Für den einen ist der Radolfzeller Gemeinderat nicht unbekannt, die andere lernt ihn erst kennen: Wenn das neu gewählte Gremium bald seine Arbeit aufnimmt, werden für die SPD nun auch Markus Zähringer und Kristina Koch mitreden. Zähringer kennt man in der Stadt und im Landkreis nicht nur als Rektor des hiesigen Berufsschulzentrums (BSZ) und als langjährigen Vorsitzenden des SPD-Ortsvereins, sondern seit vielen Jahren auch als Mitglied des Kreistags. Außerdem war er nach dem Tod des Gemeinderats Manfred Debatin 2014 kurzzeitig für die SPD in den Gemeinderat nachgerückt. Mit der Politik sei er schon früh in Berührung gekommen, er habe sich früher als Bundesjugendleiter bei den Naturfreunden engagiert, erklärt der gebürtige Radolfzeller.
Kristina Koch ist ebenfalls keine Unbekannte in der Region, sie arbeitet als Richterin am Sozialgericht in Konstanz. Mit der Politik ist sie bislang noch nicht in Berührung gekommen, nur als Studentin habe sie sich im kleinen Rahmen außerhalb von Gremien zu manchen Themen eingebracht. Allerdings habe sie sich für das Stadtgeschehen in Radolfzell auch davor schon interessiert und mit ihrem Mann über manche Themen gesprochen. „Ich bin eigentlich schon immer lokalpolitisch interessiert gewesen“, erklärt Koch.
Proteste gegen rechts haben sie motiviert
Für die Gemeinderatswahl aufstellen lassen, dafür habe sie sich nach einem Aufruf der SPD entschieden. Allerdings habe sie sich das zunächst überlegen müssen, denn sie habe drei Kinder und eines davon sei noch klein. Dann aber sei sie sich sicher gewesen: „Wenn man eine Stimme haben möchte, dann muss man sich einbringen.“ Außerdem seien die Proteste gegen rechts, die Anfang des Jahres in der Region stattfanden, eine Art Initialzündung gewesen. „Ich wollte mehr machen, als nur auf die Straße gehen“, erklärt Koch, die seit 2015 in Radolfzell lebt.
Auch für Markus Zähringer waren die Demonstrationen ein Auslöser. „Da war mir klar, wir müssen uns engagieren“, erinnert er sich. Dabei habe Zähringer, der 2019 schon auf der Liste der SPD stand, eigentlich in diesem Jahr nicht noch einmal für den Gemeinderat kandidieren wollen. Auch habe er eigentlich gar nicht damit gerechnet, gewählt zu werden, „einfach, weil ich unsere Liste immer noch für so stark halte“, wie er erklärt.
Schlussendlich erhielt er 4041 Stimmen, Kristina Koch 3683 Stimmen – für beide eine Überraschung, über die sie sich freuen. „Gleichzeitig bin ich auch demütig und habe Respekt vor der ganzen Sache“, gibt Kristina Koch zu. Sie wolle nun auch die Interessen der Kandidaten vertreten, die es nicht ins Gremium geschafft haben. Und auch Markus Zähringer empfindet seine Wahl „als ein Privileg“. Er hoffe nun auf eine gute Zusammenarbeit, auch zwischen den Fraktionen.
Diese Themen liegen ihnen am Herzen
Allerdings sei er hier zuversichtlich. „Alle haben ja das gleiche Ziel“, ist sich Zähringer sicher – nämlich, Radolfzell als lebenswerte Stadt auf Dauer zu erhalten.
Schon bevor ihre Arbeit im Gemeinderat tatsächlich beginnt, laufen bereits die Vorbereitungen. Wie Markus Zähringer und Kristina Koch berichten, bekommen sie schon einiges von aktuellen Themen mit, auch gebe es Nachrichten aus dem Rathaus, Einladungen zu Terminen und Antworten auf Nachfragen. Sie hätten außerdem das große Glück, erfahrene Fraktionskollegen zur Seite zu haben. Insbesondere Norbert Lumbe habe schon im Wahlkampf die Kandidaten vorbereitet.
Markus Zähringer und Kristina Koch haben auch schon so manche Wünsche und Vorstellungen für Radolfzell. Etwa die Belebung der Innenstadt: Es sei schwierig, in Radolfzell innerstädtisch eine Kneipe oder einen ähnlichen Ort zu finden, an dem gerade junge Menschen einkehren können, findet Markus Zähringer. Dabei sei es wichtig, dass es für die unterschiedlichen Generationen auch unterschiedliche Ausgehmöglichkeiten gebe. Auch müsse man darüber nachdenken, wie Leerstände genutzt werden können.
Schandfleck Bahnhofareal
Ein weiteres Thema, das Markus Zähringer und Kristina Koch am Herzen liegt, ist die Entwicklung des Bahnhofareals. Das Gebiet zwischen der Aurelis-Linse und dem Gelände der ehemaligen Pakethallen müsse attraktiv gestaltet werden. „Das ist eigentlich ein Schandfleck für Radolfzell“, sagt Zähringer.
Er und Kristina Koch stellen sich an dieser Stelle ein Mischgebiet mit medizinischem Zentrum, Wohnbebauung, Dienstleitungsgewerbe und Tiefgarage statt oberirdischer Parkflächen vor. Aktuell seien die Plätze dort versiegelt, der Stadtgarten sei quasi von Parkflächen umgeben – etwas, das Koch und Zähringer nicht gerne sehen. Eine Idee, die die beiden neuen SPD-Räte für das Areal ebenfalls einbringen, ist ein Azubiwohnheim, mit dem auch der Fachkräftemangel angegangen werden könnte.