Es ist eine Frage wie dem Henne-Ei-Prinzip: Ist die Radolfzeller Innenstadt noch so, wie sie ist, weil es das Outlet-Center Seemaxx oder obwohl es das Seemaxx gibt? Diese Frage spielt im Alltag der Kunden kaum eine Rolle. Rückt aber jetzt mit dem Wunsch des Seemaxx, ihr Sortiment um Produkte zu erweitern, die es auch in der Innenstadt zu kaufen gibt, immer mehr in den Fokus.

Konkret geht es darum, dass es bisher im Outlet-Center vornehmlich nur Kleidung zu kaufen gibt. Dies wurde bei der Center-Eröffnung vor fast 20 Jahren vertraglich und im Bebauungsplan so festgehalten. Jetzt möchte sich das Seemaxx weiterentwickeln und möchte nun auch Kosmetikartikel, Spiel- und Haushaltswaren sowie Schmuck und Accessoires anbieten. Alles Warengruppen, für die es in der Innenstadt mindestens einen eingesessenen Händler gibt, der sich auf darauf spezialisiert hat.

Wenig Interesse bei Workshop

Um die Befindlichkeiten abzuklopfen, hat die Stadtverwaltung zu einem Workshop eingeladen, bei dem das Verhältnis Seemaxx-Innenstadt sowie beide Entwicklungspotenziale erörtert werden sollten. Im Vorfeld hatte es auch eine interne Veranstaltung der Aktionsgemeinschaft gegeben für ihre Mitglieder mit der Möglichkeit, zu den Plänen des Seemaxx Stellung zu beziehen. Auch das Seemaxx, in diesen Diskussionen vertreten durch Christine Glasow, vom Center-Management des Betreibers Kintyre, kam ausführlich zu Wort.

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Der Wunsch nach einem Kompromiss und einer gemeinsamen Entwicklung wurde sowohl von Seite der Aktionsgemeinschaft als auch vom Seemaxx betont. Groß war das Interesse an dem städtischen Workshop allerdings nicht. Zehn Personen, darunter Einzelhändler, Kunden und Stadträte, nutzten die Gelegenheit für einen Austausch. Es wurden Ideen gesammelt, aber hauptsächlich Meinungen geäußert.

Center-Managerin Christine Glasow versuchte, auf alle Sorgen einzugehen und warb um Vertrauen. Sie machte auch klar: Das Seemaxx brauche diese Entwicklungsmöglichkeit, um überleben zu können. Und laut ihr hinge am Schicksal vom Seemaxx die gesamte Radolfzeller Innenstadt: „Radolfzell darf nicht in einen Dornröschenschlaf verfallen.“

Ihr Laden steht seit 1900 in Radolfzell für strahelnde Kinderaugen: Heike Heinzelmann (links) und Sonja Uhl von Spielwaren Swars sehen ...
Ihr Laden steht seit 1900 in Radolfzell für strahelnde Kinderaugen: Heike Heinzelmann (links) und Sonja Uhl von Spielwaren Swars sehen den Wunsch des Seemaxx, auch Spielwaren ins Sortiment aufzunehmen, eher kritisch. | Bild: Schneider, Anna-Maria

Corona ist in manchen Branchen noch nicht überwunden

Dennoch bleiben bei einigen Händlern in der Stadt Ängste und Vorbehalte. Besonders deutlich formuliert es Sonja Uhl, Geschäftsführerin des Traditions-Spielwarenladens Swars, welcher seit 125 Jahren in der Radolfzeller Innenstadt beheimatet ist. „Egal welche Spielwaren-Marke ins Seemaxx kommt, wir werden es deutlich zu spüren bekommen“, so ihre Einschätzung. Der Einschnitt durch Corona sei nicht überwunden, die Folgen der Pandemie und das veränderte Kaufverhalten der Kunden spüre man im Spielwarenbereich noch immer deutlich.

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Zu der Sorge um den Umsatzverlust kommt die Zukunftsangst, welchen Entwicklungen man mit einer Bebauungsplanänderung anstößt. Sei die „Büchse der Pandora“ erst einmal geöffnet, was könne dann noch alles passieren und genehmigt werden? Gerade bei den Spielwaren gebe es einen nicht unerheblichen Absatz von Gelegenheitskäufen. „Und wenn die Kinder im Seemaxx schon ein Spielzeug bekommen, sei es auch nur etwas ganz Kleines, dann kommen die Kunden nicht mehr in die Innenstadt“, erklärt Heike Heinzelmann von Spielwaren Swars im Gespräch mit dem SÜDKURIER.

Nicht nur die Sortimentserweiterung ist Thema

Die beiden Schwestern Uhl und Heinzelmann haben die gesamte Innenstadt im Blick und befürchten eine Art Domino-Effekt: Ein Geschäft weniger als Anziehungspunkt würde allen anderen genauso schaden, da weniger Kundschaft in die Stadt käme. Doch konzentriert sich ihre Sorge nicht nur auf das Seemaxx. Der Handel profitiere viel vom Tourismus, eine attraktive Innenstadt, ein ansprechendes Seeufer und gute Rahmenbedingungen für Besucherinnen und Besucher seien ebenso wichtig – und sind in Radolfzell durchaus ausbaufähig, wie Heike Heinzelmann befindet. Die jetzt angedachte Erhöhung der Wohnmobilstellplatzgebühren sieht sie deswegen kritisch.

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Dieser Einschätzung schließt sich Sandra Biller-Stocker, Inhaberin vom Lichthaus Biller und Vorständin der Aktionsgemeinschaft, an. Die Nord-Süd-Achse vom Seemaxx zum Seeufer sei nicht richtig attraktiv, es fehle an Aufenthaltsqualität, am See fehle eine Eisdiele, die Besucher anlocken solle. „Die Innenstadt, das ist nicht nur der Handel, das ist auch Gastronomie und Dienstleistungen“, macht Biller-Stocker deutlich. Die finale Stellungnahme der Aktionsgemeinschaft zum Bebauungsplanverfahren sei momentan noch in Arbeit, erklärt sie. Sie fordere aber alle Händler, Gastronomen und andere Innenstadt-Bewohner auf, sich zu der Sache zu äußern und ihre Meinung dazu mitzuteilen. Dazu rief auch Christine Glasow vom Center-Management auf. „Je eher wir wissen, wo der Schuh drückt, umso mehr können wir darauf auch Rücksicht nehmen“.

Manche Händler haben weniger Sorgen

Weniger beeinträchtigt durch den Wunsch des Seemaxx, auch Schmuck und Accessoires ins Sortiment aufzunehmen, sieht sich Stefan Kruel, Inhaber von Juwelier Kruel, der das Ladengeschäft in zweiter Generation führt. Krankheitsbedingt blieb er sowohl der Sitzung der Aktionsgemeinschaft als auch des städtischen Workshops fern. Im Gespräch mit dem SÜDKURIER gab er sich aber entspannt. „Wir haben unser Geschäft längst umstrukturiert“, erklärt Kruel. Und zwar habe das Juweliergeschäft seinen Fokus auf besonders beratungsintensive Bereiche gelegt, wie Trauringe oder Sonderanfertigungen. „Wir machen all das, was man im Internet nicht bekommt“, so Kruel.

Sebastian Raetz, Geschäftsführer der Parfümerie Gradmann, wollte sich auf Nachfrage des SÜDKURIER zu diesem Thema nicht äußern. Der Bebauungsplan, mit dem die Sortimentserweiterung festgelegt werden kann, liegt bis zum 14. April aus, bis dahin können bei der Stadtverwaltung Einwände und Einsprüche abgegeben werden.