Unmittelbar nach Fasnacht beginnt für Christen am Aschermittwoch die Fasten- oder Passionszeit. Laut katholischer Kirche geht es bis Gründonnerstag darum, sich zu besinnen und Buße zu tun. Dazu gehört auch Verzicht auf Dinge, die angenehm und leib sind – etwa Schokolade, Alkohol oder das Autofahren, wie das Nachrichtenportal der katholischen Kirche in Deutschland festhält. Zudem sollen sie nur eine volle Mahlzeit am Tag und je zwei kleinere Stärkungen zu sich nehmen, freitags sollte auf Fleisch verzichtet werden.
Doch welchen Stellenwert haben diese Traditionen noch in einer Zeit, in der hierzulande Vieles im Überfluss erhältlich ist? Einige bekannte Personen aus der Region erlauben einen Einblick in ihre Fastenzeit.

Für den Grafen gibt‘s Wasser statt Wein
Eigentlich faste er nicht, verrät Wilderich Graf Bodman. „Altersbedingt esse ich ohnehin mit Maß. Allerdings verzichte ich in der Fastenzeit mittags auf das Glas Wein aus dem Königsweingarten und auf Süßigkeiten.“ Das falle nicht sehr schwer, erinnere aber daran, dass wir in der Vorbereitungszeit auf Ostern stehen. Zu dieser Vorbereitung zähle er auch die Teilnahme an den Gottesdiensten an den Sonntagen und in der Karwoche in der Gemeinschaft der örtlichen Kirchengemeinde.
Fasten wäre zu eng aufgefasst, wenn dabei nur an Verzicht auf Essen gedacht würde, sagt der 86-Jährige. Die Fastenzeit biete die Chance, die Lebensführung und Gewohnheiten zu überprüfen. Da schleiche sich manches ein, was überflüssig oder sogar schädlich sei, das Leben unmerklich belaste und den Blick auf Bedürftigkeit und Bedürfnisse im Umfeld verstelle. Wilderich Graf Bodman macht klar: „Die Kraft von Gewohnheiten ist nicht zu überschätzen. Es ist hilfreich, eine Zeit im Jahr zu finden, in der eingeschliffene Gewohnheiten überprüft und vielleicht neue Gewöhnungen ausprobiert werden können.“ Die Fastenzeit mit ihren 40 Tagen sei lang genug, die neuen Erkenntnisse auf ihre Beständigkeit hin einzuüben.
Für ihn ist das Aschenkreuz am Aschermittwoch ein gutes Startsignal. Auch die Jahreszeit mit Frühlingsbeginn, dem Sprießen der Frühlingsblüher und dem Schwellen der Knospen empfindet er als hilfreich. Und nach der Fastenzeit freue er sich darauf, mit neu eingestelltem Kompass das Osterfest zu feiern und den Alltag wieder gestärkt anzugehen. (wig)

Der Dekanatsreferent verzichtet auf Perfektionismus
Manfred Fischer, Dekanatsreferent im katholischen Dekanat Hegau, sieht die Fastenzeit als eine Zeit der Spurensuche. Man könne herausfinden, was helfe, gut durchs Leben zu gehen und welche Ressourcen wieder aktiviert werden sollten. Er will die Zeit zu einer ehrlichen Bestandsaufnahme nutzen. Für den einen könne das bedeuten, Angst und Trauer nachzugehen oder zu hinterfragen, was denn im Leben nicht mehr trägt. „Da darf ich ehrlich hinschauen, wo ich mich vielleicht verrannt habe und wo es eine Richtungskorrektur bräuchte“, sagt er.
Dabei kennt er seinen Schwachpunkt, den er in den kommenden Wochen angehen will: „Ich versuche, auf Perfektionismus zu verzichten. Der bringt mich oft an meine Belastungsgrenze.“, so Fischer zu seinem Fastenziel in den kommenden Wochen bis Ostern. Und er gesteht sich ein, das Vorhaben werde ihm sehr schwer fallen. Und worauf freut er sich nach dem Fasten dann am meisten? „Über meine Lernerfolge in Sachen ‚es muss nicht perfekt sein, entscheidend ist, dass es von Herzen kommt!‘ und darauf dann mit der Familie, mit Freunden und Kollegen anzustoßen.“ (bie)

Für den Pfarrer ersetzen Bücher soziale Netzwerke
Christian Link, bis Juni noch Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde in Radolfzell, sieht Fasten als gute Gelegenheit zum persönlichen Wandel. „Fasten hilft, sich selbst zu verändern, Körper und Seele anders anzuschauen und zu erfahren, dem eigenen Leben und Gott nahe zu sein“, erklärt er. Link selbst hat sich in diesem Jahr vorgenommen, die Nutzung sozialer Netzwerke wie Instagram zu reduzieren. „Ich möchte stattdessen meine vielen ‚die möchte ich unbedingt lesen-Bücher‘ lesen.“
Ganz so einfach sei das tatsächlich nicht: „Ich finde es in der Selbstbeobachtung immer wieder erstaunlich, wie oft ich nur mal kurz zum Handy greife“, erklärt Christian Link. „Daher lege ich das Handy abends außerhalb meiner Reichweite ab.“ Nach sieben Wochen Fasten freue er sich darauf, „Bücher gelesen zu haben, Geschichten gelebt, Dinge erfahren, Abschiede gefeiert, Leben genossen zu haben“.
Auf eine andere, ebenfalls originelle Fastenidee weist die evangelische Kirchengemeinde Radolfzell auf ihrer Internetseite selbst hin, nämlich die Aktion Klimafasten. Dabei sollen sieben Wochen lang die Auswirkungen des eigenen Lebensstils auf Umwelt und Klima reflektiert und durch praktische Impulse im Alltag gegengesteuert werden.