Ministrant, Pfadfinder, Jugendgemeinderat, Französisch- und Religionslehrer, Professor für Systematische Theologie an der Katholischen Hochschule Freiburg. Das klingt aufgereiht so logisch und schön, als habe es den einen großen Plan im Leben von Michael Quisinsky (45) gegeben und dazu ist er noch aufgegangen. Doch der Plan war viel einfacher, das Leben hat ihn so gerichtet: „Ich habe viele gute und wenige schlechte Lehrer gehabt, da war der Lehrerberuf naheliegend.“ Die prägendsten seien für ihn Grundschullehrerin Luise Mutter in der Ratoldusschule, im Gymnasium dann Hans Georg Netzhammer und Roswitha Guhl-Paulus gewesen.
Die Schule machte in sofort frankophil
Seine Hymne auf die Schulen und seine Zeit in den Radolfzeller Schulen kann Michael Quisinsky im Rückblick gut einordnen, das sei auch in der „ganz stabilen Lehrerschaft“ begründet: „In den neun Jahren, als ich am Gymnasium war, ging kein Lehrer und es kam kein neuer Lehrer.“ Alle seien sie zusammen älter geworden. Für den Schüler Michael kam ein erleichternder Faktor hinzu: „Mir hat Französisch immer Spaß gemacht, ich war von der ersten Stunde an frankophil.“

Michael Quisinsky, mittlerweile ausgebildeter Französischlehrer, weiß, dass das nicht selbstverständlich ist: „Das Französisch ist so eine Ganz- oder Garnichtssache. Entweder man findet es toll und findet gut rein oder es ist eine große Schwierigkeit.“ Auch den Religionsunterricht finden nicht alle toll, Michael Quisinsky aber hatte einen gewitzten Lehrer: „Der Unterricht bei Herrn Netzhammer war immer sehr abwechslungsreich.“ Und dann kam noch der Geschichtsleistungskurs bei Roswitha Guhl-Paulus: „Das war einfach toll, wir waren eine verschworene Gemeinschaft.“
Harmonische Jugend am See
Die Kinder- und Jugendzeit in Radolfzell, Michael Quisinsky schildert sie ausgesprochen harmonisch. Sei es die Zeit in der Schule, bei den Pfadfindern oder den Ministranten in St. Meinrad. Auch die Kirche war für Michael Quisinsky eine positiv besetzte Zeit. Pfarrer Wolfgang Oberschmidt habe ihnen viel Freiraum gelassen. Der Pfarrer war es auch, der den Oberministranten Quisinsky zum Orgelspiel in St. Meinrad am Freitagabend verpflichtet hat. „Oberschmidt hatte eine pragmatische Art, er sagte zu mir in seinem Mannheimer Dialekt: Du kannsch Klavier und brauchsch Geld.“ So sei er zum Orgelspiel gekommen.
„Mir macht das Spaß, aber wirklich talentiert bin ich nicht.“ Er helfe immer ab und zu mal in St. Meinrad noch aus, „wenn ich zufällig in Radolfzell bin“. Selbst die Rivalität mit der Münsterpfarrei war in der Ministrantenzeit von Michael Quisinsky gar keine mehr. Höchstens die Frage, welche Pfarrei beim Hausherrenfest mehr Ministranten stellt, habe eine gewisse Bedeutung gehabt. „Mein bester Freund war Oliver Bruttel, Ministrant im Münster. Wir saßen auch in der Schule nebeneinander. Es gab nicht mehr so viele, die sich richtig in der Kirche engagiert haben.“
Erste Forderung: Belegte Brötchen
Doch Anfang der Neunziger galt auch die Regel: Wer sich engagiert, der macht es richtig und mehrfach. Michael Quisinsky und Oliver Bruttel waren nicht nur Ministranten, sie gehörten auch dem ersten Jugendgemeinderat der Stadt Radolfzell an. Beide wurden von diesem Gremium im Juni 1993 als Vertreter in den Gemeinderat der Großen entsandt. „Wir wussten eigentlich nicht, was wir da fordern oder machen sollten“, erinnert sich Quisinsky. Doch der Vergleich mit den Sitzungen des Gemeinderats brachte die erste handfeste Forderung: „Wir wollten für unsere Sitzungen auch belegte Brötchen haben.“

Michael Quisinsky muss bei dieser Erinnerung selber schmunzeln. Ja, die Kindheit und Jugend sei zu seiner Zeit sehr harmonisch ausgefallen. „Geborgen ist ein Grundgefühl, das ich mit Radolfzell verbinde.“ Er habe eine tolle Klasse, eine gute Gemeinschaft, immer nette Leute um sich und nie einen größeren Konflikt gehabt. Gleichzeitig zog es ihn in große Städte, je größer, desto besser. Die nächstbeste, in der er das andere Leben mitbekam, war Singen. Als Zivildienstleistender kam er zu den Johannitern: „Ich kam in meinem Einsatzgebiet für kleine Hilfeleistungen in alle möglichen Lebens- und Familiensituationen hinein.“ Es galt, Menschen ins Altersheim zu fahren, Pflegebedürftige auch einmal rumzuwuchten oder Alkoholiker zu begleiten. „Da wirkt Radolfzell schon ein bisschen behütet.“
Die richtige große Stadt erlebte Michael Quisinsky dann im Rahmen seines Studiums. Nein, nicht Freiburg. „Das ist zwar größer als Radolfzell, aber noch nicht richtig groß.“ Er bekam im Rahmen des Erasmus-Programms ein Stipendium für Paris. „Da war ich zwei Semester lang, das sind in Frankreich leider nur sieben Monate.“
Zur Talk-Runde und zur Person
Der Liebe wegen zog es Michael Quisinsky in die französischsprachige Schweiz. Dort wurde man auf den Französisch- und Religionslehrer aufmerksam. Seine Doktorarbeit über französische Kleriker, die die geschichtliche Betrachtung des Glaubens in der katholischen Kirche einforderten, brachten ihm die Anstellung als Lehrbeauftragter an der Universität Fribourg in der Schweiz. Von dort kam die Berufung an die Katholische Hochschule Freiburg, dort ist er seit 2018 Professor für Systematische Theologie.
Religiöse Fragen kompetent beantworten
Das klingt nun reichlich kompliziert, doch Michael Quisinsky, verheiratet, zwei Töchter, versucht eine allgemein verständliche Erklärung. Die meisten Studenten an der Katholischen Hochschule arbeiten später als Gemeindereferenten: „Wir wollen unsere Studierenden in eine gelebte Theologie einführen. Das heißt, sie müssen in der Lage sein, Fragen, die die Menschen in Zusammenhang mit Religion und Kirche haben, kompetent aufzugreifen.“
Für Quisinsky steht außer Frage, dass die katholische Kirche in einer „absoluten Krisensituation und Umbruchsituation“ sei. Deshalb sei sein Lehrauftrag und der seiner Kollegen, zu vermitteln, dass es keine sicheren Wahrheiten gebe. „Aber man braucht gleichzeitig etwas, wonach man sich ausrichten kann.“ In diesem Spannungsfeld gelte es, die richtigen Anstöße zu geben: „Die Studenten sollen in einem Dialog erkennen können, was passt in die Situation, was ist eine Möglichkeit, Christsein zu denken und zu leben.“
Interessante Sachen durchzudenken, das reizt Quisinsky. Andere vom Lernen zu überzeugen auch. So preist der Professor seinen Studenten den Theologen Johann Baptist Hirscher an. Da nimmt er sie mit auf den alten Friedhof in Freiburg und zeigt dessen Grab. Hirscher habe gesagt, man brauche viel theoretisches Wissen, um in der Praxis viele nützliche Dinge zu tun: „Man muss aber auch aus der Praxis lernen und daher verändert sich auch die Theorie.“ Das Lernen und Lehren bleibt für Michael Quisinsky eine stabile Erfahrung.