Gelingt die Verbindung von Seemaxx und Altstadt? Das fragte der SÜDKURIER im Jahr 2006 wenige Tage vor der Eröffnung des Herstellerverkaufszentrums, wie das Seemaxx damals genannt wurde. Die Verbindung gelang, wenn auch anfangs unterstützt durch den Rössle-Express, der die einkaufswillige Kundschaft mit einer Kutsche von Center zum Marktplatz chauffierte. Heute hat sich eine gewisse Balance zwischen dem Factory-Outlet-Center und den Einzelhändlern in der Innenstadt eingestellt. Dieses Gleichgewicht könnte nun empfindlich gestört werden, weil man im Seemaxx eine Erweiterung des Sortiments plant. Das zumindest befürchtet die Radolfzeller Stadtverwaltung.
Angebot im Seemaxx ist kein Zufall
Das Seemaxx will sich nämlich verändern. Nicht was die Quadratmeterzahl angeht, aber was das Angebot betrifft. Was im Seemaxx verkauft wird und in welcher Anzahl ist kein Zufall, sondern fest vorgeschrieben und unterliegt einer regelmäßigen Kontrolle, wie Oberbürgermeister Simon Gröger in einem Gespräch informierte. Das fand im Vorfeld der Debatte statt, die im Ausschuss für Planung, Umwelt und Technik am Mittwoch, 19. Februar, ab 16.30 Uhr stattfinden wird. Das Regelwerk soll eine friedliche und vor allem ertragsreiche Co-Existenz zwischen Innenstadtgeschäften und Seemaxx garantieren.
Die gewünschten Veränderungen betreffen zum einen eine Umschichtung von Damenoberbekleidung zu Herrenober- und Sport-/Freizeitbekleidung. Wie viel Prozent von welcher Sorte Kleidung verkauft werden darf, ist ebenfalls vorgegeben. Im Seemaxx würde man diese Quoten gerne etwas flexibler gestalten.
Sportmarken wollen Parfüms verkaufen
Weiter geht es um untergeordnete Sortimentserweiterungen, wie diese in der Sitzungsvorlage genannt werden. Dabei geht es darum, dass den einzelnen Marken-Stores erlaubt werden soll, auch markeneigenes Randsortiment auf begrenzter Fläche zu verkaufen. OB Gröger nennt dabei als Beispiel, dass Sportbekleidungsmarken auch Körperpflegeprodukte oder Parfums anbieten – zwei Produktgruppen, die eigentlich laut Vereinbarung nicht im Seemaxx vertrieben werden dürfen. „Aber die Markenunternehmen drängen darauf, ihre komplette Produktpalette anbieten zu können“, erklärt Gröger den Hintergrund.
Die dritte – und vermutlich weitreichendste – Veränderung ist, dass das das Seemaxx „im geringen Umfang“ Marken-Geschäfte ansiedeln möchte mit Produktgruppen, die sich zum Teil mit dem Angebot in der Innenstadt doppeln. In der Sitzungsvorlage genannt werden Haushaltswaren, Glas- und Porzellanwaren, Uhren, Schmuck, Accessoires, Spielwaren und Parfümerie und Kosmetik. Hier sieht Gröger das größte Konfliktpotenzial: „Auch kleine Veränderungen können sich sehr sensibel auf den Handel vor Ort auswirken“, so die Befürchtung des Oberbürgermeisters.
Gutachten besagt nur geringe Auswirkungen auf Nachbargemeinde
Der Seemaxx-Betreiber, das Kintyre Center Management, hat im Vorfeld das Beratungsunternehmen Cima beauftragt, in einem Gutachten die Auswirkungen der angestrebten Änderungen auf die Radolfzeller Innenstadt sowie auf die benachbarten Städte zu beurteilen. Diese wurden als eher gering eingestuft. Im Gutachten heißt es als Fazit: „Bei einer Realisierung der Sortimentsanpassungen in dem empfohlenen, begrenzten Rahmen besteht aus Gutachtersicht die Möglichkeit, die Attraktivität des FOC Seemaxx für die Kundinnen und Kunden zu steigern, ohne dabei die Angebotsstrukturen in der klassischen Innenstadt Radolfzells wie auch in den schützenswerten Standortlagen der umliegenden zentralen Orte Konstanz, Singen und Stockach zu schwächen.“
Ganz so entspannt sieht es OB Gröger nicht, der sich als „Wächter der Innenstadt“ verstanden wissen möchte. Man werde in der Entscheidung um diesen Vorstoß des Seemaxx eng mit der Aktionsgemeinschaft zusammenarbeiten, versicherte er. Ein erster Termin der Aktionsgemeinschaft dazu ist wegen Krankheit ausgefallen. Nicht-öffentlich wurde das Thema bereits im Gemeinderat besprochen – durchaus kritisch, wie OB Gröger informierte.
Doch gehe es ihm nicht nur um den Schutz der Innenstadt, sondern vor allem darum, einen Kompromiss zwischen Seemaxx und Handel zu finden. Denn für den OB sind auch die Wünsche des Seemaxx durchaus berechtigt. Ziel sei es einfangs gewesen, die Achse Seemaxx und See zu stärken. Hier war vor allem das Projekt Seetorquerung ein Hoffnungsträger, der die Besucher vom See in die Stadt zum Seemaxx und zurück bringen sollte. Nun ist die Seetorquerung seit einigen Jahren endgültig beerdigt worden und die versprochene Stärkung der Nord-Süd-Achse hat nur in Teilen stattgefunden.
RP sieht Singen, Stockach und Konstanz nicht beeinträchtigt
Stellungnahmen zum Cima-Gutachten liegen vom Regierungspräsidium Freiburg (RP), dem Handelsverband Südbaden und der Industrie- und Handelskammer Hochrhein Bodensee (IHK) bei. Das RP bestätigt, dass bei dieser gewünschten Form der Erweiterung die einzelhandelsbezogenen Ziele der Raumordnung laut Landesentwicklungsplan nicht verletzt werden.
Die Auswirkungen auf die beiden Mittelzentren Singen und Stockach sowie das Oberzentrum Konstanz seien deutlich unter dem Schwellwert der Umsatzverteilung. Dieser Wert liegt bei zehn Prozent. Größte Auswirkung würde die Stadt Konstanz im Bereich Sport- und Freizeitkleidung spüren mit einer Umsatzverteilung von vier Prozent. Heißt: Die Nachbarstädte würden die Sortiment-Erweiterung im Seemaxx nicht wirklich merken.
IHK ermahnt zur vorsichtigen Einordnung
Anders könnten die Konsequenzen für den Radolfzeller Handel aussehen. Hier schreibt die IHK in ihrer Stellungnahme: „Die detaillierte Festsetzung der Sortimentsgestaltung zum Schutz der innerstädtischen Einzelhandelsstrukturen in Radolfzell führt bisher zu einem akzeptierten und ausgewogenen Miteinander. Der Fokus ‚Mode‘ führt zu einer breiten Zustimmung.“
Es gelte, bereits geringe Sortimentsveränderungen sensibel einzuordnen. Besonders kritisch sei laut IHK die Eröffnung von Geschäften im Bereich Haushaltswaren, Glas- und Keramikwaren sowie Spielwaren. Dies könnte zu negativen Auswirkungen im Radolfzeller Einzelhandel führen. Der Handelsverband Südbaden empfiehlt, die städtebauliche Entwicklung mit der nicht wie geplant ausgebauten Nord-Süd-Ache der Innenstadt bei der kommenden Diskussion zu berücksichtigen.