In Güttingen bricht in diesen Tagen der mittlerweile sechste Monat an, in dem im Kindergarten Notbetreuung herrscht. Vor einem halben Jahr sind die Eltern darüber informiert worden, dass kurzfristig neu eingestelltes Personal abgesprungen war und neues so schnell nicht zu beschaffen sei.
Dieser Zustand hält bis heute an – und lässt sich auf fast alle städtischen Kindertageseinrichtungen übertragen. In einer Sondersitzung des Gemeinderates direkt vor der Haushaltsberatung ist der Kita-Notstand in Radolfzell diskutiert worden. Viele Eltern waren gekommen, um der Debatte und vor allem den Lösungsvorschlägen zu folgen. Zumindest die, die ihr Kind am Vormittag in den Kindergarten bringen konnten.
Eine einfache Lösung gibt es nicht
Nach rund zweieinhalb Stunden wurde mehr als deutlich: Einfach ist die Lage nicht. Und die perfekte Lösung gibt es auch nicht. Doch haben sich Gemeinderat und Verwaltung auf mehrere Maßnahmen geeinigt, die kurz- und mittelfristig für Besserung sorgen sollen. Orientieren möchte man sich am Offenburger Modell, erarbeitet werden soll aber das Radolfzeller Modell.
Vorgestellt werden soll der Radolfzeller Weg aus der Kita-Krise am Dienstag, 14. Februar, bei einer Informationsveranstaltung im Milchwerk. Diese richtet sich an alle Eltern, die von den Schließungen in den Einrichtungen betroffen sind.
Die Sorge der Eltern ist, dass die Ganztagesbetreuung wegen fehlendem Personal ersatzlos gestrichen wird. Bürgermeisterin Monika Laule hatte angekündigt, die Betreuung werde sich ab jetzt am Machbaren und nicht mehr an den Wünsche der Eltern orientieren. Doch geprüft werden sollen auch Lösungsansätze, die in anderen Städten erprobt werden. In dem Offenburger Modell unterstützen fachfremde Kräfte das pädagogische Fachpersonal in den Einrichtungen, um die Betreuungszeiten auch bei Personalmangel aufrecht erhalten zu können. Vor allem Radolfzeller Eltern zeigten sich bereit, in diesem Modell aktiv mitzuarbeiten.

Stadt fürchtet um die Betriebserlaubnis
Bisher hatte die Stadtverwaltung die Möglichkeit, dass Eltern selbst oder Nicht-Erzieher einen Teil der Betreuung übernehmen sollen, kategorisch abgelehnt. Die Vorgaben zur Kinderbetreuung seien so streng, erklärte Bürgermeisterin Monika Laule, da könne man nicht einfach fachfremdes Personal ohne Weiteres einbeziehen. Die Einrichtung würde beim Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg, der Aufsichtsbehörde für Kinderbetreuungseinrichtungen, die Betriebserlaubnis riskieren, so das Argument.
Doch genau das möchte der Gemeinderat jetzt prüfen lassen. Auf Antrag der Freien Grünen Liste, der sich in vielen Teilen mit dem Antrag der CDU und den Vorschlägen der Stadtverwaltung deckte, soll die Stadt nun prüfen, ob sich im Kinderhaus Büllerbü in Möggingen eine Notbetreuung im Zeitraum von 14.30 Uhr bis 16 Uhr einrichten lässt. Egal ob jetzt eine pädagogische Fachkraft anwesend ist oder nicht.
Möglich sei das, denn für eine Betreuung unter zehn Stunden in der Woche sei zum Beispiel keine behördliche Genehmigung notwendig, wie Annegret Allgaier in ihrer Rede vor dem Gemeinderat erläuterte. Sie sprach für den Gesamtelternbeirat Kita und machte deutlich, dass Eltern durchaus verstünden, dass ihre Kinder unter diesen Umständen nicht den gesamten Tag von einer pädagogischen Fachkraft betreut und gefördert werden können. Aber eine Betreuung, vor allem die ganztägige, habe für Familien eine hohe Bedeutung. Dass Eltern in der Betreuung einspringen, sei ein gangbarer Weg, so Annegret Allgaier.
Hier äußerte Monika Laule Bedenken. In einem Gespräch hätten pädagogische Fachkräfte geäußert, dass sie einen großen Teil ihrer Zufriedenheit im Beruf einbüßen würden, wenn es nur noch um die reine Aufbewahrung der Kinder ginge und nicht mehr um deren Bildung und Förderung. „Wenn es nur noch um Betreuung geht, ist es nicht mehr mein Beruf“, zitierte Laule die Aussagen einiger Erzieherinnen. Um nicht weiter Fachpersonal zu verlieren, müsse es klar sein, dass die Betreuung durch Eltern oder fachfremdes Personal eine reine Übergangslösung sei.
FGL-Fraktionssprecher Siegfried Lehmann betonte aber, dass es durchaus das Ziel sei, im Kinderhaus Büllerbü eine Art Blaupause zu schaffen, die sich auf alle anderen von Personalmangel betroffenen Kitas übertragen ließe. „Es muss allerdings rechtlich sauber geprüft werden“, so Lehmann. Martina Gleich (CDU) betonte, dass auch bei einer Notbetreuung durch Eltern die Chancengleichheit der Kinder gewahrt werden solle. Alle Kinder, auch die geflüchteter Familien, sollten die Möglichkeit einer solchen Betreuung erhalten.
In Konstanz gibt es jetzt Personal aus Spanien
Um aber mittelfristig das Personalproblem zu lösen, hat die Stadt viele Maßnahmen auf den Weg gebracht, um neue Erzieherinnen und Erzieher zu gewinnen. Annegret Allgaier wies auf das Konstanzer Modell hin. In der Nachbarstadt würden jetzt schon spanische Fachkräfte anfangen, die man vor vielen Monaten angeworben hätte. „Konstanz ist uns fast ein Jahr voraus in Sachen Personalgewinnung“, so die stellvertretende Vorsitzende des GEB Kita.
Vom Gemeinderat abgelehnt wurde der Vorschlag der Verwaltung, für 100.000 Euro eine Marketing-Strategie erarbeiten zu lassen, damit sich die Stadt besser auf dem Arbeitsmarkt präsentieren könne. „Das ist einfach zu viel Geld, das passt nicht in unsere heutige Zeit“, so Siegfried Lehmann. Die anderen Stadträte folgten seiner Argumentation und strichen das Geld wieder. Was jedoch auf den Weg gebracht wurde, war die Einstellung einer neuen Stelle für die Geschäftsführung der kommunalen Kitas, um die Leiterinnen zu entlasten.