Wie auch den Rest der Gesellschaft beschäftigte die Polizei im vergangenen Jahr vor allem ein Thema: „2020 war geprägt von der Corona-Pandemie“, fasst es der Leiter des Polizeireviers Radolfzell, Willi Streit, zusammen. Zum einen waren die Beamten mit der Überwachung der Regeln beschäftigt, zum anderen hatte die Pandemie auch Einfluss auf die Kriminalität.

Die Polizei sei seit März des vergangenen Jahres dafür verantwortlich, etwa die Maskenpflicht, die Einhaltung der Abstände sowie das kurzzeitige Alkoholverbot zu kontrollieren. Auch Betriebe und Freizeiteinrichtungen mussten überwacht werden – in Zusatzdiensten, durch die Überstunden anfielen.

Bild 1: Mehr häusliche Gewalt, mehr sexuelle Übergriffe, dafür weniger Einbrüche: So hat sich die Pandemie auf die Kriminalstatistik 2020 ausgewirkt
Bild: Kerstan, Stefanie

Insgesamt sei es im Zusammenhang mit dem Infektionsschutzgesetz durch das Polizeirevier Radolfzell zu 45 Strafanzeigen und 468 angezeigten Ordnungswidrigkeiten gekommen. Ende des Jahres sei zudem die Überwachung von Querdenker-Infoständen sowie Demonstrationen zu den Aufgaben der Polizisten dazu gekommen. Um richtig zu entscheiden und rechtssicher aufzutreten, sei es dabei für die Beamten wichtig, stets auf dem aktuellsten Stand zu sein: „Das ist eine riesige Herausforderung“, befindet Willi Streit.

Auch die Aufklärungsquote ist gestiegen

Dafür gibt es gleich zwei positive Nachrichten in der Kriminalstatistik: Denn zum einen ist die Aufklärungsquote von 58,2 Prozent auf 62,6 Prozent gestiegen, zum anderen wurden weniger Straftaten registriert als noch 2019. Damals waren es im Zuständigkeitsbereich des Polizeireviers Radolfzell noch 2083 Fälle, im vergangenen Jahr dagegen 1750 – also 16 Prozent weniger.

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Auf der Gemarkung Radolfzell waren es 1533 Straftaten, auf der Höri 217 und damit 41 weniger als noch 2019. Nicht mit eingerechnet sind je Verstöße gegen das Ausländerrecht, um einen Verzerrungsfaktor zu beseitigen – 2020 seien in diesem Bereich elf Fälle gemeldet worden, 2019 waren es neun.

Gewalttaten gehen zurück

Zurückzuführen sei die positive Entwicklung auch auf die Corona-Krise: So habe es zum Teil an Tatbegebenheiten gefehlt, erklären Willi Streit und sein Stellvertreter Bernd Schmidt. „Wenn Fasnacht ausfällt, gibt es weniger Körperverletzungen“, nennt Schmidt ein Beispiel.

„Wenn Läden zu sind, kann man keinen Ladendiebstahl begehen.“ Und tatsächlich gingen Diebstahlsdelikte im Zuständigkeitsbereich des Polizeireviers Radolfzell von 688 Fälle im Jahr 2019 auf 477 im Jahr 2020 zurück. Körperverletzungsdelikte sanken von 196 auf 167, nach Aussage von Schmidt und Streit auch aufgrund von Alkoholverboten und Ausgangssperren.

Der Leiter des Radolfzeller Polizeireviers, Willi Streit (rechts) und sein Stellvertreter Bernd Schmidt, sitzen vor den Statistiken aus ...
Der Leiter des Radolfzeller Polizeireviers, Willi Streit (rechts) und sein Stellvertreter Bernd Schmidt, sitzen vor den Statistiken aus dem Jahr 2020. Die Zahlen sind in fast allen Bereichen gesunken. | Bild: Laura Marinovic

Und auch andere Straftaten nahmen wegen der Pandemie ab. Dass im vergangenen Jahr mit 13 Fällen weniger im Zuständigkeitsbereich sechs Wohnungseinbrüche als noch 2019 verzeichnet wurden, führen Streit und Schmidt etwa darauf zurück, dass sich durch Homeoffice vermehrt Menschen in ihren Wohnungen aufhielten. Zudem seien weniger Personen in den Urlaub gefahren. „Auch hier haben teilweise die Tatgelegenheiten gefehlt“, erläutert Bernd Schmidt.

Auch das Einreiseverbot hält kriminelle Banden fern

Ein weiterer Aspekt, der zum Rückgang beigetragen habe, seien Einreiseverbote gewesen – denn häufig handle es bei Einbrechern um Mitglieder von organisierten Banden, die überregional unterwegs seien. Deren Aktivität wurde eingeschränkt. Zusätzlich führen die beiden die gesunkenen Zahlen aber auch auf Präventionsmaßnahmen der Polizei zurück. So seien die Beamten zum Beispiel in den dunklen Wintermonaten verstärkt zu Fuß in Wohngebieten unterwegs.

Allerdings geben Willi Streit und Bernd Schmidt auch zu bedenken, dass die Pandemie die Kriminalstatistik zum Teil verfälsche. Denn so ist zwar auch die Rauschgiftkriminalität, also etwa Drogenkonsum oder Drogenbesitz, gesunken. 2020 wurden vom Polizeirevier Radolfzell mit 133 Fällen 24 weniger als noch 2019 registriert.

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Aber derartige Delikte würden durch polizeiliche Maßnahmen bekannt, also etwa Kontrollen. „Wenn weniger Leute auf der Straße sind und sich weniger Kontrollmöglichkeiten bieten, ist die Trefferquote nicht so hoch“, erklärt Schmidt. Die Straftaten seien also nicht zwingend verschwunden, stattdessen habe sich das Dunkelfeld erweitert. „Das gehört auch zur Wahrheit“, räumt Willi Streit ein.

Aber nicht alle Entwicklungen hängen mit Corona zusammen. Eine auffällige Abnahme von Diebstahlsdelikten in Moos von 46 Fällen im Jahr 2019 auf 16 im Jahr 2020 stehe etwa in Verbindung mit Baustellen im Neubaugebiet Moosfeld. Dort seien 2019 Werkzeuge und Diesel gestohlen worden, was zu den vielen Einträgen in der Kriminalstatistik geführt habe.

Doch nicht in jedem Bereich hat die Corona-Pandemie einen positiven Einfluss auf die Kriminal-Statistik. Fälle von häuslicher Gewalt zum Beispiel hätten in Radolfzell und auf der Höri um über 33 Prozent von 18 auf 24 Einzelfällen zugenommen. Grund sei, dass sich durch Corona das private Leben verstärkt in den Wohnbereich verlagert habe.

Außerdem ist auch bei Sexualdelikten ein Anstieg zu verzeichnen: 2019 waren es 32 Fälle, 2020 gab es 36. Allerdings liege diese Zunahme nach Angaben von Willi Streit und Bernd Schmidt noch im üblichen Schwankungsbereich. Dennoch betonen beide: „Jeder Fall ist einer zu viel.“ Ebenso sei die Cyberkriminalität angestiegen, etwa der Warenbetrug, weil mehr Menschen in Zeiten von Ladenschließungen im Internet bestellen.