„Die goldenen 20er“ sollte das Motto der diesjährigen Abiturienten des Friedrich-Hecker Gymnasiums (FHG) in Radolfzell werden. Doch als goldig würde wohl niemand die vergangenen Monate bezeichnen. Ausgelassene Feiern und unbeschwerte freie Zeit gab es kaum. Stattdessen wurden die Schüler von März bis April zu einem ganzen Monat unfreiwilliger Coronaferien verdonnert.
„Besonders schwierig war es, über einen so langen Zeitraum motiviert zu bleiben und sich immer wieder aufzuraffen“, berichtet Benedikt Mechnich. Der 17-Jährige hat in diesem Jahr am FHG sein Abitur gemacht, die letzte mündliche Prüfung ist nur wenige Tage her. Ungewissheit und lange Phasen des Leerlaufs prägen diesen Abi-Jahrgang.
Zeitplan hat sich verschoben
Nachdem bundesweit das öffentliche Leben eingeschränkt wurde, war zunächst noch unklar, wie es weitergehen würde. „Wir wussten nicht, ob wir überhaupt noch Unterricht haben würden“, sagt Vanessa Günther. Auch sie ist Abiturientin am FHG und möchte jetzt Medizin studieren. „Zunächst war der Plan, die Prüfungen ganz normal stattfinden zulassen.
Dementsprechend hat man natürlich am Anfang viel gelernt. Als das Abi dann um einen ganzen Monat verschoben wurde, sind viele in ein Motivationsloch gefallen“, fügt Mette Schulz hinzu. Die Abiturientin will im folgenden Jahr erst einmal Reisen und Arbeiten, um ein Online-Semester an der Uni zu vermeiden.
Ungewisse Zukunftspläne
Ilena Mattina aus Böhringen musste umdisponieren. Ursprünglich hatte sie geplant in Neuseeland zu arbeiten und dort zu reisen. Doch die aktuelle Reisesituation ist unsicher. Und somit steht das folgende Jahr für sie noch in den Sternen. Aarabi Darmakumar ist in einer ähnlichen Situation. Ihr Plan war, mit ihrer Familie auf Reisen zu gehen. Was genau nun in den nächsten Monaten auf sie zukommen wird, weiß sie noch nicht.
Dass das Durchschnittsabitur letztlich abgelehnt wurde, finden allerdings die meisten gut. „Ich will nicht als Teil des Corona-Jahrganges abgestempelt werden, der kein richtiges Abitur schreiben musste“, sagt Benedikt Mechnich. Auch wenn es am Anfang natürlich verlockend gewesen sei, wie er zugibt. Ab Mai wurden die Schülerinnen und Schüler der Abschlussklassen wieder unterrichtet – unter Corona Auflagen natürlich.
Prüfungssituation war ganz normal
Ihre Prüfungen haben die Schüler als ganz normal erlebt: Es herrschte angespannte Stimmung, wie das wohl immer der Fall ist, berichten sie. Das war auch das Ziel des Kultusministeriums. Die Schülerinnen und Schüler sollten durch die besondere Situation zumindest im Hinblick auf die Prüfungen keine Nachteile spüren müssen. Am FHG wurden sie bei Prüfungen wie Deutsch und Mathe in drei Räume aufgeteilt. Personen, die Teil der Risikogruppen sind, schrieben in einem separaten Raum. „Hauptsächlich waren wir aber genervt, denn es lag so viel Zeit hinter uns für nur eine Prüfung“, sagt Vanessa Günther.
Gleichzeitig habe sie auch die Vorteile der Situation zu schätzen gewusst: Sie habe deutlich mehr Zeit zum Lernen gehabt und so ihren Schnitt noch verbessern können. „Wir hatten keine andere Wahl als zu lernen, so war einem wenigstens nicht langweilig“, sagt Benedikt Mechnich. Allerdings ging so auch die Zeit verloren, in der die Klassen sich und ihre Prüfungen ausgiebig feiern konnten.
Am Ende der letzten schriftlichen Prüfung seien alle nach Hause gegangen, ohne Umarmungen, ohne große Party. Kontakte mit mehr als zwei Personen waren zu diesem Zeitpunkt offiziell noch verboten. Ilena Mattina sind nach dieser Zeit vor allem ihre Freunde wichtig. „Die sozialen Kontakte haben mir sehr gefehlt,“ sagt sie.
Abiball unter Corona-Regeln
„Ich habe das Gefühl, dass dieses halbe Jahr, von dem immer erzählt wurde, wie wichtig es sei, für uns einfach weggefallen ist,“ meint Mette Schulz. Statt der üblichen Mottowoche gab es nur einen Mottotag. Verkleidet zum Motto „Sommer, Sonne, Strand“ erhielten sie ihre Prüfungsergebnisse, die Halbjahreszeugnisse und die Themen für die mündlichen Prüfungen.
Auch der Abiball, sonst das große Abschlussevent der Schulzeit, kann dieses Jahr nur coronakonform stattfinden. Konkret heißt das für die Absolventen und Absolventinnen des FHGs einen Grillabend mit den Lehrkräften und einen weiteren Abend im Milchwerk mit den Eltern. „Es war ein riesiger organisatorischer Aufwand,“ erinnern sich Aarabi Darmakumar und Federica Schmidt.
Erst wenige Wochen vor dem Abiball war klar gewesen, dass dieser überhaupt stattfinden werde. Es folgte eine kurze und stressige Zeit der Vorbereitung. Besonders schwierig sei es gewesen, alles im Rahmen der Hygienevorschriften zu planen, erzählt Federica.
Wenig Zeit für die Vorbereitungen
Ilena Mattina freut sich auf den Abiball. „Ich bin froh, dass überhaupt noch etwas stattfindet,“sagt sie. Am Samstag wollen die Abiturienten und Abiturientinnen nach dem gemeinsamen Essen mit den Eltern den Rest des Abends alleine genießen und sich auf diese Weise voneinander verabschieden. Doch auch auf diesem Abiball könne sie leider nur kurz bleiben, sagt Vanessa Günther.
Am nächsten Tag stehe für sie der Medizinertest an, der ebenfalls verschoben wurde. Auch die nach Novalja gehende Abifahrt musste abgesagt werden, denn zum geplanten Zeitpunkt war noch Unterricht. „Ich habe nicht wirklich das Gefühl, jetzt fertig zu sein,“ sagt Federica Schmidt.
Es sei schwierig zu realisieren, dass die Schulzeit vorbei sei. „Ich bin aus der Prüfung raus gegangen und habe immer noch nicht richtig verstanden, dass ich nie wieder zur Schule gehen werde.“ Aarabi Darmakumar fügt hinzu: „Es ist schwierig, in dieser Situation einen Abschluss zu finden.“
Den folgenden Jahrgängen wollen sie vor das mitgeben: flexibel bleiben und sich nicht unterkriegen lassen. Und was nehmen sie selber aus dieser Erfahrung mit? „Ich habe gelernt, dass es sich nicht lohnt, alles im Voraus planen zu wollen.
Es kann immer etwas völlig Unerwartetes dazwischen kommen“, sagt Vanessa Günther. Für Benedikt Mechnich ist vor allem ein geregelter Rhythmus wichtig und Mette Schulz hat gelernt, das Beste aus jeder Situation machen zu können. Sie sieht außerdem in dem selbstständigen Arbeiten und Lernen eine gute Vorbereitung für ein späteres Studium.