Viel Lärm um nichts. So zumindest versuchte Oberbürgermeister Martin Staab die unerlaubte Rodung einer Sichtschneise vom Bahndamm zum See im Bereich der Kläranlage Radolfzell in der jüngsten Sitzung des Ausschusses für Planung, Umwelt und Technik zu verkaufen.

Es sei unentschuldbar, ein Kommunikationsmissverständnis, aber im Endeffekt nicht weiter schlimm. Gemeinsam mit dem Nabu wolle man diesen Vorfall nun nutzen, und das Areal, welches sich in dem Natura-2000-Gebiet befindet, weiter entwickeln. „Wir wollen aus dem Problem eine Chance machen“, so Staab.

Schneise Klärwerk Radolfzell, Sichtachse Allensbacher Straße – See, vom Wanderweg am See aus gesehen.
Schneise Klärwerk Radolfzell, Sichtachse Allensbacher Straße – See, vom Wanderweg am See aus gesehen. | Bild: Jarausch, Gerald

Doch ganz so einfach wollten die Stadträte Siegfried Lehmann (FGL) und Christof Stadler (CDU) die Sache nicht auf sich beruhen lassen. Es sei nämlich doch etwas Schlimmes passiert, stellte Lehmann fest. „An dieser Stelle wurde illegal und rechtswidrig auf Wunsch einer Privatperson auf dem Gelände der Stadt und auch auf dem der Deutschen Bahn gerodet“, so Lehmann.

Ein Anwohner erhält freie Sicht auf den See

Denn es gebe nur einen Nutznießer dieser Situation und zwar ein Anwohner in der Allensbacher Straße mit einer verglasten Fassade im Obergeschoss zum See hin. Dieser habe nun eine uneingeschränkte Seesicht gewonnen. Darüber hinaus gebe es sonst niemanden, der von dieser Maßnahme profitiert habe.

Für Lehmann stelle dieser Umstand die Glaubwürdigkeit der Verwaltung in Frage. Ende Februar berichtete der SÜDKURIER über drei Jugendliche, die im Sommer 2020 zwar mit Maske, aber zu dritt, etwas zu eng vor der Polizeistation standen und anschließend von der Radolfzeller Stadtverwaltung einen Bußgeldbescheid in Höhe von 500 Euro bekommen haben.

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„Das ärgert mich. Diese Jugendlichen haben von der Stadt keine Nachsicht erfahren. Aber die illegale Abholzung wird nun wie ein Kavaliersdelikt behandelt“, macht Siegfried Lehmann klar. Er forderte Aufklärung. Er wolle wissen, wer das veranlasst habe und wieso genau, auf welche Beschwerde hin, dieses Stück abgeholzt worden ist.

Staab will Auftrag „nie und nimmer“ erteilt haben

Oberbürgermeister Martin Staab wies jeden Vorwurf von sich. Es habe keinen Auftrag für eine freie Seesicht gegeben und er persönlich habe „nie und nimmer“ eine Abholzung im Grünbestand veranlasst. Es habe immer wieder zahlreiche Beschwerden wegen Wildwuchs gegeben, so Staab. Aber genau diese Schneise freizuschneiden, habe niemand in Auftrag gegeben, betont der OB.

Schneise Klärwerk Radolfzell, Sichtachse Allensbacher Straße – See, vom Schießhüttenweg gesehen.
Schneise Klärwerk Radolfzell, Sichtachse Allensbacher Straße – See, vom Schießhüttenweg gesehen. | Bild: Jarausch, Gerald

Dennoch wurden die Bäume und das Geäst gefällt. Deshalb wollte auch CDU-Stadtrat Christof Stadler diese Erklärung nicht akzeptieren. „Mir fehlt jede Fantasie, mir vorzustellen, dass die Mitarbeiter der Technischen Betriebe ohne Auftrag genau an dieser Stelle auf der Länge das Gehölz entfernen“, so Stadler. Die Schneise sei viel zu präzise geschnitten, das könne kein purer Zufall sein. „Fehler passieren, aber nicht so“, sagte Stadler.

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Auch Stadler forderte eine lückenlose Aufklärung der Angelegenheit. Bürgerbeschwerden und Aufträge an die Technischen Betriebe würden in der Regel schriftlich erfolgen. Laut dem CDU-Stadtrat müssten also Unterlagen oder E-Mails zu finden sein, die erklären, wie diese unerlaubte Fällung passieren konnte. Oberbürgermeister Martin Staab nahm den Auftrag der Nachverfolgung zwar an, machte allerdings gleichzeitig klar, dass er wenig Hoffnung habe, da etwas zu finden.

Schneise Klärwerk Radolfzell, Sichtachse Allensbacher Straße – See, vom Bahndamm aus gesehen.
Schneise Klärwerk Radolfzell, Sichtachse Allensbacher Straße – See, vom Bahndamm aus gesehen. | Bild: Jarausch, Gerald

Warum er das annahm, ließ der OB offen. Auch die Frage, ob Staab die Erlaubnis der DB hatte, um auch auf ihrem Gelände was wegholzen zu dürfen, blieb unbeantwortet. Laut OB müsse man in dem Areal nicht neu aufforsten, da sich die Natur erholen und von alleine nachwachsen würde. Mit dem Nabu habe es bereits zwei Vor-Ort-Termine gegeben, diese seien „wirklich positiv“ gewesen, versicherte OB Staab.