Eine Woche vor dem Beginn des neuen Schuljahrs herrscht am Friedrich-Hecker-Gymnasium (FHG) in Radolfzell schon Betrieb. Mit einem Tisch Abstand pauken Erza, Emina, Elena, Lea, Rafael und Leo deutsche Grammatik. Verschiedene Fälle, Rechtschreibung und Satzstellung werden im Deutschunterricht der Lernbrücken durchgenommen.
Unterricht vor den Ferien soll den Wiedereinstieg erleichtern
Die Schüler, die im kommenden Jahr die siebte Klasse besuchen werden, sind gut gelaunt. „Ich bin froh, wieder etwas zu tun zu haben. Mir war morgens oft langweilig,“ erzählt Elena. Ihre Eltern haben sie für die Lernbrücken angemeldet. Diese sollen lernschwächeren Schülern nach der Corona-Krise den Wiedereinstieg in den Schulalltag erleichtern. In den zwei Wochen vor Schulbeginn wiederholen sie vor allem Grundlagen in den Hauptfächern Deutsch, Englisch und Mathe. Alle Schulen des Bundeslandes konnten an der Aktion teilnehmen, mit der Umsetzung wurden sie dann allerdings allein gelassen.

Susanne Pantel ist am FHG die Verantwortliche für die Kurse. Sie kritisiert mangelnde Unterstützung und schlechte Organiation: So kündigte das Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung Baden-Württemberg (ZSL) den Lehrkräften Material zum Arbeiten an. „Ursprünglich hätte das Material per Post kommen müssen. In einer Email wenige Tage vor Beginn der Lernbrücken informierte man uns, die Schulen müssten das Material selber ausdrucken. Ein enormer Kosten-und Arbeitsaufwand“, sagt Susanne Pantel.
Organisation lag allein bei den Lehrkräften
Stattdessen verwenden sie und ihre beiden Kolleginnen nun das eigene Material. Sie unterrichten von halb neun bis mittags, zwei mal neunzig Minuten mit einer Pause. Die Schüler haben Stundenpläne, die Susanne Pantel vor Beginn der Lernbrücken erstellte.

Die Schüler sind in zwei Gruppen aufgeteilt. In der einen lernen zwölf Schüler der Klassen Fünf, Sieben und Acht. Die andere Gruppe besteht nur aus Sechstklässlern. Die Schüler lernen selbstständig, neue Themen werden machmal auch gemeinsam in der Gruppe erschlossen. Normalerweise arbeiten sie aber im persönlichen Tempo an den Themen, die ihnen besonders wichtig sind. „Ich war letztes Schuljahr nicht so gut. Deshalb habe ich gefragt, ob es eine Möglichkeit gibt, sich vor den Sommerferien noch mal vorzubereiten“, erzählt Erza. Mit einer Freundin schreibt sie an einer Geschichte. „Wir haben verschiedene Aufgaben und können uns aussuchen, was wir machen wollen“, sagt Emina, die Grammatikaufgaben bearbeitet. Wenn sie Fragen haben, kümmert sich die Lehrkraft.
„Besonders Spaß machen die Einführunsspiele in Englisch“, sagt Emina, „zum Beispiel beschreiben wir ein Bild und der Nachbar muss es anschließend malen“. Auch den späteren Schulbeginn genießen sie. Es sei deutlich entspannter, erst um halb neun mit dem Unterricht anzufangen. Nach den zwei Wochen fühlen sie sich bereit für den kommenden Montag, dann beginnt das neue Schuljahr. „Die Lernbrücken sind kein Nachhilfeprogramm“, stellt Susanne Pantel klar, „es geht darum, die Grundlagen aufzufrischen, die vorher nicht so sicher waren“. Damit das Wissen nicht nur im Kopf, sondern auch auf Papier gefestigt ist, legen sie in den verschiedenen Fächern kleine Falthefte aus buntem Papier an. Darauf stehen Regeln, Beispiele und Merksätze.
Entspannte Atmosphäre in den Klassenzimmern
Auch Susanne Pantel ist zufrieden mit den vergangenen zwei Wochen. „Es ist eine gute Atmosphäre“, sagt sie, „die Schüler kommen gerne und die Stimmung ist entspannt“. Für Viele sei es wichtig, wieder einen strukturierten Alltag zu haben. Versetzungsgefährdete Schüler könne man mit zwei Wochen Lernbrücken dennoch nicht wirklich helfen. „Wenn nur ein Schüler etwas versteht, das ihm vorher ein Rätsel war, ist das schon gut“, betont die Pädagogin. Dennoch sei es nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Man müsse die Lernbrücken auch als Zeichen der Hilfsbereitschaft des Landes und der Schule sehen. „Einige fachliche Lücken haben wir aufarbeiten können und die Schülerinnen und Schüler haben die Möglichkeiten, die sie bekommen haben gut genutzt“, sagt Susanne Pantel.
Material kam viel zu spät
Kritikpunkt bleibt aber die ausgebliebene Unterstützung, die versprochen wurde. Hinzu komme, so Pantel, dass die Kommunikation ausschließlich über die Schulleitung laufe. „Ich werde nicht kontaktiert, obwohl ich die Verantwortung für die Lernbrücken habe. Alle Emails landen bei der Schulleitung und müssen erst an mich weitergeleitet werden“, sagt sie.
Außerdem sei nun, zwei Tage vor dem Ende der Lernbrückenzeit, das Material vom ZSL doch noch angekommen. Auf einem großen gelben Ordner steht „Lesen macht stark“. Zwei fröhliche Kinder fahren auf dem Buch Skateboard. „Das Material werden wir jetzt nicht mehr benutzen“, sagt Susanne Pantel. Möglicherweise könne man das teure Lernmaterial in Zukunft noch im Förderunterricht einsetzen, für die Lernbrücken sei es aber mehr als zwei Wochen zu spät angekommen, so die Meinung der Lehrerin am Friedrich-Hecker-Gymnasium.