in unserer Region“, so die beiden Elternbeirätinnen aus dem Radolfzeller Ortsteil. Sie fordern eine faire Entlohnung für die großartige Arbeit der Erzieher und Erzieherinnen in der gesamten Region und ein adäquates Arbeitsumfeld in den Einrichtungen.