Es war ein langer Prozess für alle Beteiligte, doch die Lösung scheint gefunden: Mögginger Eltern dürfen bei der Kinderbetreuung aushelfen. Doch dies nicht in den Räumen des Kinderhauses Büllerbü, sondern in dem Gymnastikraum der benachbarten Mindelseehalle sowie dem Außenbereich des Kindergartens. Und diese Räume dürfen sie kostenfrei nutzen. Diese Lösung, die bereits ab Montag, 20. März greifen und vorerst bis zum Ende des Kitajahres dauern soll, wurde vor allem auf Wunsch der Erzieherinnen der Einrichtung so angestrebt. Denn eigentlich war der Plan mal ein anderer.

Fachkräfte sollen Mehrarbeit einstellen

Es klang anfangs alles ganz pragmatisch und ganz einfach: Um die Erzieherinnen und Erzieher aus den städtischen Kitas zu entlasten, gleichzeitig aber für die Eltern mehr Betreuungsstunden anbieten zu können, wollten Eltern selbst organisiert im Spielgruppenmodell wenige Stunden in der Woche selbst überbrücken. So hätte man die Arbeitsstunden der Fachkräfte nach vielen Monaten der Überlastung wieder auf ein normales Maß reduzieren können und Eltern, die arbeiten müssen, hätten dies tun können, weil andere Eltern die Kinder so lange betreuen.

Im Kinder- und Familienzentrum Werner Messmer gelten nun auch kürzere Betreuungszeiten, um die Überstunden und die Mehrarbeit dKinder- ...
Im Kinder- und Familienzentrum Werner Messmer gelten nun auch kürzere Betreuungszeiten, um die Überstunden und die Mehrarbeit dKinder- und Familienzentrum Werner Messmerer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu reduzieren. Sie sollen wieder mehr Zeit für qualitative Arbeit haben. | Bild: Jarausch, Gerald

Viele Gründe sprechen gegen Eltern in der Kita

Für diese Betreuung nach der eigentlichen Kita wollten die Eltern die Räume der Einrichtungen nutzen, weil sich dies aus Sicht der Eltern angeboten hätte. Die Kinder wären ohnehin dort, die Infrastruktur hätte es auch gegeben. Doch hier legten die Erzieherinnen und Erzieher ihr Veto ein. Julia Meißner, Leiterin des Kinder- und Familienzentrums Werner Messmer in der Nordstadt, erklärt warum: Auf der einen Seite hätte es viele organisatorische Dinge gegeben, die man hätte aufrüsten, anpassen und berücksichtigen müssen. Und dann würde es für die Kinder problematisch werden, wenn sich die verschiedenen Ebenen vermischen oder überschneiden würden.

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„Wir habe in unseren Räumen klare Regeln und Strukturen, wenn Eltern in den selben Räumen aber andere Regeln haben, wird das für die Kinder verwirrend“, erklärt sie. Die Befürchtung des Fachpersonals war, dass durch das Eindringen der Eltern in die geschützten Räume der Kita, Kinder keinen geregelten Ablauf mehr erleben und jeden Tag die Strukturen neu besprochen und definiert werden müssen. „Wir müssten dann im Grunde jeden Tag von vorne anfangen“, sagt die Kindergartenleiterin.

Kita-Raum ist ein Schutzraum für Kinder

Auch sei der Raum für die Erziehung, Förderung und die Arbeit mit den Kindern sehr wichtig. „Der Raum fungiert als dritter Erzieher“, macht Julia Meißner deutlich. Alles sei auf die Bedürfnisse der Kinder und der Erzieher eingerichtet. Würden jetzt Eltern in den Räumen auch spielen und Aktivitäten durchführen, müsste das Personal alles wieder so organisieren, wie es zur regulären Arbeit gebraucht werde.

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Ebenfalls habe es Bedenken beim Thema Datenschutz gegeben. In den Kita-Räumen würden Bilder und Geburtstagskalender der Kinder hängen, auch die Portfolios der Kinder lägen offen aus, weil diese gerne darin blättern. In den Portfolios wird jeder Entwicklungsfortschritt festgehalten, Aktivitäten dokumentiert und alles andere, was das Kind so in der Kita lernt und erlebt hat. „Wir haben sie immer draußen, weil die Kinder sie gerne anschauen, aber es sind sehr sensible Daten und wir müssten sie dann wegsperren“, sagt die Leiterin des Familienzentrums.

Auch die Tatsache, dass die Erzieherinnen und Erzieher während der Elternbetreuung die Einrichtung verlassen müssen, stellte aus Sicht des Fachpersonals ein großes Problem dar. Sie müssten sich neue Räume suchen, um ihre Vor- und Nachbereitung zu machen und die Akten der Kinder dürften sie aus rechtlichen Gründen auch nicht nach Hause nehmen. „Es wäre alles sehr viel umständlicher und die Qualität der Arbeit würde darunter leiden“, fasst sie zusammen.

Entwertet es den Beruf des Erziehers?

Dass Eltern sich als Aushilfs-Erzieher angeboten haben, haben einige Fachkräfte als Entwertung ihres Berufsstandes aufgefasst. „Es wertet die Arbeit einer pädagogischen Fachkraft ab, wenn der Eindruck entsteht, es könnte jeder“, beschreibt Sonja Lenz, Leiterin des Kindergartens Villa Sonnenschein in Markelfingen das Gefühl bei diesem Vorstoß. Es sei schwierig gewesen, sich da nicht in seinem Selbstbild angegriffen zu fühlen.

Der Außenbereich des Kinder- und Familienzentrum Werner Messmer.
Der Außenbereich des Kinder- und Familienzentrum Werner Messmer. | Bild: Jarausch, Gerald

Dabei haben die beiden Einrichtungsleiterinnen vollstes Verständnis für die Sorgen der Eltern und sehen die Lösung in Möggingen, die Betreuung in andere Räume zu verlegen, als gute Lösung. Auch dem Offenburger Modell stehen sie offen gegenüber. „Es braucht aber eine klare Trennung zwischen Kita und anderer Angebote“, sagt Sonja Lenz. Bei der Betreuung durch einen externen Träger, wie es in Offenburg die Malteser anbieten, wäre auch der Datenschutz über den Arbeitgeber geregelt und das Personal würde Schulungen erhalten. Für Sonja Lenz könnte dies durchaus eine Lösung sein, so lange die Betreuung nicht in der Kita stattfände.

Bisher gibt es nur in Möggingen Eltern-Betreuung

Eine weitere Eltern-Gruppe, die die Betreuung der Kinder nach dem Ende der Kita-Zeit übernimmt, würde sich aktuell nicht abzeichnen, wie Bürgermeisterin Monika Laule berichtet. In Möggingen sei die Not sehr groß gewesen, aber andere Eltern anderer Einrichtungen seien noch nicht auf sie zugekommen. In Marklefingen hätten die gekürzten Zeiten bei vielen Eltern erst einmal einen Schock ausgelöst. Doch mittlerweile gebe es viel Verständnis, berichtet Sonja Lenz. Und Eltern würden sich intensiver vernetzen und würden die fehlenden Stunden privat im Freundes- und Bekanntenkreis ausgleichen.

Der Strategiewechsel der Stadt, die Stunden flächendeckend an den Bestand des Personals anzupassen, sei für die beiden Kita-Leiterinnen eine Erleichterung gewesen. Jede Erzieherin sollte 20 Prozent ihrer Arbeitszeit für die Vor- oder Nachbereitung und für Dokumentation aufwenden. Doch dies sei in den vergangenen Jahren nicht mehr möglich gewesen. „Wir mussten jede Stunde am Kind arbeiten, weil es sonst gar nicht mehr ging“, sagt Julia Meißner. Jetzt wieder mehr Zeit für die Qualität ihrer Arbeit zu bekommen, sei dies was für sie und andere die Arbeitszufriedenheit ausmache.