Ihr Sinn für Humor macht bei Isabel Fezer (62) nicht vor der eigenen Person halt: „Ich bin das schwarze Schaf in der Familie, weil ich Jura studiert habe.“ Auf diese Beschreibung kann nur kommen, wer sich selbst mit einem Augenzwinkern betrachtet. Denn von außen gesehen hat Isabel Fezer Karriere gemacht: Sie hat nicht nur Jura studiert, sie war Bürgermeisterin der Stadt Radolfzell und ist Bürgermeisterin in der Landeshauptstadt Stuttgart und dort im Referat Jugend und Bildung verantwortlich für über 4000 Mitarbeiter.
Familie war sehr musikalisch
Solch einen Lebenslauf haben nun nicht gerade neun von zehn Familien in ihren Reihen vorzuweisen. Eine Schwester, Julia, hat Geige studiert, die andere, Ina, Musikwissenschaften und Philosophie, ihr Mann Andreas Neubronner ist Musikproduzent. Im Hause Fezer habe man immer gern musiziert. Aber Vorgaben gab es keine. „Die Eltern haben immer gesagt, ihr studiert das, was ihr studieren möchtet.“ Für Isabel Fezer war es Jura: „Mein Onkel war Richter in Konstanz, das hat mich interessiert und es war genau das Richtige für mich.“

Dann gab es noch etwas im Leben, das hat sich für Isabel Fezer „genau richtig“ angefühlt, aber es sollte ihr nicht gelingen. Im Jahr 2000 – sie war bereits vier Jahre Bürgermeisterin – wollte sie Oberbürgermeisterin in Radolfzell werden. Hier ist sie geboren, hier ist sie aufs Gymnasium gegangen, hier hat sie den Rettungsschwimmer bei der DLRG gemacht, hier wollte sie etwas werden: „OB in meiner Heimatstadt zu werden, wäre die Erfüllung all meiner Träume gewesen. Ich war schon unheimlich beglückt, als ich 1996 Bürgermeisterin in Radolfzell wurde.“ Sie habe wirklich das Bedürfnis gehabt, ihrer Heimatstadt zu dienen. „Das war für mich das Größte. Deshalb habe ich das nie als Problem gesehen, in meiner Heimatstadt zu kandidieren.“
Es war für sie auch die folgerichtige Konsequenz. Vier Jahre war Isabel Fezer schon Bürgermeisterin. Der damalige OB Günter Neurohr war häufig in Spanien, sie leitete viele Sitzungen des Gemeinderats, sie vertrat den OB bei vielen Anlässen, die eigentlich dem Rathauschef vorbehalten sind, sie managte das Hochwasser 1999, weil der OB nicht da war – ja, auf wen oder was hätte sie denn bei der OB-Wahl 2000 warten sollen? „Das war meine Stadt, das war mein Baby, natürlich trete ich an“, beschreibt Isabel Fezer heute ihre Gefühls- und Entscheidungslage im Wahljahr 2000. Nie habe sie daran gedacht, in einer anderen Stadt als Radolfzell anzutreten, „nur um irgendwo OB zu werden und da eine Karriere in Anführungszeichen zu machen“.
Ein harter Wahlkampf
Womit Isabel Fezer nicht gerechnet hatte, waren ein machtbewusster Alt-OB und Vorbehalte gegenüber selbstbewussten Frauen, die öffentlich sagen: Ja, ich kann es. Neurohr griff – obwohl er nicht mehr kandidierte – in den Wahlkampf ein.
Aus seiner Kritik an Fezer sowie der Deutschen Umwelthilfe (DUH) liest sich gekränkte Eitelkeit: „Ich finde es unmöglich, dass die DUH sich so einseitig im OB-Wahlkampf engagiert, zumal der amtierende Oberbürgermeister immer noch bis Ende Oktober 2000 im Amt und in Sachen Umwelt Ansprechpartner ist“, schrieb Neurohr in einem Brief über sich selbst in der dritten Person. Neurohr war zugleich Vorsitzender des Wahlausschusses. Das hielt ihn nicht davon ab, mit einer persönlichen Kritik auf Fezer zu zielen: „Ich hätte mich gefreut, wenn sich Frau Fezer in den vergangenen vier Jahren ihrer Tätigkeit in Radolfzell für Umweltgedanken engagiert und mir Vorschläge unterbreitet hätte.“

Wer Berichte aus dieser Ära liest, wird an einigen Stellen mit diesem hochherrschaftlichen Bewusstsein konfrontiert. Ein Thema, das Isabel Fezer in diesem Wahlkampf belastete: „Ich weiß nicht, ob ich je eine echte Chance hatte.“ Die ganze Zeit mit Günter Neurohr sei mit viel Streit belastet gewesen, „in der mit Schmutz geworfen wurde“. Den Schmutz konnte sie im Wahlkampf nicht abschütteln: „Das klebte auch an mir. Da gab es schon viele Bürgerinnen und Bürger, die sagten, so, jetzt wollen wir auch mal etwas Neues haben: Ein frisches Gesicht, und die Frau Fezer bleibt uns so oder so erhalten, auch wenn wir den Herrn Schmidt wählen.“
So ist es nur eine kurze Zeit später gekommen. Jörg Schmidt wurde Oberbürgermeister, Isabel Fezer blieb nur noch vier Jahre im Amt in Radolfzell. Gegen den Willen von OB Neurohr 1996 als Bürgermeisterin gewählt, wird ihre Stelle offiziell zum Ende der ersten Amtszeit 2004 gestrichen, inoffiziell sind Schmidt und Fezer uneins in der Krankenhausfrage. Fezer wollte die Privatisierung, Schmidt die kommunale Kreisklinik.
Über Berlin nach Stuttgart
Wie auch immer, das politische Tagesgeschäft in Radolfzell hemmte Isabel Fezer nur vorübergehend. Vier Jahre blieb sie noch als Anwältin in Radolfzell, 2008 wechselte sie als Referatsleiterin in die Landesvertretung Baden-Württemberg in Berlin, 2010 hat sie der Gemeinderat der Stadt Stuttgart erstmals als Bürgermeisterin für das Referat Soziales, Jugend und Gesundheit gewählt, das 2016 in das Referat Jugend und Bildung umgewandelt worden ist.
Ist in Stuttgart alles besser, schöner, größer als in Radolfzell? Die Frage will Isabel Fezer so nicht bejahen: „Es ist halt anders“, sagt sie. Stuttgart sei eine andere Dimension. In Radolfzell habe sie gelernt, Mehrheiten zu suchen und Vorlagen für den Gemeinderat zu schreiben. „Das hat mir geholfen, hier den Einstieg zu schaffen“, sagt Fezer. Sie habe gute Mitarbeiter in Stuttgart, sie habe gute Mitarbeiter in Radolfzell gehabt. „Das Vertrauen ist auch nie enttäuscht worden.“

Es gibt kein Hühnchen, das Isabel Fezer mit ihrer Heimatstadt noch rupfen möchte: „Nein, ich hadere nicht.“ Sie wundert sich nur manchmal, „dass manche Diskussionen sich nicht weiterentwickeln“. Wie etwa der Zugang zum See. Es werde viel gebaut in Radolfzell, auch in einer Art und Weise, die ihr nicht gefalle: „Und jedes Häuschen, das da entsteht, heißt Stadtvilla. Große Worte für eine 08/15-Architektur“, findet Isabel Fezer. Doch diese Beobachtung gelte für viele Städte.
Auch ihr Hochdeutsch sei kein Affront gegen Radolfzell, bemerkt die Bürgermeisterin. Schuld sei eine Radolfzell-Pause in ihrer Kindheit, als der Vater im Münsterland gearbeitet habe. „Die vier Jahre Grundschulzeit verbrachte ich an der holländischen Grenze in Vreden, eine Kleinstadt im Kreis Ahaus. Es war toll.“ Ahaus sei der kinderreichste Kreis in ganz Deutschland gewesen. Isabel Fezer sagt das ohne eine Spur von Wehmut: „Seither spreche ich nur Hochdeutsch.“