Personalengpässe und dadurch geänderte Betreuungszeiten, verkürzte Öffnungszeiten und kompletter Ausfall – die städtische Kinderbetreuung in Radolfzell lief zuletzt alles andere als rund. Leidtragende waren nicht nur die Eltern und ihre Kinder. Sondern auch die noch verbliebenen Mitarbeiter in den Kindertagesstätten, die unter Überlastung litten und keine geregelten Arbeitszeiten mehr hatten, wie Bürgermeisterin Monika Laule nun im Rückblick erklärt.
Um die Situation zu verbessern, müsse die Stadt nun die Notbremse ziehen und die Kinderbetreuung bei den städtischen Einrichtungen neu ausrichten, so Laule. Schon im Januar hatte die Stadt angekündigt, dass andere Ansätze zur kurzfristigen Verbesserung geprüft werden sollten, zum Beispiel das Offenburger Modell. Nun wird es konkret: Nicht nur soll in Radolfzell ab dem Herbst bei den Betreuungszeiten einiges umgestellt werden. Auch soll es ein ergänzendes Angebot durch den Malteser Hilfsdienst geben – erstmal allerdings nur in zwei Piloteinrichtungen. Dem stimmte der Gemeinderat in seiner jüngsten Sitzung zu.
Hauptsache, eine verlässliche Situation
Wie Monika Laule bereits vorab bei einem Pressegespräch erläuterte, wolle man so „für alle eine verlässliche und planbare Situation schaffen“. Allerdings können die Betreuungszeiten in den Kindertageseinrichtungen trotzdem nicht in dem Umfang angeboten werden, der vor dem Kita-Notstand üblich war, sondern müssen reduziert werden.
Was sich konkret ändern soll, weiß Joana Blucha, die bei der Stadt für die Kindertagesbetreuung zuständig ist. So soll das aktuelle Grundangebot von 32,5 Wochenstunden langfristig wegfallen. Stattdessen soll das Grundangebot künftig bei 30 Wochenstunden liegen – mit der Möglichkeit, auf 35 Wochenstunden aufzustocken.
Eine Ausnahme ist die Kindertagesstätte Mezgerwaidring, die laut Blucha eine Ganztagestradition hat und bei der künftig statt 50 noch 45 Wochenstunden angeboten werden sollen. Zudem soll auf lange Sicht das Angebot zum Teil auch aufgebaut werden: Ab September 2024 sollen so im U3-Bereich in manchen Bereichen mehr Wochenstunden angeboten werden.
Spielezeit vom Malteser Hilfsdienst
Im Kinderhaus Bullerbü in Möggingen und dem Kinder- und Familienzentrum Werner Messmer soll zudem für den Ü3-Bereich die ergänzende Betreuung durch den Malteser Hilfsdienst angeboten werden. Diese trägt den Namen „Radolfzeller Spielezeit“ und beträgt weniger als zehn Wochenstunden. Dabei handelt es sich um kein pädagogisches Angebot, stattdessen liege der Fokus auf Spielen und der Betreuung. Stattfinden soll die Radolfzeller Spielzeit außerhalb der Kita-Räume, „damit die Kinder auch einen klaren Schnitt haben“, so Monika Laule.
Die Betreuung am Nachmittag durch Eltern im Kinderhaus Bullerbü soll dagegen schon bald zu Ende gehen: Laut der Sitzungsvorlage des Gemeinderats soll sie maximal noch bis zum den Sommerferien stattfinden.
„Wir möchten das gerne in mehr Einrichtungen starten“, erklärt die Bürgermeisterin über das neue Angebot. Doch der Start sei erstmal ab September in zwei Piloteinrichtungen geplant. Weitere Betreuungsleistungen müssten dann ausgeschrieben werden. Der Malteser Hilfsdienst sei aber bereit, künftig in mehr Einrichtungen im Einsatz zu sein.
Was kostet das Ganze für Eltern?
Umsonst ist das Angebot unterdessen nicht. „Es kostet die Eltern auch etwas“, sagt Monika Laule. Im Kita-Jahr 2023/2024 fallen 44 Euro im Monat an, im Jahr 2024/2025 60 Euro im Monat. Wer eine Zeller Karte besitzt, muss zehn Prozent weniger zahlen. Erst einmal ist das Betreuungsangebot durch die Malteser bis 2025 befristet.
Vorteil des neuen Angebots ist laut Joana Blucha, dass der Malteser Hilfsdienst für das Angebot nicht nur Pädagogen einstellen, sondern auch „versierte Laien“ einsetzen könne. Allerdings würden die Betreuungskräfte von den Maltesern unter anderem in Erster Hilfe und der Prävention von sexueller Gewalt geschult und müssten ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen.
Änderungen auch im Mitarbeiterbereich
Um mehr Personal zu gewinnen, passiert laut Monika Laule auch im Mitarbeiterbereich einiges. Die Stadt schaffe zusätzliche Anreize, um als Arbeitgeber attraktiver zu sein. Und um mehr Anreize für eine klassische Erzieherausbildung zu schaffen, soll es ein Stipendium-Programm geben. „Die Idee ist, dass es ein Taschengeld von 200 Euro für maximal 24 Monate gibt“, erklärt Joana Blucha.
Denn im Gegensatz zur Praxisintegrierten Ausbildung, die mittlerweile viel beliebter sei, würden die Auszubildenden bei der klassischen Ausbildung nicht sofort in Betreuungseinrichtungen eingesetzt werden. Dadurch verdienen sie auch lange kein Geld. Dieser Zeitraum soll mit dem Stipendium überbrückt werden.
Kitas sind allerdings nicht die einzige Möglichkeit, sein Kind betreuen zu lassen: Auch die Arbeit als Tagesmutter will die Stadt attraktiver machen, um die aktuell bestehenden Plätze in dem Bereich in Radolfzell zu halten und weitere Plätze zu schaffen.