Alle Kommunen suchen Händeringend nach Erzieherinnen. Der Fachkräftemangel in den Kitas ist eine Herausforderung für Eltern und Gemeinden. Die beiden Bürgermeisterinnen von Singen und Radolfzell fordern nun gemeinsam Lösungen vom Land und werben um Verständnis bei den Eltern. Sie stellen klar: Sie können kurzfristig keine Abhilfe schaffen.

Vor diesem Hintergrund könne die Politik das Versprechen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht einlösen, erklären die Bürgermeisterinnen Ute Seifried für Singen und Monika Laule für Radolfzell. In Singen fehlen derzeit 15 bis 20 Erzieherinnen, in Radolfzell seien es 20 Fachkräfte zu wenig in den städtischen Einrichtungen. „Das ist erst der Anfang einer großen Personalkrise“, sagen die Bürgermeisterinnen. Als letztes Mittel bleibt ihnen die Reduzierung der Öffnungszeiten von Kitas, wie es in Radolfzell bereits der Fall ist.

Eltern in Radolfzell gehen auf die Barrikaden

In Radolfzell gehen Eltern deshalb auf die Barrikaden und haben vorgeschlagen, die Betreuung durch einen anderen Träger zu ergänzen. Das werde gerade rechtlich geprüft, berichtet Monika Laule. Dabei gehe es auch um Fragen der Haftung oder des Datenschutzes. Die Mehrheit der Eltern hätte Verständnis für die Situation der Stadt und würde sich, wenn die Kita die Öffnungszeiten reduzieren müsse, untereinander organisieren. Das Verständnis füreinander sei wichtig, um diese Krise zu meistern. „Es geht nur miteinander“, sagen die Bürgermeisterinnen.

„Uns tut es richtig weh, dass wir nicht so agieren können, wie wir wollen. Vor allem, weil das Problem meist wieder auf dem Rücken ...
„Uns tut es richtig weh, dass wir nicht so agieren können, wie wir wollen. Vor allem, weil das Problem meist wieder auf dem Rücken der Frauen ausgetragen wird“ Ute Seifried, Bürgermeisterin Singen | Bild: Kirsten Astor

Sie würden gern Abhilfe schaffen, finden aber keine Fachkräfte: „Uns tut es richtig weh, dass wir nicht so agieren können, wie wir wollen. Vor allem, weil das Problem meist wieder auf dem Rücken der Frauen ausgetragen wird, die dann beruflich zurückstecken müssen“, erklärt Ute Seifried. Das Problem sei, dass gerade viele Erzieherinnen in den Ruhestand gehen und zu wenige nachkommen. Außerdem hätten die Kommunen die Zahl der Kindergartenplätze in den vergangenen Jahren massiv ausgebaut. Singen plant gerade wieder einen Kindergartenneubau in der Nordstadt.

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Durch die praxisorientierte Ausbildung (PIA) zur Erzieherin, die auch Quereinsteigern den Weg in den Beruf ermöglicht und bezahlt wird, seien viele Mitarbeiterinnen gewonnen worden. Auch die pädagogischen Zusatzkräfte, die seit vergangenem Jahr in den Kitas eingesetzt würden, schafften Entlastung. „Aber es reicht halt nicht“, sagt Ute Seifried. Bei Personalengpässen schlage das Land zum Beispiel vor, die Gruppengröße hochzusetzen oder eine Erzieherin durch zwei Zusatzkräfte zu ersetzen.

„Das Kind hat einen Anspruch auf Förderung.“ Monika Laule, Bürgermeisterin Radolfzell
„Das Kind hat einen Anspruch auf Förderung.“ Monika Laule, Bürgermeisterin Radolfzell | Bild: Kirsten Astor

Doch diese Maßnahmen helfen nur bei planbaren Engpässen, weil sie vorher geprüft werden müssen. Es helfe nicht, wenn wie so oft jemand kurzfristig zum Beispiel wegen einer Erkrankung ausfalle, erklärt Monika Laule. Außerdem belasten diese Lösungen das bestehende Personal und führen zu Überlastung. „Unser Fachpersonal hat einen hohen Anspruch an seinen Beruf“, sagt Laule. Wenn dieser nicht erfüllt werden könne oder der Druck zu groß werde, könne es sein, dass sie ans Aufhören denken.

Auch die Kindertagespflege könne den Bedarf nicht decken. „Die Tagespflege bringt Entlastung, aber auch hier sind die Kapazitäten erschöpft“, berichten die Bürgermeisterinnen.

Schulische Ausbildung sollte bezahlt werden

Lösungen für das Problem sehen Seifried und Laule zum Beispiel in der Vergütung der Ausbildung durch das Land. „Unser Wunsch wäre, dass die dreijährige schulische Ausbildung zur Erzieherin bezahlt wird“, erklärt Ute Seifried. Das würde die Attraktivität der Ausbildung steigern und mehr junge Menschen in den Beruf bringen.

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Außerdem müsse man über den Personalschlüssel in den Kitas reden. Vorstellbar sei laut Seifried zum Beispiel, dass nicht 100 Prozent der Stellen durch Erzieherinngen besetzt werden, sondern 70 Prozent durch Erzieherinnen und 30 Prozent durch pädagogische Zusatzkräfte. Auch da müsse das Land den Kommunen entgegenkommen. Der geplanten Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule ab dem Schuljahr 2026/2027 könne den Druck auf den Arbeitsmarkt zusätzlich erhöhen.

Im Mittelpunkt aller Diskussionen sollte laut den Bürgermeisterinnen stehen, was gut für das Kind sei und damit auch die Qualität der Kitas. „Das Kind hat einen Anspruch auf Förderung“, erklärt Monika Laule. Eine Kita sei nicht nur Betreuung, sondern auch Erziehung und ganzheitliche Bildung. Denn eine pädagogisch qualifizierte Betreuung könne, so das Kultusministerium, die Bildungschancen von Kindern erheblich verbessern.

Notbetreuung ist keine Ausnahme mehr

Für die Singener Eltern der Kita-Kinder macht sich der Fachkräftemangel deutlich bemerkbar, wenn Erzieherinnen ausfallen, schreibt Kristin Sorg für den Kita-Gesamtelternbeirat auf Nachfrage. „Die Kitas haben sich derzeit soweit organisiert, dass bei Personalausfall die Notbetreuung für die arbeitenden Eltern aufrecht erhalten werden kann“, erklärt Sorg.

Es gebe beispielsweise in einer Kita ein Ampelsystem, woran die Eltern den aktuellen Personalstand ersehen: Bei Gelb würden die Gruppen zusammengelegt und bei Rot trete die Notbetreuung in Kraft.

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Eine Gruppe wird nur alle zwei Wochen betreut

Leider gebe es aber zum Beispiel im Käthe-Luther-Kinderhaus die Vorgehensweise, das von vier Gruppen nur zwei Gruppen ganztags betreut werden können und zwei Gruppen sich wochenweise abwechseln müssen. Das stellt Eltern vor Probleme: Sie müssen dies mit der Familie oder Beruf entsprechend organisieren, damit Großeltern einspringen oder sie nicht zur Arbeit gehen können.

„Wir sind erfreut, dass sich die Stadt einsetzt und auch Forderungen ans Land stellt“, erklärt die Gesamtelternbeirätin. Die Ausbildung zur Erzieherin müsse mehr beworben und attraktiver gestaltet werden und sollte auch wie bei anderen Ausbildungen von Anfang an vergütet werden. Die Anerkennung von Fachkräften aus dem Ausland müsse unbürokratischer erfolgen sowie die Förderung von Quereinsteigern, nennt Kristin Sorg Lösungsansätze.