Ein Wohlfühl-Start wird das nicht für Tobias Hagenmeyer. Der 52-Jährige wird ab dem 1. Januar 2023 neuer Geschäftsführer der Stadtwerke Radolfzell und muss sich gleich mit der Energiekrise beschäftigen.
Bereits jetzt hat er mit dem Interims-Geschäftsführer Joachim Kania und Betriebsleiter Lars Kießling wöchentliche Besprechungen, um sich in die Themen für das kommende Jahr einzuarbeiten. „Die größte Herausforderung wird die Bewältigung der Energiekrise sein und wie wir unsere Kunden darauf vorbereiten“, sagt Kania.
Stadtwerke tragen ein eigenes Risiko
Für Hagenmeyer ist aber auch die Situation für die Stadtwerke selbst nicht einfacher. „Wir tragen das Forderungsrisiko. Was ist, wenn die Kunden nicht bezahlen können? Für die Stadtwerke Radolfzell wird es keinen Rettungsschirm geben“, sagt der künftige Geschäftsführer. Er sieht die kleinen Energieversorger von der Bundesregierung im Stich gelassen.
Tobias Hagenmeyer ist seit 2018 Geschäftsführer der Stadtwerke Walldürn im Neckar-Odenwald-Kreis. Davor war er bei der EnBW mit unterschiedlichen Aufgaben in Führungspositionen betraut. Unter anderem war er im kaufmännischen Bereich, der Energiewirtschaft, Vertrieb, Controlling und Energiebeschaffung tätig. Auch Auslandserfahrung hat er dort sammeln können, denn er war zwei Jahre für die EnBW bei der Electricité de France in Paris als Projektleiter für Optimierung der energiewirtschaftlichen Prozesse tätig.
Neuer Stadtwerke-Chef kennt die Region
Die Region kennt der 52-Jährige bereits aus seiner Jugend, denn in den 1990er-Jahren studierte er an der Universität Konstanz und beendete 1997 sein VWL-Studium. Auch seine Schwester und die Mutter wohnen seit Jahren in Markelfingen. Hagenmeyer ist verheiratet und Vater von drei Kindern. Mit der Frau, dem jüngsten Kind und Familienhund Ginger möchte er möglichst bald nach Radolfzell ziehen. Für den Übergang hat er bereits eine Wohnung in der Nähe seiner Familie in Markelfingen gefunden.
In einem aufwändigen Auswahlverfahren hat die Stadt Radolfzell als Mehrheitseigentümerin der Stadtwerke den neuen Geschäftsführer gesucht und gefunden. Mit einem Personal-Rekrutierungs-Büro seien rund 70 Personen angesprochen worden, rund zehn kamen in die engere Auswahl, erklärt Oberbürgermeister Simon Gröger. „Die Stadtwerke sind ein wichtiger Baustein in der Stadt, deswegen haben wir uns bei der Auswahl große Mühe gegeben“, so der OB.

Fachkräftemangel ist ein wichtiges Thema
„Die Belegschaft ist sehr gespannt“, sagt Stadtwerke-Betriebsratsvorsitzende Alexandra Hintereck. Für sie und das Team der Stadtwerke sei vor allem der Fachkräftemangel ein wichtiges Thema in den kommenden Jahren. Tobias Hagenmeyer wird ab dem 1. Januar 2023 für 106 Mitarbeiter verantwortlich sein.
Auch für ihn sei die Gewinnung von Fachkräften eine der Herausforderungen seiner Arbeit in Radolfzell, wie er sagt. Doch habe er sich für die Stadtwerke Radolfzell entschieden, weil das Unternehmen aus seiner Sicht zukunftsorientierter sei als andere Energieversorger. Projekte wie das Solarenergiedorf Liggeringen seien fortschrittlich und das Thema Klimaschutz und Klimawandel seien in der Stadt angekommen.
Für Tobias Hagenmeyer steht nicht nur die Wärmewende an, also dass im Winter mit nachhaltiger Energie geheizt werden kann. Sondern auch die Kältewende, das Kühlen der Gebäude im Sommer, sei ein Thema, das in den kommenden Jahren immer wichtiger werden könnte.
Stadt hat Energie-Krisenstab eingerichtet
Doch bis der neue Geschäftsführer in Radolfzell anfangen kann, wartet auf Interims Geschäftsführer Joachim Kania und Betriebsleiter Lars Kießling viel Arbeit. „Noch ist die Gasversorgung gesichert. Wir wissen aber nicht, was der Winter bringt“, sagt Kania. Die Kunden müssten auf dramatische Preisanstiege vorbereitet werden, da sei man aktuell dran.
Die Stadt Radolfzell hat einen Krisenstab gegründet, der aktuell verschiedene Szenarien durchspielt, wie man mit welchem Stand der Gasversorgung umgehen kann. „Wir versuchen so viel Gas wie möglich zu sparen und alle Kunden auch zum Sparen aufzufordern“, sagt Lars Kießling, der Teil des Krisentabs ist. Sollte gar kein Gas mehr da sein, gebe es verschiedene Notfallpläne bis hin zu Wärmehallen, in denen man die Bevölkerung im Winter vor der Kälte schützen will.
Keine Preissteigerung zum 1. Oktober
Anders als andere Energieunternehmen werden die Stadtwerke Radolfzell keine Preissteigerungen zum 1. Oktober einführen. Man wolle erst die Energieumlage abwarten und die Preise dann zu einem späteren Zeitpunkt anpassen, sagt Joachim Kania. Anpassen bedeutet in diesem Fall eine Erhöhung. Auch rate man Kundinnen und Kunden schon jetzt, Geld für die Nebenkostenabrechnung zur Seite zu legen und wo es nur ginge, Strom und Gas zu sparen. „Diese Krise ist ein gesellschaftliches Problem, das werden wir in Radolfzell nicht lösen können“, so Kania.