Viele Seen und Naturschutzgebiete liegen in der Umgebung, dazu sind einige Umweltverbände hier angesiedelt und die Stadt hat sich ambitionierte Klimaschutzziele gesetzt. Radolfzell gilt als Umweltstadt. Doch wie steht die Stadt beim Klimaschutz tatsächlich da? Das hat das alle vier Jahre stattfindende Audit des European Energy Awards überprüft, das Tina Götsch von der Energie Agentur Konstanz in der jüngsten Sitzung des Gemeinderates vorstellte. Das Ergebnis: Die Stadt schneidet bei vielen Punkten gut ab und ist auf einem guten Weg. Doch es gibt auch noch viel Verbesserungsbedarf.
Insgesamt hat Radolfzell bei seinem vierten Audit 64,3 Prozent der erreichbaren Punkte geholt, wie Tina Götsch präsentierte. Damit konnte sich die Stadt erneut für das European-Energy-Award-Zertifikat qualifizieren, das es ab 50 Prozent gibt. Im Vergleich zum Vorjahr konnte sich die Stadt auf den ersten Blick aber nur um geringe 0,8 Prozentpunkte verbessern. Doch der Schein trügt. Denn die Bewertungskriterien waren zuletzt verschärft worden.
Expertin spricht von gutem Ergebnis
„Im Hinblick darauf ist das ein gutes Ergebnis. Normalerweise verlieren Kommunen durch die Verschärfung etwa zehn Prozentpunkte“, erläuterte Götsch in der Sitzung. Auch Angelique Augenstein sprach von einem Ergebnis, „das sich sehen lassen kann“. Lediglich Siegfried Lehmann (FGL) übte Kritik, dass in die Wertung auch reine Beschlüsse, die noch gar nicht umgesetzt wurden, einfließen würden. „Wir müssen uns da ehrlicher machen. Die Daten beim Verbrauch städtischer Gebäude zeigen, dass er zu hoch ist“, sagte er.

Dem stimmte Augenstein zu. Die Stadt werde deshalb die Priorisierung von zehn städtischen Gebäuden bei der Wärmedämmung noch einmal prüfen, wenn Anfang 2024 die kommunale Wärmeplanung vorliegt.
Hier schneidet die Stadt besonders gut ab
Als besonders herausragende Leistungen nennt der Bericht unter anderem den Beschluss einer Photovoltaik-Pflicht auf Neubauten im Jahr 2020, die Stadtklimaanalyse, die Überarbeitung des Förderprogramms ‚Sonnige Zukunft‘ sowie die Entwicklung von Blurado. Auch die Einrichtung der Stabstelle Umwelt-, Klima- und Naturschutz, die Entwicklung einer Strategie zum Ausbau der Photovoltaik in allen Bereichen, das integrierte Klimaschutzkonzept mit dem Ziel der Treibhausgas-Neutralität bis 2035 und die Erarbeitung eines Klimamobilitätskonzeptes und Nahverkehrskonzeptes kamen positiv an.
Zudem seien laut Audit die Tätigkeiten der Stadtwerke, die neben dem typischen Kerngeschäft der Gas- und Stromversorgung ein breites Angebot an zukunftsweisenden Energiedienstleistungen anbieten würden, positiv. Beispiele seien das Bioenergiedorf Möggingen und das Solarenergiedorf Liggeringen sowie der Betrieb diverser Nahwärmeversorgungsanlagen.
So funktioniert die Überprüfung
Insgesamt prüfte das Audit sechs Handlungsfelder. Im ersten, Entwicklungsplan und Raumordnung, schnitt die Stadt mit 76 Prozent (2018 noch 64 Prozent) sehr gut ab. Hierzu führten das Grünraumkonzept, die Treibhausgasneutralität bis 2035 und die PV-Strategie. Im zweiten Feld, das kommunale Anlagen und Gebäude misst, gab es eine Verschlechterung von 57 auf 45 Prozent. Der Beschluss zur treibhausgas-neutralen Verwaltung wurde laut Vorlage zwar positiv bewertet. Jedoch sehe man laut Sitzungsvorlage „erhebliches Ausbaupotenzial“ in der monatlichen Auswertung der Verbräuche und es fehle eine Gesamtstrategie.
Beim Handlungsfeld Ver- und Entsorgung, das vor allem die Stadtwerke betrifft, erreichte Radolfzell 59 Prozent (2018 noch 71 Prozent). Trotz der guten Arbeit der Stadtwerke gab es hier Abzug für die vergleichsweise zu große Dimensionierung der Kläranlage.
Im Bereich Mobilität verbesserte Radolfzell sich von 71 auf 77 Prozent, wozu erneut die Stadtwerke viel betrugen. Im Handlungsfeld fünf, Interne Organisation, verschlechterte die Stadt sich deutlich von 60 auf 46 Prozent. Begründet wird dies mit vielen Personalwechseln und dem Personalmangel.
So will sich Radolfzell kurzfristig verbessern
Im Handlungsfeld Kommunikation und Kooperation erreichte man 70 Prozent (2018 57 Prozent). Zahlreiche Netzwerke und Kooperationen rund um den See, zum Beispiel mit der HTWG oder dem Forst, seien positiv. Allerdings gebe es Verbesserungsbedarf bei der Zusammenarbeit mit Behörden, der Wirtschaft sowie Hausbesitzern, so der Bericht.
Um sich bis zum nächsten Audit in vier Jahren weiter zu verbessern, nennt die Stadt fünf kurzfristige Maßnahmen. So möchte die Verwaltung nachhaltige Beschaffungsrichtlinien ausarbeiten und etablieren, Nachhaltigkeitscheck für Vorlagen einführen und städtische Gebäude sanieren und dämmen. Zudem sollen das Budget für den Klimaschutz steigen und dort entsprechend mehr Personal eingestellt werden.