Die Freien Wähler wollen bei der brach liegenden Notfallversorgung in der Stadt Radolfzell nicht mehr länger zuschauen. Sie haben im Gemeinderat mit der Unterstützung von Stadträten aller Fraktionen den Antrag eingebracht, aufgrund Schließung der chirurgischen Notfallversorgung und des laufenden Abbaus von Leistungen im Radolfzeller Krankenhaus die Einrichtung einer ambulanten Notfallpraxis zu prüfen und in der Folge ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) aufzubauen.

Es gab nicht nur einen einstimmigen Beschluss im Gemeinderat, die Beratung mündete in einem politischen Manifest.

Lange Wartezeiten in Singen und Konstanz

Dietmar Baumgartner, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler, erklärte in der Sitzung: „Es muss in unserem Interesse sein, dass eine große Kreisstadt eine ambulante Notfallversorgung bekommt.“ Und Baumgartner kritisierte noch einmal deutlich, wie sich die Situation für Notfallpatienten aus Radolfzell nach der Schließung der Chirurgischen Ambulanz im Krankenhaus Radolfzell durch den Gesundheitsverbund im Landkreis Konstanz (GLKN) darstellt: „Es kann nicht sein, dass man in der Notfallaufnahme in Singen oder Konstanz fünf bis sieben Stunden warten muss.“

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Baumgartner machte deutlich, dass es mit einer chirurgischen Notfallversorgung nicht getan sei. „Wir müssen auch eine Nachsorge-Versorgung aufbauen. Dieser Antrag soll ein starkes Signal sein, das wir für unsere Stadt das brauchen.“

„Die Zukunft gehört solchen Medizinischen Versorgungszentren oder größeren Praxen.“ Jürgen Keck, FDP
„Die Zukunft gehört solchen Medizinischen Versorgungszentren oder größeren Praxen.“ Jürgen Keck, FDP | Bild: Becker, Georg

CDU-Stadträtin Martina Gleich bestärkte die Freien Wähler in ihrem Ansinnen: „Dieser Antrag ist wichtig, aus diesem Grund haben wir ihn unterschrieben.“ Die Entwicklung zeige, dass für Radolfzell eine medizinische Notfallversorgung vor Ort existenziell sei. Jürgen Keck (FDP) riet mit Blick auf das angedachte Versorgungszentrum, konzeptionell zu denken: „Die Hausarztpraxen werden immer weniger, die Zukunft gehört solchen Medizinischen Versorgungszentren oder größeren Praxen.“ Dort sei es einfacher, dem medizinischen Personal Arbeit in Teilzeit anzubieten.

Selbst Siegfried Lehmann von der Freien Grünen Liste (FGL), der immer noch an das Gute im Strukturgutachten des Gesundheitsverbunds im Landkreis Konstanz und an einen Neubau für die bestehenden Kliniken in Singen und Radolfzell glaubt, stellte fest: „Eine Notfallversorgung ist notwendig, wir sehen, wie die medizinische Versorgung in Radolfzell leidet.“

Lehmann glaubt an ein neues Zentralkrankenhaus

Allerdings hielt Lehmann schon einmal mit Blick auf Notfallversorgung und MVZ fest: „Wenn es wirklich zu einem zentralen Standort für eine neue Klinik kommt, dann werden wir über ein anderes Konzept diskutieren.“ Lehmann betonte noch einmal seine Sicht auf die Dinge, in der er einer Sanierung des bestehenden Klinikums in Singen den Sinn absprach. Die Struktur im Krankenhaus Singen könne nicht zu guten betriebswirtschaftlichen Ergebnissen führen. Also glaubt der Stadt- und Kreisrat: „Im Kern ist das neue Zentralkrankenhaus das medizinische Konzept.“

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Norbert Lumbe von der SPD sah gar in dem Antrag „ein Manifest des Gemeinderats“, das in die Zukunft zeigen könne. Vom Gesundheitsverbund fühlte sich Lumbe hingegen schlecht über die Pläne mit dem Standort Radolfzell informiert: „Wir haben ein Krankenhaus und wissen nicht, was damit passiert.“ Lumbe glaubte auch nicht, dass der Gemeinderat auf die Entscheidungen im Gesundheitsverbund Einfluss nehmen könne.

„Wir haben ein Krankenhaus und wissen nicht, was damit passiert.“ Norbert Lumbe (SPD)
„Wir haben ein Krankenhaus und wissen nicht, was damit passiert.“ Norbert Lumbe (SPD) | Bild: Jarausch, Gerald

Deshalb sei es für Radolfzell entscheidend, an einem Strang zu ziehen: „Wenn wir Ideen haben, müssen wir sie gemeinsam vorbringen.“ Dazu brauche es Geduld und Durchhaltevermögen.

Stadt hat jetzt einen Auftrag

Nach dem einstimmigen Beschluss hat die Stadtverwaltung den Auftrag, zusammen mit den niedergelassenen Ärzten die Einrichtung einer ambulanten Notfallpraxis in Radolfzell in die Wege zu leiten.

Etwas weicher ist die Sache mit dem Medizinischen Versorgungszentrum formuliert. Die Stadt solle sich mit einem gemeinschaftlichen Schreiben an den Gesundheitsverbund Landkreis Konstanz wenden, „zu gegebener Zeit als Träger, ein Versorgungszentrum mit der chirurgischen Notfallversorgung und Nachsorgeversorgung auf den Weg zu bringen“. Wann die „gegebene Zeit“ eintritt, das soll wohl von den weiteren Beschlüssen zu einem neuen Zentralkrankenhaus abhängig gemacht werden.